Horst Schwarz
Laura im Netz
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Inhaltsverzeichnis
Titel Horst Schwarz Laura im Netz Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
ANHANG
Impressum neobooks
Laura im Netz
Jugendroman
von
Horst Schwarz
Vita:
Horst SchwarzKinder-, Jugend- und Fachbuchautor, Fortbildungsreferent, Stimme zahlreicher Hörbücher, studierte Sozialpädagogik und Theologie, war viele Jahre Dozent an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Nürnberg, war Online-Berater und Jugendschöffe am Amtsgericht.
Allen Jugendlichen, die mir durch ihre persönlichen Beiträge wie Interneterlebnisse und Chatprotokolle Stoff zu dieser Erzählung geliefert haben, möchte ich danken, ebenso den Beamten der Polizeiberatung Zeughaus der Kriminalberatungsstelle der Nürnberger Kriminalpolizei.
Horst Schwarz
Die Handlung und die darin vorkommenden Personen sowie ENAF, TeeniesMeeting, SatelitPlayWorld, life.looking.comund die Whatsapp-Gruppen Crazy Bitches, Coole Warmduscher, Arm aber Sexysind frei erfunden.
Jegliche Übereinstimmung ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Nürnberg 2017
Lektorat: Eva Reiß, Leuchtturm-Lektorat
Umschlaggestaltung: Ariane Schwarz
1
»Ciao, Laura, wir treffen uns dann heut’ Nachmittag in unserer Whatsapp-Gruppe Crazy Bitches . Bin ab drei Uhr on!« Caro nahm ihre Tasche, drehte sich noch einmal winkend um und sprang aus dem Schulbus, der sich schnaubend wieder in Bewegung setzte.
Jetzt war auch die letzte Mitschülerin ausgestiegen und Laura als Einzige in dem leeren alten Bus zurückgeblieben, der nach und nach allem Schüler an den jeweiligen Haltepunkten der Dörfer ausgespuckt hatte. Nun musste sie noch gut zehn Minuten durch die mittelfränkische Einöde tuckern. Laura ging nach vorne und setzte sich hinter den Busfahrer.
Der Busfahrer war ein freundlicher Mann mittleren Alters mit einem gutmütigen, runden Gesicht. Laura mochte ihn. Er hatte so etwas Väterliches, Vertrauenswürdiges an sich.
»Na, Mädel«, brummte er, während er mit seinen großen Händen das Lenkrad festhielt und nach vorne auf die immer schmaler werdende Landstraße blickte, »wie war die Schule heute?«
»Naja, passt schon«, nickte Laura, »wenn nur das doofe Mathe nicht wäre.«
»Hm«, brummte der Busfahrer, »das war auch nie meine Stärke. Drum bin ich Fahrer geworden, da muss ich nicht unbedingt rechnen.« Er lachte kurz auf und warf Laura von der Seite einen Blick zu. »Was macht ihr denn da so?«
»Bruchgleichungen und Formeln auflösen.«
»Und was heißt das?« Der Fahrer legte sein von der Sonne gegerbtes Gesicht in mitleidsvolle Falten.
»Naja«, seufzte Laura, »Bruchgleichungen sind Gleichungen, in denen ein x unten im Nenner vorkommt oder so, und das muss dann mit dem Hauptnenner multipliziert werden. Ach, ich weiß auch nicht. Egal. Wer braucht denn so was später?«
»Oh weh«, schnaufte der Fahrer, »das klingt ja alles sehr kompliziert. Gut, dass ich mir über so was keinen Kopf mehr zerbrechen muss.« Nachdenklich schaute er auf die Straße, die nun an einigen Feldern, Wiesen und ein paar alten Ställen vorbeiführte. »Hast du denn schon einen Freund?«, fragte er plötzlich und zwinkerte Laura zu.
»Einen Freund?« Laura lachte etwas gequält auf. »Hier in dieser Pampa? Hierher kommt ja noch nicht mal eine Freundin raus.« Lauras blaue Augen schauten nachdenklich und ein wenig traurig zu den Kühen hinüber, die auf der Wiese neben der Straße standen und mit leerem Blick vor sich hin kauten. Sie wohnte echt am Ende, um nicht zu sagen, am Arsch der Welt.
»Na, das kommt schon noch. Bist ja noch jung«, grinste der Busfahrer aufmunternd.
