Auftritt der Geliebte.
Der Geliebte:Sprecht ihr von mir?
Priester:Wie ist das –
Ikarus:Ein Geist! Er kommt mich holen. Oh Herr, behüte mich vor diesem Wesen!
Geliebter:Ich bin kein Geist und auch nicht tot. Gott hat mich erweckt.
Priester:Verzeiht, wenn ich forsch klinge, aber seid ihr sicher, dass es nicht vielmehr ein dunkles Ritual gewesen sein könnte? Vielleicht ein Dämon, der euch auf dem Weg zum Himmel abfing?
Der Geliebte:Wie ihr sicher wisst, habe ich mit Teufeln nichts zu schaffen. Vertraut mir, es war der Herr, der mich zurückholte.
Ikarus umarmt den Geliebten.
Ikarus:Mein Bruder, du lebst! Welch Unrecht ich dir angetan, der Gerechte hat es aufgehoben.
Der Geliebte:Ich wundere mich, dass du mich Bruder nennst. Hast du mich doch erst jüngst getötet.
Ikarus:Ich bitte dich, vergib mir diesen blinden Zorn. Ich war geblendet von dem Schein Siddharthas. Mir schien es, als wenn du ihm ein schreckliches Unrecht angetan hättest und ich sei verantwortlich, es zu sühnen. Kannst du mir vergeben, Geliebter?
Der Geliebte:Ich kann und ich werde. So wie ich auch Siddhartha vergeben will.
Ikarus:Was ist mit dem Dämon Lucca?
Priester:Ein Dämon ist von sich aus böse, das liegt in seiner Natur. Daher kann es ihn nicht reuen und daher kann er auch keine Vergebung erfahren.
Der Geliebte:Der Priester hat recht. Du wirst doch dennoch zu mir halten, auch wenn es gegen diesen Dämon geht, oder?
Ikarus:Er ist ein wichtiger Freund Siddharthas und für diesen unerlässlich. Ich kann nicht mit dir gegen ihn kämpfen.
Der Geliebte:Aber er verpestet den Geist des Prinzen. Er bewegt ihn dazu, Dinge zu sagen und zu tun, die der eigentlichen Güte seiner Natur widersprechen. Wir müssen ihn zum Wohl des Volkes ausschalten.
Ikarus:Ich weiß nicht. Er ist ein Freund von Siddhartha, wir können ihn doch nicht einfach vertreiben. Was ist, wenn Siddhartha ihn braucht? Was, wenn er an diesem Verlust zugrunde geht? Ich bitte dich, lass uns zuerst mit dem Prinzen reden, bevor wir etwas überstürzen.
Der Geliebte:Das geht nicht, denn er ist auf dem Weg zum Nuern, um von Gott einen Weg zu erbitten. Wir dürfen nicht riskieren, dass er gereinigt zurückkommt und Gottes Plan durch diesen Teufel Lucca zerstreut wird.
Ikarus:Ich weiß, dass ich dir etwas schuldig bin, doch werde ich nicht gegen Lucca kämpfen. Er war und ist von Zeit zu Zeit auch mein Freund.
Der Geliebte:Vielleicht stehst du auch noch unter seinem Bann. Dann fürchte ich, es ist zu spät. Doch würdest du mir helfen, wäre deine Schuld auf einen Schlag getilgt. Ein falscher Tod durch einen richtigen ersetzt.
Priester:Ich stimme dem Geliebten zu. Ich glaube, dass der Dämon Lucca Siddhartha und dadurch auch euch zu einigem getrieben hat, was ihr jetzt bereut. Tut es für Gott und sagt euch los.
Ikarus:Es tut mir leid mein Freund, doch ich kann nicht. Aber ich werde dich auch nicht aufhalten, wenn du auf ihn losgehst. Doch meine Hände haben schon so viel Schuld gebracht, dass ich es nicht ertragen kann, noch einen Freund zu töten. Ich rate, wir warten, bis der Prinz vom Berg zurück ist, um dann gemeinsam zu entscheiden.
Der Geliebte:Nun gut, dann warten wir, auf dass uns der Meister erleuchte.
Abgang Priester, der Geliebte und Ikarus.
Prinz Siddhartha auf dem Gipfel des Berges Nuern.
