Ein richtiges Ärgernis war jedoch mein Hotelzimmer. Das für mich vorgesehene wurde in letzter Minute anders verplant und ich erhielt ein neues unter dem Dach, das sich als eine mit Möbeln und einem kleinen Fernseher vollgestellte Dachkammer erwies. Hinter bzw. unter der schmalen Tür war eine Stufe, die man je nach Beleuchtungsverhältnissen kaum erkennen kann. Das zu kleine und schwer erreichbare Fenster hätte nicht als Fluchtweg dienen können, sodass ich im Brandfall bei unbenutzbarem Treppenhaus schlechte Karten gehabt hätte. Mein Bad (an dem es ansonsten nichts auszusetzen gab) lag in einem anderen Raum auf dem Flur gegenüber vom Fahrstuhl und neben dem Treppenhaus. Ich bin mir zwar bewusst, dass man im Ausland keine allzu großen Ansprüche stellen sollte, und komme als gelernter Soldat auch durchaus mit wenig aus. Aber immerhin bin ich nun einmal einer derjenigen, deren Reisepreis sich durch Einzelzimmerzuschläge um manchmal bis zu einem Drittel erhöht, was mich von vielen Reisen sogar abgeschreckt hat. Und in diesem Fall habe ich mich schlichtweg gefragt, wofür ich Zuschläge bezahle, um dann mit dem schlechtesten Zimmer im ganzen Hotel abgespeist zu werden? [Anm.: Mir wurde später der Einzelzimmerzuschlag erstattet.]
Wenigstens konnte meine Unterbringung zur Belustigung meiner Mitreisenden (wie sagte eine zu einer anderen: "hier hat der junge Mann seinen Verschlag.") beitragen, und ich habe es mit Humor genommen wie z.B. "ich habe Einzelzimmer bezahlt und zwei Räume dafür bekommen", "mir gehört die halbe vierte Etage" (dort gab es nämlich nur vier Räume) etc. In Wirklichkeit habe ich mich aber ziemlich geärgert, auch wenn die Reise trotz allem ihr Geld wert war und ich sie jederzeit weiterempfehlen würde. Vorort habe ich mich ansonsten nicht beschwert, weil es einerseits kein anderes freies Zimmer mehr gab und weil ich andererseits nicht gleich am ersten Reisetag Streit verursachen und die Harmonie stören wollte. Die Dame im benachbarten Raum war von ihrer Unterbringung übrigens auch wenig begeistert, hatte aber immerhin größere Fenster und das Badezimmer vorort.
Das ließ zusammen mit dem Wetter nichts Gutes erwarten, aber keine Angst, die Reise wird noch ein richtiger Erfolg. Nun stand also der erste Ausflugstag an, es wird auf der Autostrada del Fiore nach Westen gehen. An allen drei Tagen hatten wir eine rührige zweisprachige Reiseführerin (Mutter Deutsche, Vater Italiener) namens Elena, die seit 30 Jahren als Reiseführerin tätig ist und auch unsere Gegend gut kennt, denn eine Partnerstadt ihres Wohnorts Andora (nicht zu verwechseln mit Andorra) ist unsere Nachbarstadt Höhr-Grenzhausen.
Da wir auf den Fahrplan einer Fähre angewiesen waren, wurde der Tagesablauf umgestellt und wir fuhren zuerst nach bzw. durch Genua. Die Stadt erstreckt sich fast ohne Hinterland 30 Kilometer entlang der Küste, der Flughafen Christoforo Colombo wurde künstlich in den Hafen hinein gebaut. Genua hat den Ruf einer dreckigen, roten Hafenstadt, was durchaus berechtigt ist, nachdem die Stadt durch den Niedergang der Stahlindustrie und die Abwanderung einer der großen Kreuzfahrtschifflinien ins benachbarte Savona ziemlich heruntergekommen ist. Zwar besinnt man sich inzwischen auf die vielen herrlichen Paläste und andere Relikte aus der einstmals mächtigsten italienischen Seerepublik, aber es fehlt an Geld, um all das zu renovieren. Außerhalb von Kreuzfahrten kommen angeblich kaum noch Touristen hierher. Von Genua kann ich leider keine Bilder zeigen, denn wir sind ohne Fotostopps darin herumgefahren.