Der hat gut reden, dachte Laura und nickte nur. Wenigstens drei Jahre musste sie hier noch wohnen bleiben, dann war sie endlich achtzehn und würde so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Während der Schulbus die letzte Kurve vor dem Dörfchen Wiesenbach nahm, gingen Laura schon die nächsten Gedanken durch den Kopf. Bestimmt herrschte zu Hause wieder Chaos und dicke Luft, wie so oft in der letzten Zeit.
Laura und ihre Mutter lebten seit einigen Jahren in diesem mittelfränkischen Fünfzig-Seelen-Dorf. Ihre Mutter ging nach der Trennung von Lauras Vater, mit dem sie nie verheiratet war, mehrere Männerbekanntschaften ein, die aber auch nicht lange anhielten. Sie war offensichtlich mit sich und ihrem Leben unzufrieden und mit der Erziehung einer Fünfzehnjährigen total überfordert. Immer wieder warf sie Laura vor, dass sie an ihrem persönlichen Unglück schuld sei. »Du hast mein ganzes Leben kaputt gemacht. Ich hätte dich gleich nach der Geburt weggeben sollen«, schimpfte sie immer öfter, ohne darüber nachzudenken, wie weh sie Laura mit solchen Äußerungen tat. Seit drei Jahren lebte sie mit Bernd zusammen, einem Landwirt, der neben ein paar Tieren auch noch einige kleinere Felder bewirtschaftete. Doch die Beziehung der beiden war schon lange nicht mehr herzlich. Mehrmals in letzter Zeit wollte Bernd seine Lebensgefährtin mit Tochter vor die Tür setzen. Aber Lauras Mutter wusste das jedes Mal mit allen möglichen Tricks zu verhindern.
Laura hasste ihre Mutter, weil sie sich ständig bei diesem Bauerntypen einschleimte, vor allem wie sie dies tat: »Na, mein Süßer, was darf ich dir zum Essen machen? Ich warte dann schon mal im Schlafzimmer …« Ekelhaft!
Aber andererseits, wo sollten sie hin? Ihre Mutter ging keiner Arbeit nach, hatte nichts gelernt, und zu Lauras Großeltern pflegten sie so gut wie keinen Kontakt. Oh, wie Laura das alles wütend machte! Egal wo sie war, sie hatte ständig diesen widerlichen Stallgeruch in der Nase, der bis in ihr Zimmer hochkroch und sich überall festsetzte. Manchmal rümpfte ihre Banknachbarin Alex die Nase, wenn der Pulli allzu sehr nach Bauernhof roch.
»Es ist wirklich alles zum Kotzen«, murrte Laura, während der Bus mit einem leichten Ruck anhielt.
»Bis morgen!«, rief sie dem Fahrer zu, warf ihren Rucksack auf die rechte Schulter und sprang aus der offenen Tür.
Der Fahrer brummte noch ein »Mach´s gut« hinterher, aber Laura hörte es schon nicht mehr.
Auf den wenigen Metern von der Haltestelle bis zum Haus malte sie sich schon aus, wie ihre Mutter mit Kopf-, Rücken- oder anderen Schmerzen in der Küche hockte und mal wieder kein warmes Mittagessen zustande gebracht hatte.
2
»Da bist du ja endlich!«, wurde Laura mit mürrischem Ton empfangen, kaum dass sie die alte Holztür mit einem kräftigen Ruck aufgedrückt hatte. »Bernd ist heute nach Schwabach gefahren, irgendwas besorgen. Der hätte mich ja auch mal mitnehmen können, der Vollpfosten. Ich wäre froh, mal aus diesem Nest herauszukommen. Du bist ja jeden Tag in Ansbach, und ich hock’ hier rum und verblöde. Im Fernseher gehen auch nur drei Programme. Das ist doch kein Leben.«
Laura kannte diesen Zustand. Erst schimpfte sie auf Bernd, dann auf ihre Tochter, die es ja so guthatte und jeden Tag in die Stadt fahren durfte. Wenn die Schimpfkanonade, die meist eine halbe Stunde dauerte, vorbei war, fing sie an zu heulen, schluchzte, dass sie sich bald im Stall aufhängen werde, weil keiner sie liebte, noch nicht einmal ihr eigenes Kind, für das sie doch alles tue.
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