Siddhartha:Ich bitte hier schon vierzig Tage und immer noch kein Zeichen deiner Eminenzen. Vierzig Tage habe ich nichts mehr gegessen und ebenso lang fand ich keinen ruhigen Schlaf. Herr, ich bitte dich, erscheine mir, denn ich bin am Ende meiner Kräfte. Bald werde ich auf diesen öden Steinen hier verenden, wenn du mir nicht das Geschenk des Wissens machst. Ich winde mich hier im Dreck und bitte dich mich zu erhören. Was soll ich tun? Wohin soll ich gehen? Wer soll mich dabei begleiten? Oder soll ich vielleicht hier zugrunde gehen? Ist das der Weg, für den ich bestimmt bin? Ich habe Übles getan am Volk des Moses, doch nichts Unverzeihliches. Ich kann mich ändern, kann mein Haupt zum Guten neigen. Gott, ich bitte dich, gib mir die Chance, mich aufs Neue zu beweisen.
Ein helles Licht blendet Siddhartha vollständig. Auftritt Erzengel Medicus in weißem Gewand.
Erzengel Medicus:Prinz Siddhartha aus dem Morgenland, Sohn des Königs im Morgenland, Gesalbter des Volks des Moses, des auserwählten Volks, Freund des Ikarus, des Geliebten und des Dämons Lucca, Gesandter von Natan dem Propheten: Der Herr hat dich erhört.
Siddhartha wirft sich zu Boden und presst seine Stirn mit aller Kraft dagegen.
Siddhartha:Heilig! Heilig! Heilig! ist der Herr, mein Vater, mein Gott. Ich danke euch, ehrwürdigster Bote, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid. Heilig seid ihr und heilig ist der Herr.
Erzengel Medicus:Und heilig ist die Botschaft, die ich euch verkünde.
Siddhartha:Bin ich denn würdig sie zu empfangen? Habe ich mich nicht zu schwer an seiner Heiligkeit versündigt?
Erzengel Medicus:Der Herr schaut mit Wohlwollen auf seinen Knecht. Ihr habt euch zwar schuldig gemacht, den Geliebten töten zu lassen, doch ihr sollt die Möglichkeit bekommen, euren Frevel auszutilgen.
Siddhartha:Ewig scheint die Güte des Herrn selbst auf einen Wicht wie mich. Sagt nur, wie kann ich Buße tun?
Erzengel Medicus:Vergebt denen, die euch scheinbar verraten haben. Vertreibt jene, die euch ermuntern euren Weg, so wie er war, weiterzugehen. Der Salbung macht euch neu bewusst und jener Pflicht, die euch damit trifft. Die Krone aber sollt ihr nicht anstreben. Hingegen sollt ihr dem Würdigen mit euren Gaben ein Segen sein. Im Morgenland sollt ihr sodann für euer Volk, das auserwählte Volk, das Volk des Moses und seinen neuen König werben. Damit überschattet ihr den Spott, den ihr zuvor darüber gesprochen habt.
Siddhartha:Ich werde also nicht König? Wird es statt mir der Geliebte sein?
Erzengel Medicus:Ihr werdet in treuem Bund zum Volke stehen, doch König könnt ihr nicht sein. Ihr werdet auch den Garten nicht passieren können, falls ihr dies versuchen würdet. Der wahre König wird sich offenbaren. Vertraut dem Herrn, er wird euch den rechten Weg leiten.
Siddhartha:Ich will dem Herrn vertrauen. Doch der Dämon Lucca ist kein böses Wesen. Er hat mir oft geholfen, wenn ich in Not geraten war. Ist es denn wirklich nötig, dass ich ihn vertreibe? Kann er nicht weiter ein Freund unter Freunden bleiben?
Erzengel Medicus:Er ist ein Dämon, gesandt vom dunkelsten Fürst. Unterschätzt nicht seine Macht und seinen Hass, auch wenn er es zuweilen gut zu verstecken weiß. Wenn ihr mit ihm zusammenbleibt, dann wird er euch erneut ins Dunkle treiben.
Siddhartha:Wie kann einer, der stets so gut zu mir war, böse sein?
Erzengel Medicus:Ich verstehe und vergebe euch euren Zweifel am Wort des Herrn. Doch ist es ungemein wichtig, dass ihr euch nicht vom teuflischen verführen lasst. Seht selbst, was er getan hat.
Dämon Lucca und die beiden Besessenen, die Siddhartha gefolgt waren, sind in einem Lichtbild zusehen. Lucca verbrennt die vor ihm Knieenden, die vor Qualen schreien, bevor sie sterben.
Siddhartha:Also haben die Besessenen die Wahrheit gesprochen. Er hat sie für ihr Scheitern getötet und sie waren nicht fähig, ihm zu entfliehen. Wie Marionetten sind sie seinem Befehl gefolgt.
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