Andreas Kollmann - ich. und du.

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Thomas Hermann, 67 Jahre, nach dem Tod seiner Frau «Seniorenstudent», lernt an der Universität drei Studenten kennen. Heike, Lorenz – und den anderen Lorenz.
Thomas ist der geschichtlich Interessierte und unter den vieren die treibende Kraft, der Ideengeber. Von ihm stammt auch die Idee, eine Gaststätte zu eröffnen. Die drei wollen Thomas dabei haben, der mittlerweile mit Heike liiert ist. Zu viert gehen sie das Projekt an. Was, auch zwischen den vieren, nicht ohne Probleme bleibt.
Trotz seines Alters ist Thomas der Moderne unter ihnen. So scheint es jedenfalls. Seine private Lebenswelt ist aber für die anderen ein Schock. Mit dem sie unterschiedlich umgehen.
Die Sätze werden zunehmend kürzer, die Erzählung beschleunigt sich und gleicht bisweilen einem Staccato.

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Andreas Kollmann

ich. und du.

eine novelle.

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Inhaltsverzeichnis Titel Andreas Kollmann ich und du eine novelle Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Andreas Kollmann ich. und du. eine novelle. Dieses ebook wurde erstellt bei

Thomas. Und die Studenten.

Thomas. Und Lorenz.

Die Idee. Und Thomas.

Es wird ernst. Und Thomas.

Die Entscheidung.

Alle viere.

Lorenz. Und Heike.

Heike. Und Thomas.

Lorenz

Thomas. Und Heike.

Heike. Und Lorenz.

Heike. Allein.

Die vier.

Thomas. Bei Heike.

Und.

Impressum neobooks

Thomas. Und die Studenten.

Er stand auf und ging aus der Sitzreihe heraus. Dann verließ er den Saal, obwohl der Professor seine Vorlesung noch nicht beendet hatte. Er hatte genug. Für heute. Einige Augen sahen ihm nach. Viele waren sowieso heute nicht im Hörsaal. Der Prof war bekannt für interessante Themen. Aber auch für schlechte Vorlesungen.

Er ging in die Cafeteria. Löste sich einen Kaffee am Automaten. Ein Tisch war noch frei, dort setzte er sich hin. Keine bekannten Gesichter heute hier. War aber auch kein Wunder. Denn er kannte so gut wie keine anderen Studenten. Das Semester, sein erstes Semester, hatte schon vor zwei Monaten begonnen. Genug Zeit, andere Studenten kennenzulernen. Aber irgendwie war er doch anders als die anderen. Als die meisten anderen. Es gab noch einige wie ihn, aber in diesem Studiengang nicht sehr viele. Seniorenstudenten heißen sie. Während bei Geschichte, Ägyptologie und Kunstgeschichte diese Alten die Hörsäle geradezu belagern und überbevölkern, war das in seinem Studienfach anders. Und er hatte auch gar keine Lust, sich auf andere Alte einzulassen. So alt war er ja nun auch noch nicht. 65 Jahre wohl, so würden die meisten ihn schätzen. Die, die ihn schätzten, wußten, daß er 68 war. Sein würde. Im Juli.

Einmal hatte ihn eine Ältere angequatscht. Am Ende der Vorlesung wollte sie ihn wohl auf einen Kaffee festhalten. Er war aber unwillig. Hörte gar nicht zu. Unhöflich wollte er eigentlich nicht sein, aber er mußte es. Notwehr. Oder so ähnlich. Er sah sie ein paar mal wieder – nicht.

Jetzt saß er allein an dem runden Tisch. Ein paar Stühle so sinnlos wie er. Am Nachbartisch drei Studenten. So Anfang 20. Er hatte sie noch nie gesehen. Wohl anderes Studienfach. Oder anderes Semester. Zwei Männer. Gibt es das. Männer mit Anfang 20. Sind doch Kinder. Und eine Frau. Ein Mädchen. Sie lachten. Ihn nervte es. Der Kaffee war inzwischen nicht nur trinkwarm, sondern trinkkalt. Zu heiß kam er aus der Maschine. Den richtigen Zeitpunkt fürs Trinken gab es hier nicht. Der Kaffee übersprang immer den genießbaren Temperaturbereich. Sublimation. Vom festen in den gasförmigen Zustand. Oder umgekehrt. Vom ungenießbaren in den ungenießbaren Zustand. Ohne Umweg über den genießbaren. Dafür war er aber billig. Und hatte eine schöne Farbe. Und einen schönen Geruch. Und keinen Geschmack auch.

Schon wieder lachte sie. Frau. Das. Mädchen. Er schaute hinüber. Strafend. Sie war ganz hübsch. Ungeschminkt. Natürlich. Sie lachte. Laut. Die Jungen hörten es. Verstanden es. Nicht. Erwiderten es. Sie freuten sich. An ihr. An ihrem Lachen.

