Glück hatten wir auch mit der Markusbasilika, die wir nicht nur betreten konnten, sondern die sogar erleuchtet war, was (angeblich ohne festen Zeitplan) nur an einigen Stunden der Fall sein soll. So konnte man die herrlichen, protzigen Deckenmosaiken schön sehen, wobei ich leider wegen meines Bandscheibenproblems meinen Hals nicht weit genug zurückbeugen kann. Jede Kuppel und jedes Stück Decke und Wand ist mit Mosaiken versehen, wie üblich Heiligenfiguren und biblische Szenen. Dabei ist jeder Quadratzentimeter um die Figuren herum mit Mosaiksteinchen beklebt, die mit Blattgold überzogen sind; das sind angeblich mehrere Millionen solcher Steinchen! Zum Heulen ist jedoch, dass die ebenso herrlichen kunstvollen Marmorböden aus dem 11. und 12. Jahrhundert langsam vom Wasser vernichtet werden, in dem die Stadt bekanntlich unaufhaltsam versinkt.
Vom Markusplatz aus ging es über einige markante Punkte und Brücken, von denen aus man besonders viel Gondelverkehr beobachten konnte, bis in die Nähe der Rialto-Brücke, wo die Führung offiziell endete. Danach und am nächsten Tag hatten wir einige Stunden zur freien Verfügung.
Am Dienstag und Mittwoch hatten wir wie gesagt jeweils ein paar Stunden Zeit, um uns selbst in Venedig umzusehen. Ich habe mich während dessen auf die Spuren von Commissario Brunetti begeben und einige Örtlichkeiten aus den Romanen sowie den deutschen TV-Verfilmungen (die mir oft besser gefallen haben als die Bücher) zu finden versucht. Auf die Hilfe der Ortsansässigen kann man dabei aus einem ebenso einfachen wie überraschenden Grund nicht bauen: sie kennen Commissario Brunetti schlichtweg nicht, weil Donna Leons Romane bislang nicht ins Italienische übersetzt worden sind, obwohl sie in und um Venedig spielen und die Autorin seit Jahren dort lebt!
Wie dem auch sei, gleich auf dem Markusplatz fühlte ich mich zum ersten Mal an die Brunetti-Krimis erinnert. Dort war nämlich beginnendes Hochwasser zu erkennen, das die Italiener "acqua alta" nennen - und so heißt ja der fünfte Brunetti-Roman.
Im Rahmen der Stadtführung wurde uns natürlich auch das Theater La Fenice gezeigt, das nicht nur nach der Mailänder Scala das bedeutendste Opernhaus Italiens ist, sondern auch der Schauplatz des allerersten Brunetti-Krimis "Venezianisches Finale", der meiner Meinung nach immer noch der beste ist.
Mein Hauptanliegen war es, die angebliche Wohnung von Commissario Brunetti und seiner Familie zu finden, was nicht so einfach war, wie man glauben sollte, denn Venedig ist bekanntlich anders als normale Städte! Hier werden in jedem Stadtteil die Häuser einfach von 1 bis n durchnummeriert; im Stadtteil San Marco hat beispielsweise der Dogenpalast die Hausnummer 1, dann geht es aufwärts bis über 6800. Die zusätzliche Angabe des Straßennamens ist nur bedingt hilfreich und durch die zahlreichen kleinen Gassen und Sackgassen wird die Suche sehr erschwert, selbst die Postboten kommen ohne ein zusätzliches Verzeichnis kaum zurecht. Die Hausnummer 881 im Stadtteil San Polo war mir bekannt, ein Reiseführer (siehe unten) lieferte mir zusätzlich den Straßennamen Calle de l'Anzolo. San Polo beginnt direkt hinter der Rialto-Brücke, die Brunetti ja täglich auf dem Weg zur Arbeit und zurück überquert. Da nach den 700er-Nummer gleich die 900er kamen und links von mir fast schon der Canal Grande lag, begab ich mich in die engen Gassen zu meiner Rechten, wo ich schließlich 800er-Hausnummern fand. Als ich mehr oder weniger zufällig plötzlich vor 884 stand, glaubte ich mich fast am Ziel, doch musste ich um mehrere Ecken herum suchen, bis ich endlich vor einer schlichten braunen Haustür stand.
