Neugierig schlich er um die Stadtmauer und lugte in sämtliche Gärten...
Vom Gesang des Nachtwächters war die die Prinzessin aufgewacht, rieb sich die Augen und fragte sich, wer da wohl gesungen habe. Schlaftrunken wunderte sie sich, wo sie eigentlich sei und rief nach Zimperliese. Doch die kam nicht. Da entdeckte sie deren Kleid am Fenster und erinnerte sich: „Ach, ich bin ja im Haus der lieben Großmutter!“
Sie atmete tief durch, ging ans Fenster und staunte:
„Wunderschön — Glückshausen bei Nacht. Alles schläft, ein Stern erwacht. Wolken zieh’n am Mond vorbei... Herrlich, die laue Nachtluft…“
Da sie ausgeschlafen hatte, beschloss sie, einen Spaziergang im Garten zu machen. Erst hatte sie Bedenken, weil sie ja keine Pantöffelchen hatte und im Nachthemd doch nicht rausgehen könne — doch tags zuvor war sie ja auch schon barfuß gelaufen und bei Nacht würde sie ja eh niemand sehen. Schnell trank sie einen Schluck Wasser, dann schlich sie die Treppe hinunter und schloss leise die Haustüre auf.
Draußen wandelte die Prinzessin auf der frisch gemähten Wiese umher, das Gras duftete und der Mond schien zwischen tausend Sternen auf sie herab. Da musste sie wieder an ihren Traumprinzen denken und sang:
„Wenn der Mondschein nicht so romantisch wär’…“
Das hörte der Räuber Rappl und fragte sich: „Wer singt denn da wia a Zeiserl?“ Leise lugte er über die Stadtmauer, sah ein Mädchen mit goldenen Locken in einem weißen, wallenden Gewand und freute sich: „Donnerlittchen, da geht ja das goldigste Bräutchen spazieren — nur der Schleier fehlt…“
Vorsichtig kletterte er über die Mauer, schlich sich an und überlegte, ob er sich erst vorstellen und sie dann in den Sack stecken, oder erstmal rauben und ihr später in der Höhle den Hof machen solle?
Wie er noch über die beste Vorgehensweise nachdachte, entdeckte ihn die Prinzessin zwischen den Obstbäumen und erschrak. Geistesgegenwärtig zog der Räuber den Hut und verbeugte sich: „Gestatten, Rupert Rappl.“
Die Prinzessin erschrak: „Was suchst Du denn hier?“
„Ein Bräutchen — just so eins, wie Dich“, sagte er entzückt, riss sie in seine Arme und küsst sie.
„Lass’ mich los!!!“ schrie sie und zappelte wie wild.
„Warum?“, fragte er verdutzt, „Du riechst so gut nach Knoblauch — wie ‘ne echte Räuberbraut.“
„Du bist der Räuber?“ kreischte sie entsetzt, da packte er sie und steckte sie in seinen Sack.
Während Rappl den Sack zuband, schrie sie „H i l f e ! ! ! — P f i f f i k u s ! ! !“
Rupert eilte davon. Doch als er sich duckte, um von Griseldas Garten durch das kleine Tor in der Stadtmauer zu schlüpfen, verlor er seinen Hut…
Pfiffikus schreckte von der Ofenbank hoch und staunte: „Potz Holzofen und Schlafmütze, hab’ ich nur geträumt, oder hat die Prinzessin um Hilfe gerufen?“
Schnuffi winselte aufgeregt an der Stubentür. Pfiffikus ließ ihn raus, schaute nach dem Rechten und erschrak: „Heiliges Kanonenrohr! — Die Haustür’ steht sperrangelweit offen! Schnuffi, findest Du Pimpernelle?“
Der kleine Hund rannte raus und kam mit dem Räuberhut zurück. Pfiffikus wunderte sich: „Was bringst Du denn da? — Potz Sternschnuppe und Eulenruf, das ist ja der speckige Hut vom Räuber Rappl! — Ach du grüne Neune, der wird doch nicht…“ Sofort stürmte er die Treppe hoch und rief: „Pimpernelle!!!“
Griselda schreckte aus dem Schlaf:
„Was schreist Du denn da mitten in der Nacht?“
Pfiffikus warf einen Blick in seine Schlafkammer und antwortete aufgelöst:
„Der Räuber Rappl war da — und hat die Prinzessin geklaut.“
Großmutter sah ihn ungläubig an: „Das gibt es doch nicht! — Ich hab’ abgesperrt und den Riegel vorgeschoben!“
Pfiffikus erklärte: „Die Tür stand sperrangelweit offen und Schnuffi hat den Räuberhut im Garten gefunden.“
„Ach Du meine Güte — alle 14 Nothelfer!“, seufzte sie, „was sollen wir denn nun machen?“
„Ich laufe hinterher — weit kann er nicht sein.“
„Nein Pfiffikus“, warnte Griselda, „der Räuber Rappl ist viel stärker, als Du, mit dem kannst Du nicht kämpfen.“
„Stimmt“, gab Pfiffikus zu, „da muss ich mir was andres einfallen lassen. — Uah. Kochst Du mir einen starken Kaffee? Ich brauch’ einen Muntermacher.“
Großmutter nickte, schlurfte in die Küche und heizte erstmal den Herd an. Pfiffikus ging derweil spazieren, denn dabei fiel ihm meist was ein.