Jetzt sah sie. Daß er sie sah. Sie sah ihn. Was will der Alte. Sie wandte sich wieder den Jungen zu. Irgendeine Hausarbeit machten sie wohl zusammen. Viel Papier lag auf dem Tisch. Unter den Pappbechern. Ränder hatten sie. Die Becher auf dem Papier. Es wurde wieder still. Am Nachbartisch. Der Kaffee floß über seinen Unterschenkel. Er wußte nicht, ob er zu heiß oder zu kalt war. Der Unterschenkel wußte es. Lorenz hatte ihn ausgekippt. Hat er nicht gewollt. Aber es war geschehen. Der andere Lorenz begriff am Schnellsten. Er nahm eine Papierserviette – es gibt hier keinen Mangel an nichts, vor allem nicht an Papierservietten. Die kann man vorne an der Theke, bei der man sein Tablett auf einer Ablage abstellen und mit dem Strom der Menschen weiterschieben kann, um es, d.h. die ausgewählten Getränke und Speisen, zu bezahlen, nehmen. Einfach nehmen. Georgia läßt das durch, sie schaut nicht so auf die Zahl der Servietten. Anders als Petra. Obwohl Petra auch nichts davon hat, daß weniger Servietten genommen werden. Mehr Servietten werden Petra auch nicht vom Gehalt abgezogen. Ist jedenfalls die allgemeine Meinung. Sagt man – und tupfte damit auf dem Ende seiner Hose. Nicht seiner, sondern von dessen. Die Sprache, die Menschen in der Sprache, verwechseln das. Meistens. Die Hand. Die von dem anderen Lorenz. Nicht.

Der Kaffee war jetzt kalt. So schnell geht das auf einer Hose. Schneller als anderswo. Wenn der Kaffee zu heiß ist, sollte er ihn über die Hose kippen. Dann ist er im Nu kalt. Aber geht nicht. Jetzt war er schon zu kalt – ihm war es unangenehm. Und der andere Lorenz tupfte immer noch, der richtige Lorenz hatte sich auch Servietten genommen. Um so zu erscheinen, als wolle er auch mal. Tupfen. Sie nicht. Sie wollte nicht so erscheinen. Sah zu. Wie er abgetupft wurde. Sein Hosenbein. Lachte. In das Hosenbein. Auf das Hosenbein.

„Heike“. „Hermann – mit einem ‚r‘“. Hallo Hermann. Das ist Lorenz – und an Deinem Bein hängt der andere Lorenz. Niemand weiß, wie er heißt. Auch seine Mutter nicht. Sagt er. Und sie. – Thomas. Hermann vom Denkmal ist mein Nachname. Thomas Hermann. Komplett. Lorenz zögerte, sagte dann: Sie sind aber kein Studierender! Du. Ich bin es. Seniorenstudium. Für Alte, die meinen, noch was erleben zu sollen. Zu wollen. Oder so. Wir zahlen viel. Füttern Euch durch. Und zahlen den Kaffee, den ihr dann über uns schüttet.

Wollen Sie nicht Ihren Stuhl zu uns schieben? – Du! … Du? Ach. – Geographie macht ihr. Ist das jetzt schon ein echtes Studienfach? Ich dachte, das machen Sportlehrer nebenbei.

Und Du? Wenn keine Geographie, bleibt nur Mongolistik. Für Leute wie Dich. Mich? Kennst Du solche Leute wie mich? 27 Jahre habe ich gearbeitet. Dann war irgendwann Schluß. Eigentlich wollte ich noch länger machen, aber dann ergab es sich so. Ich wurde ergeben. Ergab mich. Die Kindereien hier gefallen mir. Es geht ein bißchen langsam zu. Aus dem Beruf heraus habe ich da noch einen gewissen Vorsprung. Bald nicht mehr. Das spüre ich schon. Jetzt. Dann muß ich sehen, ob ich weitermache. Denn so richtig studieren will ich eigentlich nicht. Will nur ein warmes Dach überm Kopf. Und eine Mahlzeit am Tag. Fast wie im Knast.

Zweites Semester. Habe im Sommersemester angefangen. Wie nur wenige. Die beiden Lorenzen sind schon im 3. Sind ordentlich und haben im Winter angefangen. Aber das merkt man kaum. Das mit Sommer und Winter. Und das mit 2. und 3. Semester. Und daß Männer sich angeblich besser orientieren können. Auf Landkarten und so.

Tut mir leid. Der Kaffee war keine Absicht. Ich wollte Heike gerade etwas zeigen. Passiert mir manchmal. Aber auf Karten passiert mir das nicht. Kein Problem. Jetzt ist das Hosenbein schon fast wieder trocken. Und was macht Ihr genau? Sieht nach Hausarbeit aus. Oder? Gruppenarbeit. Zu meiner Zeit hieß es Gruppensex. Hat man aber nicht in der Cafeteria gemacht – und dann nicht auf dem Tisch. Eher drunter. Gruppenarbeit. Müssen wir am Freitag Mittag abgeben. Das meiste, was wir haben, ist das, was fehlt. Andere Gruppen liegen da besser. Wir haben uns in meinen ersten Wochen hier gefunden. Da war ich noch ganz frisch. Die Lorenzen wußten schon alles. Dachten sie. Ich auch. Und ich muß noch morgen und übermorgen in der Kneipe arbeiten. Geld und Trink verdienen. Das wird eng. Mit der Gruppenarbeit. Die beiden Lorenzen arbeiten nicht. Nie. Brauchen nicht.

Ich muß mal. Meine Aufseherin sucht sicherlich schon nach mir. Vielleicht sieht man sich. Hier. Ja. Vielleicht. Bis.

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