Hier wohnt die Familie angeblich im vierten Stock, und ich frage mich, ob die richtigen Bewohner das wissen oder gar von deutschen Touristen genervt werden. Auf einem der Klingelschilder steht übrigens der Name Vianello - Brunetti-Fans werden wissen, was daran lustig ist. Jedenfalls kann man von der Dachterrasse aus keinesfalls direkt auf den Canal Grande schauen. Für die Dreharbeiten musste also ein anderes Haus verwendet worden sein, über das mir jedoch keine näheren Angaben vorliegen.
Den Ort, wo laut den Romanen die Questura liegen soll, habe ich leichter gefunden; aber dort liegt natürlich keine Polizeibehörde. Nicht finden konnte ich leider das rote Gebäude, das in den TV-Verfilmungen für Brunettis Dienststelle herhalten musste.
Am Kai entdeckte ich auch die illegalen (in doppeltem Sinne) Schwarzhändler, die dort in großem Stil hauptsächlich gefälschte Markentaschen anbieten. Mit der Ermordung eines solchen Händlers beginnt ja der vierzehnte Brunetti-Krimi "Blutige Steine". Ich war erstaunt, wie viele dieser Händler sich dort ausgebreitet haben und wie viele Geschäfte sie tatsächlich abwickeln, obwohl jeder weiß oder sich denken kann, dass die billigen Waren Fälschungen sind, deren Erwerb einen teuer zu stehen kommt, wenn man auf frischer Tat erwischt wird oder später keine Quittungen vorweisen kann! Lustig war es jedenfalls zu sehen, wie schnell sie alle mitsamt den Waren in den vielen Gassen verschwanden, sobald am Horizont Carabinieri auftauchten...
Weitere Örtlichkeiten aus den Brunetti-Romanen konnte ich in der Kürze der Zeit nicht aufsuchen, da sie in weiter entfernten und/oder nur per Schiff erreichbaren Stadtteilen oder auf dem umliegenden Festland liegen. Und Murano, wo der fünfzehnte Krimi "Wie durch dunkles Glas" spielt, werde ich ja ohnehin noch besuchen. Ein seltsamer Zufall wollte es, dass die TV-Premiere der deutschen Verfilmung in der ARD gesendet wurde, als wir uns mit dem Bus auf der Heimreise befanden.
Für alle Commissario Brunetti Fans empfehle ich diese Reiseführer, die ich auch schon im Buchtipp vorgestellt hatte:
- Katharina Holtmann: "Auf den Spuren von Donna Leons Romanen - Krimi-Schauplätze in Venedig", books&friends, 2006, ISBN 3-9810996-1-3
- Toni Sepeda: "Mit Brunetti durch Venedig", Diogenes, ISBN 978-3-257-06670-8
Am Mittwoch ergab sich insofern eine Lageänderung, als dass der Busfahrer einen erzwungenen Ruhetag hatte und wir demzufolge nicht mit unserem Reisebus fahren konnten. Da im Prospekt jedoch versprochen wurde, dass wir wieder zum Anleger nach Punta Sabbione gebracht werden, gab es auf Kosten des Reiseveranstalters Tickets für den öffentlichen Linienbus, in den wir zum Schrecken der anderen Fahrgäste mit 46 Leuten auf einmal einstiegen. Wir haben uns dann für 22 Euro pro Person (dafür habe ich dann halt auf Ansichtskarten und Souvenirs verzichtet) ein Bötchen gemietet, das uns zunächst noch einmal für ein paar Stunden nach Venedig brachte.
Von dort aus ging es dann zur Insel Murano, auf die vor langer Zeit Venedigs berühmte Glasbläserindustrie verlagert wurde, einerseits wegen der Brandgefahr für die Stadt und andererseits, um die Glasbläser dort leichter festhalten und an der Flucht in andere Städte und Länder hindern zu können. In einer Vorführung bekamen wir gezeigt, wie eine Prosecco-Flasche und ein Ferrari-Pferdchen modelliert werden. Anschließend konnte man jede Menge Souvenirs aus Murano-Glas kaufen, ganze Kronleuchter konnte man erwerben und sich nach Hause schicken lassen. Wunderschöne Gläsersets hätte es dort zu kleinen Preisen (6 Stück mit Gold- oder Silberrand für nur 25 Euro) gegeben.
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