Von Genua aus ging es weiter nach Santa Margherita Ligure. Über diesen Ort gibt es wenig zu sagen. Man nehme eine Strandpromenade mit Palmen, ein paar schöne bunte Häuserfronten (die meisten davon Hotels) und stelle je ein Denkmal von Kolumbus und von König Victor Emmanuel II. hinein - damit hat man fast jedes kleine Städtchen in Ligurien beschrieben. Dazu vielleicht noch Olivenhaine und vereinzelte Burgruinen im Hinterland. Santa Margherita Ligure mussten wir ansteuern, um von dort aus per Schiff in das mit dem Bus nicht erreichbare Portofino zu gelangen. Obwohl die Strecke nicht allzu weit war, geriet die kleine Fähre doch mächtig ins Schaukeln. Aber das kann doch jemanden nicht erschüttern, der es bereits von den Lofoten aufs Festland geschafft hat, ohne sein Frühstück wieder loszuwerden.
Portofino scheint nur von seinem Ruf und seinem Namen zu leben, denn ehrlich gesagt ist in dem kleinen Nest gar nicht viel los. Hinter der malerischen Kulisse rund um den kleinen Yachthafen (in dem ich wie gesagt die "O'Khalila" entdeckte) ist nicht mehr viel, es ist eine reine Touristenattraktion. Man kann dort teuer essen, Fotos machen, sich mit Souvenirs eindecken und auf die Rückfahrt der Fähre warten. Empfehlenswert ist noch der Aufstieg zu einer kleinen Kirche, denn von dort hat man eine tolle Aussicht auf das gesamte Dörfchen, sowie auf die Felsenküste und das Meer auf der anderen Seite. In Portofino wurden wir noch von einem Regenschauer erwischt, aber ab dann wurde das Wetter stetig besser.
Wir waren schon gegen 15 Uhr wieder zurück, um noch während der Öffnungszeiten der Geschäfte (es war ein Samstag) unseren Aufenthaltsort Finale Ligure besichtigen zu können, auf den weitgehend auch die oben genannte Standardbeschreibung zutrifft. Am Strand lagen die Temperaturen inzwischen bei 25-30 Grad.
Ich vergaß zu erwähnen, dass wir auf der Rückfahrt auch durch Rapallo gefahren sind, dessen Name durch zwei berühmte Friedensverträge bekannt ist, die jedoch in Wirklichkeit beide in Nachbarorten mit weniger leicht aussprechbaren und merkbaren Namen geschlossen worden sind. Die beiden Gebäude wurden uns gezeigt.
Am dritten Tag ging es bei bestem Wetter erstmals über die Blumenautobahn in Richtung Westen, über Imperia und Ventimiglia nach Frankreich. Der Grenzübertritt geschah beinahe unbemerkt: man fährt italienisch in einen Tunnel hinein und kommt französisch wieder heraus und umgekehrt. Die erste französische Stadt hinter der Grenze, Menton, gehörte wie Roquebrun lange zu Monaco, auf das wir von oben schon einmal einen Blick werfen durften, auch wenn es erst morgen unser Ziel sein wird. Heute geht es weiter nach Westen an die Côte d'Azur.
Auf den Besuch einer Parfumfabrik bei Eze Village (oder so ähnlich) habe ich wie die meisten männlichen Mitreisenden verzichtet, während die Frauen dort reichlich eingekauft haben, was auch immer. Das erste Ziel des heutigen Tages war Nizza, wie fast alle besuchten und passierten Orte von den Römern gegründet oder übernommen. Zu meinem Erstaunen wusste die Reiseführerin auch alle früheren lateinischen Namen. In puncto Sehenswürdigkeiten hat Nizza leider wenig für eine Busrundfahrt zu bieten, so wir durften uns dort selbst umsehen. Der weltberühmte Blumenmarkt besteht heute nur noch zu einem Teil aus Blumen und ist ansonsten ein normaler großer Wochenmarkt. Lohnenswert war bei strahlendem Spätsommerwetter allerdings die insgesamt 7 Kilometer lange Promenade des Anglais.
Dort stehen etliche Appartements zum Verkauf, und es würde mich glatt mal interessieren, wieviel man dafür auf den Tisch blättern müsste. Wahrscheinlich bekäme ich hier in Koblenz-Metternich einen halben Straßenzug dafür. In Andora, dem Heimatort unserer Reiseführerin, und anderen Orten auf der italienischen Seite scheint die Lage deutlich günstiger zu sein, denn es gibt dort inzwischen mehr Ferienwohnungen von Deutschen als einheimische Bewohner. Wir haben viele Häuserblocks gesehen, bei denen sämtliche Fensterläden heruntergelassen und alles tot war, weil die Wohnungen samt und sonders in ausländischem (d.h. überwiegend deutschem) Besitz sind! Ich frage mich, wie man das finanziert und wie oft man dorthin reisen (oder sie an andere weitervermieten) müsste, damit sich die Investition überhaupt rechnet…
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