Rappl hatte an seinem Bräutchen schwer zu schleppen — der Weg von Glückshausen bis in den Wald war lang und er musste sich beeilen. Wer weiß, ob jemand die Hilfeschreie des Mädchens gehört hatte und bei Vollmond konnte ihn der Türmer über die Wiesen laufen sehen...
Doch nun hatte er es geschafft, setzte die kostbare Fracht auf dem Stroh ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann band er den Sack auf, guckte hinein und fragte mit versöhnlichem Grinsen: „Hallo, Süße, lebst Du noch?“
Die zusammengekauerte Prinzessin antwortete mit einem kläglichen „Ja“.
Rupert hob sie heraus und strahlte: „Freust Du Dich, einen Mann zu kriegen?“
Zu seiner Ernüchterung schüttelte sie traurig den Kopf.
Ungläubig fragte er: „Nicht..? — Aber schau mich doch mal an. Bin ich nicht ein Prachtkerl? So groß und stark, wie ich, ist keiner weit und breit!“
Doch das Goldlöckchen hatte nur ein verächtliches „Pah“ für ihn übrig.
Verdutzt fragte er: „Was gefällt Dir denn nicht an mir?“
Das Mädchen rümpfte die Nase und sagte: „Du stinkst.“
Jetzt war der Räuber völlig durcheinander: „Versteh’ ich nicht. An Ostern habe ich mich gründlich gewaschen — sogar mit Seife!“
„Und seitdem?“, wollte sie wissen.
„Naja, wenn ‘s im Sommer heiß wird, bade ich schonmal im Mühlenweiher“, erzählte er wahrheitsgemäß.
Doch das schien sein geraubtes Bräutchen nicht zu beeindrucken: „Ist das alles?“
„Naja“, druckste er herum, „manchmal überrascht mich auch ein Gewitterregen...“
„Und wenn ’s nicht regnet?“, bohrte sie weiter.
„Dann stell’ ich mich auf die Wiese und bitt’ den Himmel um seinen Segen:
Ja wenn ‘s nur grad rang, dass der Dreck oba sprang.“
„Und wenn 's dann doch nicht regnet?“, fragte sie.
„...reib’ ich mich solange an der alten Eiche, bis es mich nirgendwo mehr juckt.“
Die Prinzessin schlug die Hände überm Kopf zusammen: “Oh du mein Heimatland — wo bin ich nur hingeraten!“
„In meine Räuberhöhle“, erklärte Rappl.
„Man sieht ‘s“, meinte sie abfällig.
„Was soll denn das heißen?“ entrüstete sich Rupert.
„Soviel Dreckschlamperei gibt ’s bei uns nicht mal in der Rumpelkammer.“
„Zum Aufräumen und Putzen hab’ ich doch Dich geraubt!, stellte er klar.
Die Prinzessin langte sich ans Hirn: „Bei Dir piepst es wohl!“
„Wieso? Hausarbeit ist doch Weiberkram“, meinte Rappl.
„Ich hab’ noch nie im Leben gearbeitet“, behauptete sie hocherhobenen Hauptes.
Rappl wollte das nicht glauben: „Zeig’ mal Deine Hände. — Ach, sieh mal an, kommen die Blasen vom Nichtstun?“
„Das war eine Ausnahme, dem Pfiffikus zuliebe.“
„Und nun wirst Du mir zuliebe hier aufräumen.“
Die Prinzessin sah ihn wütend an: „Sowas ziemt sich nicht für meinesgleichen!“
Doch Rupert wollte ihr nicht glauben und meinte: „Bildest Du Dir etwa ein, nur weil Du goldige Haare hast, bist Du eine Prinzessin?“
„Und wenn ich eine wäre?“, erwiderte sie trotzig.
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