„Die Vermutung, dass sich die Gesuchten hier bei uns in der Gegend aufhalten, haben wir Kamerad Zufall zu verdanken. Während einer Routineverkehrskontrolle kurz vor Alborg hat Gesternabend der Fahrer eines der herausgewinkten Fahrzeuge das Gaspedal durchgetreten und sich so der Überprüfung entzogen. Die sofort eingeleitete Fahndung war insofern erfolgreich, als das gesuchte Fahrzeug zwei Stunden später am Kloster Borglum aufgefunden worden ist. Allerdings leer. Der Wagen ist offensichtlich überstürzt verlassen worden. Unter dem Beifahrersitz haben wir eine Kartentasche gefunden. Dort konnte ein Ausschnittsplan sichergestellt werden, auf dem die Gegend um Lönstrup markiert wurde und das heutige Datum notiert ist. In der Mappe befand sich zudem der Reisepass von Vitali Rudnik. Wir gehen daher davon aus, dass die Insassen jetzt entweder zu Fuß unterwegs sind, und daher nicht weit gekommen sein können, oder von einem anderen Wagen aufgenommen worden sind,“ betonte der Einsatzleiter.
„Vermutlich trifft letzteres zu,“ mischte sich die junge Frau ein, „und das würde bedeuten, dass mehr als die uns bekannten vier Personen unterwegs sind. Möglicherweise haben die sich auch hier irgendwo in einem der Sommerhäuser eingenistet.“
An Larsson direkt gewandt fügte gleich darauf Hansen hinzu: „Es geht für Ihre Leute also lediglich darum das Beobachtungsgebiet zu überwachen. Sollten sich auffällige Bewegungen feststellen lassen, sind die Einsatzkräfte zu benachrichtigen. Unsere Leute überprüfen in der Zwischenzeit die belegten Ferienhäuser in der Umgebung und übernehmen alles weitere.“
„Halten Sie es nicht doch für günstiger, wenn wir abwarten, bis die gesamte Crew beisammen ist“, hatte Kommissar Sven Larsson im Verlauf der kurzfristig anberaumten Einsatzbesprechung gerade zu bedenken gegeben, als die Besprechung durch das Klingeln eines Mobiltelephons unterbrochen wurde.
„Verzeihen Sie bitte,“ entschuldigte sich die junge Frau, während sie nervös in ihrer Handtasche nach dem Handy kramte.
„Es macht doch keinen Sinn, da bei Anbruch der Dunkelheit mit einer halben Hundertschaft aufzukreuzen, ohne dass wir sicher sein können, ob wir überhaupt das richtige Gebäude für das Treffen kennen,“ insistierte der Leiter der Polizeiinspektion Hjorring, nachdem die rothaarige Frau den Sitzungsraum verlassen hatte.
Larsson hatte allmählich die Nase gestrichen voll
Larsson hatte allmählich die Nase gestrichen vollvon der Art und Weise, wie die hohen Herren vom PEC aus Kopenhagen die ganze Angelegenheit hier zu handhaben beliebten.
Kurz nach Mitternacht war er von Kopenhagen aus dem Bett geklingelt worden.
Über seine private Mobilfunknummer war ihm durch einen Verantwortlichen des Dienstes das Eintreffen der Einsatzgruppe für 14.00 Uhr angekündigt worden. Per Fax war zu Dienstbeginn die Bereitstellung der Kräfte seiner Dienststelle bis 15 Uhr angeordnet worden.
Ab diesem Zeitpunkt sollten alle Kreuzungspunkte entlang der Zufahrtsstraßen nach Lönstrup mit Kontrollposten besetzt sein.
Die Vollzugsmeldung war gegen 11.00 Uhr herausgegangen.
Die eigentliche Lagebesprechung wurde für 14.30 Uhr angesetzt. Die Leute vom PEC hatten die Sache mit einer für die gesamte Dienststelle völlig ungewohnten Dringlichkeit vorangetrieben.
Die Informationen beschränkten sich zugleich auf das Notwendigste.
Dementsprechend hatten sich die örtlichen Kräfte auf die Abriegelung der Zufahrtsstraßen und die Abgabe der entsprechenden Meldungen beschränkt, ohne dabei besondere Vorkommnisse vorweisen zu können.
Die Besprechungsteilnehmer verständigten sich schließlich darauf, dass beim Auftauchen eines jeden Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen sowie der zufälligen Entdeckung der gesamten Gruppe unverzüglich das Sondereinsatzkommando zu benachrichtigen war. Ein Zugriff durch örtliche Kräfte war ausdrücklich untersagt.
