„Wir hatten gestern ja nicht so einen guten Start, und da wollte ich mich entschuldigen.“
„Mit einer Orange?“ Ungläubig schaue ich ihn an.
„Nun ja, ich habe mich echt blöd benommen. Ich wollte alles perfekt machen. Hat wohl nicht geklappt.“ Lars kratzt sich verlegen im Nacken. „Ich wollte es wiedergutmachen …“
„Mit Obst?!“
„Ja … nein … Ich meine … Okay … entschuldige. Mit der Orange konnte ich nicht widerstehen, als ich sie heute Morgen am Obststand gesehen habe.“ Ein schiefes Lächeln liegt auf seinen Lippen, als er Prinz Charming heraushängen lässt. Fehlt nur noch, dass er mir zuzwinkert. Automatisch verengen sich meine Augen zu Schlitzen. Seine Reue scheint ja von sehr kurzer Dauer zu sein.
„Also, in der Sauna …“, er räuspert sich, schaut verlegen nach unten, „… du musst zugeben, die Begegnung in der Sauna war …“
„Unpassend? Unangemessen? Fehl am Platz?“
„Nun ja, ungewöhnlich, wollte ich sagen.“
„Du bist der arroganteste, aufgeblasenste Macho, den ich kenne! Schenkst mir einfach eine Apfelsine und weist damit direkt auf dein sexistisches, taktloses, peinliches Verhalten hin.“
„So habe ich das gar nicht gemeint! Es ist mir ausgesprochen unangenehm, was gestern in der Sauna passiert ist. Ich wusste nicht, wie ich das ansprechen sollte. Die Orange ist nur eine Brücke, ein Stichwort, damit ich nicht alles sagen muss. Ich wollte unsere Beziehung glätten.“
„Beziehung, so, so. Ich wusste gar nicht, dass wir ein Paar sind! Was so ein bisschen nackte Haut alles ausmachen kann.“
Inzwischen stützen wir uns beide mit den Fäusten auf der Tischplatte ab und kläffen uns an wie Köter in einer Arena, die gleich aufeinander losgehen.
„Weißt du was? Eigentlich wollte ich die Wogen glätten, indem ich das Büro aufhübsche, weil mir ein gutes Arbeitsverhältnis sehr wichtig ist. Das geht aber nicht, solange der Vorfall in der Sauna zwischen uns steht. Aber du musst mir ja jedes Wort im Mund umdrehen. Du bist eine kratzbürstige Zicke!“
„Das sagt ausgerechnet Mister Unwiderstehlich. Du aufgeblasener Popanz!“
„Xanthippe!“
„Du kannst es nur nicht ertragen, mit jemandem wie mir zusammenzuarbeiten!“
„Nein, das stimmt nicht!“
„Du würdest sicherlich lieber mit Lisa oder den anderen Kolleginnen zusammensitzen als mit mir!“
„Wie kommst du jetzt darauf?“
„Wir sind eben sehr unterschiedlich. Du siehst aus, als wärst du aus einem Modekatalog gestiegen, und ich, als wäre ich in einen Stromkreis geraten.“
„Ich finde deine Frisur heute sehr hübsch. Solltest du öfters so tragen.“
Er versucht tatsächlich, mich mit schönen Worten einzulullen. Ich fass es nicht! Wenn ich nicht schon verärgert wäre, würde ich es jetzt garantiert sein. Sein Spruch wirft mich kurz aus der Bahn. Die Worte sind Balsam auf meiner Seele. Schmiegen sich an mein Ego wie Öl an einen Motor. Gleichzeitig kann ich nicht glauben, dass er es ernst meint. Ich möchte es ja gern. Es wäre nur zu schön. Verunsichert fahre ich fort.
„Ja, witzig“, sage ich spitz. „Ich lache später darüber, wenn ich mal Zeit habe. Außerdem lenkst du ab! Wenn du meinst, dass …“
„Stopp!“, ruft er mir entgegen. Verdutzt halte ich inne. „Okay, wie gesagt, gestern hatte ich einen schlechten Tag und wollte mich einfach nur mit einer netten Geste bei dir entschuldigen. Nicht mehr und nicht weniger. Wir arbeiten jetzt zusammen, damit musst du leben, auch wenn du mich offensichtlich nicht leiden kannst. Mein Vorschlag ist, wir fangen ganz von vorn an.“
Ungläubig sehe ich ihn an. Meine Zunge ist wie gelähmt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Er streckt mir seine Hand entgegen. „Hallo, ich bin Lars und arbeite seit gestern hier.“
„Hallo.“ Ich gebe zu, damit habe ich nicht gerechnet. Mein schlechtes Gewissen meldet sich sofort, denn normalerweise bin ich nicht so. Nur er reizt mich bis aufs Blut, sobald er den Mund aufmacht. Das kenne ich sonst nicht. Umständlich räuspere ich mich. „Ich bin Hannah und total ungerecht. Tut mir leid.“ Versöhnend reiche ich ihm meine Hand. Bei der Berührung bekommen wir einen ordentlichen elektrischen Schlag. Es knallt, und wir reißen unsere Hände wieder auseinander.