Die Sondereinsatzkommando bestand aus drei Abteilungen. Der „Konvoi“, bestehend aus vier Kleintransportern und zwei Sicherungsfahrzeugen, war dafür vorgesehen, die Festnahme am Ort des Treffens durchzuführen. Sollte der Zugriff nicht oder nicht vollständig gelingen, standen zwei weitere Gruppen mit Helikoptern bereit, um die Sache zum Abschluss zu bringen.
„Die ganze Sache hat eben nur einen kleinen Haken,“ mokierte sich die mittlerweile auch in den Besprechungsraum zurückgekehrte Frau mit dem amerikanischen Pass, „der genaue Aufenthaltsort der Gesuchten ist den Fahndern nicht bekannt.“
Das stimmte natürlich. Selbst die Fahrzeugtypen hatten bisher nicht näher bestimmt werden können. Deren Kennzeichen waren ebenfalls immer noch nicht bekannt. Der gesamte Einsatz glich also der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Inzwischen war es fast siebzehn Uhr, aber von den vereinbarten Kontrollpunkten, über welche die Zufahrtsstraßen gesichert werden sollten, waren bisher noch keine „zielführenden“ Rückmeldungen erfolgt.
Nur wenige Stunden zuvorhatte sich in einem nahe gelegenen Ferienhaus eine informelle Gruppe von Menschen getroffen, deren gemeinsames Interesse den Gefahren galt, die von den neuen globalen Informations- und Kommunikationsstrukturen ausging.
Neben dem leicht schrulligen Kriminalrat vom deutschen BKA, Günther Rogge, hatten sich zu dem konspirativ anmutenden Treffen der britische Staatsbürger Jonathan Bird und dessen deutsche Frau Regine eingefunden. Offiziell war „Mr. Bird“ bei einer namhaften Elektronikfirma im Raum Burmingham beschäftigt. Vor der Wende bestand seine Haupttätigkeit darin, Verstöße gegen die Ausfuhrbestimmungen gemäß COMCOM - Liste aufzuspüren. Mr. Bird war zu seiner Zeit mehrere Jahre offiziell bei der Royal Army in Deutschland stationiert gewesen. Dass sein eigentlicher Brötchengeber das GCHQ war, ließ er mit britischem Understatement unerwähnt.
Kurz vor 17.00 Uhr hatte sich den im Ferienhaus Wartenden schon von weitem das Herannahen einer kleinen Fahrzeugkolonne angekündigt.
Da alle brav vorschriftsmäßig mit eingeschalteten Scheinwerfern unterwegs waren, gelang es den beiden Beobachtern in dem Ferienhaus nicht zu erkennen, wer sich nähert.
Die Autos waren in Richtung Lönstrup abgebogen. „Vermutlich Touristen, die ihre Ferienhäuser nicht gefunden haben,“ gab sich der Deutsche beruhigt.
Die anderen Beteiligten an dem Treffen waren ebenfalls für 17 Uhr angemeldet. Es wurde also tatsächlich Zeit, sich um deren Ankunft zu kümmern.
„Na gut, dann machen wir uns mal auf den Weg,“ schlug Rogge vor und schlüpfte in den gelben „Friesennerz“, den er stets mit auf Reisen nahm, wenn mit Regen zu rechnen war.
Der einzige Unterschied zu sonst bestand darin, dass die Seitentasche heute durch eine Pistole ausgebeult wurde.
Anschließend verließen die beiden Männer das Haus und begaben sich zum Strand.
Sie hatten hier ihre PKW geparkt. Als Rückzugsoption lagen zwei Metzlerboote mit PS starken Außenbordern bereit.
„Denken Sie bitte an Sicherheit,“ hatte ihn Mr. Bird freundlicherweise zum Abschluss des Gesprächs ermahnt, in dessen Verlauf sich beide über die Modalitäten des Treffens verständigt hatten.
Nach Meinung des Deutschen war die Erinnerung zwar so überflüssig gewesen wie ein Kropf, aber im Laufe der Zusammenarbeit hatte er sich an die Macken seines Gesprächspartners „von der Insel“ gewöhnt und die Vorgabe deshalb lediglich mit den Worten „wird gemacht“ bestätigt.
Am Strand mussten die beiden Sicherheitsexperten nur wenige Minuten warten.
Aus Richtung Nörlev-Strand näherten sich zwei Fahrzeuge. Sie waren am Ende der kleinen Sommerhaussiedlung nach links auf den breiten Strand gefahren.
„So können wir uns gar nicht verfehlen,“ hatte Günte Rogge seinem Bekannten aus England geraten und der hatte diesen Anfahrtsweg sowohl seiner polnischen Kollegin, wie auch seinem französischen Freund weitergereicht.
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