„Huch, es hat zwischen uns gefunkt“, zwinkert er mir zu.
„Das hat gar nichts zu bedeuten. Der Teppich ist schuld. Das passiert mir ständig. Gewöhn’ dich besser daran.“
„Wie wäre es mit Essen?“
„Jetzt?“ Mein Magen sieht den Anlass als Bestätigung und fängt an, zu grummeln. Schnell lege ich meine Hand auf den Verräter, um das verdächtige Geräusch zu dämmen
„Nein, ich wollte dich zum Essen einladen.“
Meine inneren Alarmglocken schrillen schon wieder. Achtung, Hannah, Einlulltechnik! Wenn er glaubt, ich würde das nicht merken, ist er schiefgewickelt. Misstrauisch schaue ich ihn an. „Kantine oder Pommesbude?“
„Weder noch. Ich wollte dich zum Abendessen einladen. Ein Versöhnungsessen, sozusagen.“
Ich traue dem Braten noch nicht. Argwöhnisch blicke ich ihn an. Rechne jeden Moment damit, dass er mit einer schrägen Antwort um die Ecke kommt. Mich auslacht, dass ich darauf hereingefallen bin. Spielt er vielleicht auf meine Figur an?
„Was ist? Isst du nicht gern?“, fragt er erstaunt.
Also doch!
„Ich jedenfalls esse für mein Leben gern, und ich koche auch sehr gut.“
Aha, daher weht der Wind! Essen bei ihm zu Hause. Ich habe ihn und seine kuriosen Machenschaften durchschaut. Das zieht bei mir nicht. Da kann er Gift drauf nehmen.
„Was ist? Traust du dich nicht?“ Da ist es wieder. Ich habe es doch gewusst. Mein Handy summt. Eindeutig eine Nachricht von meiner Mutter.
„Klar traue ich mich! Wann?“
„Samstag?“
„Abgemacht!“
„Cool!“
Die Tür wird aufgerissen, und Lisa prescht herein.
„Hallo, Hannah. Hast du das von Nils schon gehört?“
Nils! Es fällt mir wie Schuppen von den Augen.
„Oh, apropos Nils. Lars, du solltest zu ihm kommen. Hab’ ich total vergessen. Du wärst gut beraten, wenn du das schnellstmöglich nachholst. Er ist heute echt mies drauf.“
„Na gut! Wenn du das sagst, werde ich es tun. Entschuldigt mich, Ladys.“ Lars verlässt das Büro.
Lisa seufzt und sieht ihm verträumt hinterher, dann schaut sie mich verblüfft an. „Hab’ ich irgendetwas nicht mitbekommen?“
„Nee, alles in Ordnung. Wir raufen uns gerade zusammen. Andererseits … ach, ich weiß nicht. Er hat mich zum Essen eingeladen.“
„Oh, ein Date!“ Freudig klatscht Lisa in die Hände.
„Nein, kein Date!“, streite ich ab, und doch hat es den faden Beigeschmack einer Verabredung. Mein Magen flattert. Ich muss unbedingt etwas essen, bevor ich ohnmächtig werde.
„Es ist ein Versöhnungsessen unter Kollegen. Ein Neubeginn. Eine Teambuilding-Maßnahme, sozusagen“, versuche ich es Lisa, aber vor allem mir schönzureden, doch plötzlich wird mir das eigentliche Ausmaß dieser Situation bewusst. Ich Schaf bin doch tatsächlich in die Dating-Falle getappt!
„Was ist?“, fragt Lisa besorgt. „Du bist ja ganz blass im Gesicht! Magst du etwa keine Dates?“
„Natürlich, aber doch nicht mit ihm – und schon gar nicht jetzt! Ich muss mich auf meinen Job konzentrieren. Und überhaupt … Lisa, ich hab’ ein Problem. Gehst du mit mir shoppen?“
„Ja klar!“, ruft sie freudig aus. „Morgen nach Feierabend?“
„Gern. Danke, Lisa“, erwidere ich erleichtert. „Und was ist jetzt mit Nils?“
Hannah
„Klasse von der Peschke, Nils den Urlaub nicht zu genehmigen“, nehme ich noch mal das Gesprächsthema Nummer eins vom internen Firmenklatsch auf. Zusammen schlendern wir vom Parkplatz zur Innenstadt. Ich freue mich riesig, dass Lisa mich begleitet.
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