Du könntest Mitleid finden und Barmherzigkeit,
Doch tödlich ists, der Jungfrau zu begegnen.
Denn dem Geisterreich, dem strengen, unverletzlichen,
Verpflichtet mich der furchtbar bindende Vertrag,
Mit dem Schwert zu töten alles Lebende, das mir
Der Schlachten Gott verhängnisvoll entgegenschickt.
MONTGOMERY.
Furchtbar ist deine Rede, doch dein Blick ist sanft,
Nicht schrecklich bist du in der Nähe anzuschaun,
Es zieht das Herz mich zu der lieblichen Gestalt.
O bei der Milde deines zärtlichen Geschlechts
Fleh ich dich an. Erbarme meiner Jugend dich!
JOHANNA.
Nicht mein Geschlecht beschwöre! Nenne mich nicht Weib.
Gleichwie die körperlosen Geister, die nicht frein
Auf irdsche Weise, schließ ich mich an kein Geschlecht
Der Menschen an, und dieser Panzer deckt kein Herz.
MONTGOMERY.
O bei der Liebe heilig waltendem Gesetz,
Dem alle Herzen huldigen, beschwör ich dich.
Daheimgelassen hab ich eine holde Braut,
Schön wie du selbst bist, blühend in der Jugend Reiz.
Sie harret weinend des Geliebten Wiederkunft,
O wenn du selber je zu lieben hoffst, und hoffst
Beglückt zu sein durch Liebe! Trenne grausam nicht
Zwei Herzen, die der Liebe heilig Bündnis knüpft!
JOHANNA.
Du rufest lauter irdisch fremde Götter an,
Die mir nicht heilig, noch verehrlich sind. Ich weiß
Nichts von der Liebe Bündnis, das du mir beschwörst,
Und nimmer kennen werd ich ihren eiteln Dienst.
Verteidige dein Leben, denn dir ruft der Tod.
MONTGOMERY.
O so erbarme meiner jammervollen Eltern dich,
Die ich zu Haus verlassen. Ja gewiß auch du
Verließest Eltern, die die Sorge quält um dich.
JOHANNA.
Unglücklicher! Und du erinnerst mich daran,
Wie viele Mütter dieses Landes kinderlos,
Wie viele zarte Kinder vaterlos, wie viel
Verlobte Bräute Witwen worden sind durch euch!
Auch Englands Mütter mögen die Verzweiflung nun
Erfahren, und die Tränen kennenlernen,
Die Frankreichs jammervolle Gattinnen geweint.
MONTGOMERY.
O schwer ists, in der Fremde sterben unbeweint.
JOHANNA.
Wer rief euch in das fremde Land, den blühnden Fleiß
Der Felder zu verwüsten, von dem heimschen Herd
Uns zu verjagen und des Krieges Feuerbrand
Zu werfen in der Städte friedlich Heiligtum?
Ihr träumtet schon in eures Herzens eitelm Wahn,
Den freigebornen Franken in der Knechtschaft Schmach
Zu stürzen und dies große Land, gleichwie ein Boot,
An euer stolzes Meerschiff zu befestigen!
Ihr Toren! Frankreichs königliches Wappen hängt
Am Throne Gottes, eher rißt ihr einen Stern
Vom Himmelwagen, als ein Dorf aus diesem Reich,
Dem unzertrennlich ewig einigen! – Der Tag
Der Rache ist gekommen, nicht lebendig mehr
Zurückemessen werdet ihr das heilge Meer,
Das Gott zur Länderscheide zwischen euch und uns
Gesetzt, und das ihr frevelnd überschritten habt.
MONTGOMERY läßt ihre Hand los.
O ich muß sterben! Grausend faßt mich schon der Tod.
JOHANNA.
Stirb, Freund! Warum so zaghaft zittern vor dem Tod,
Dem unentfliehbaren Geschick? – Sieh mich an! Sieh!
Ich bin nur eine Jungfrau, eine Schäferin
Geboren, nicht des Schwerts gewohnt ist diese Hand,
Die den unschuldig frommen Hirtenstab geführt.
Doch weggerissen von der heimatlichen Flur,
Vom Vaters Busen, von der Schwestern lieber Brust
Muß ich hier, ich muß – mich treibt die Götterstimme, nicht
Eignes Gelüsten, – euch zu bitterm Harm, mir nicht
Zur Freude, ein Gespenst des Schreckens würgend gehn,
Den Tod verbreiten und sein Opfer sein zuletzt!
Denn nicht den Tag der frohen Heimkehr werd ich sehn,
Noch vielen von den Euren werd ich tödlich sein,
Noch viele Witwen machen, aber endlich werd
Ich selbst umkommen und erfüllen mein Geschick.
– Erfülle du auch deines. Greife frisch zum Schwert,
Und um des Lebens süße Beute kämpfen wir.
MONTGOMERY steht auf.
Nun, wenn du sterblich bist wie ich und Waffen dich
Verwunden, kanns auch meinem Arm beschieden sein,
Zur Höll dich sendend Englands Not zu endigen.
In Gottes gnädge Hände leg ich mein Geschick.
Ruf du Verdammte deine Höllengeister an,
Dir beizustehen! Wehre deines Lebens dich!
Er ergreift Schild und Schwert und dringt auf sie ein, kriegerische Musik erschallt in der Ferne, nach einem kurzen Gefechte fällt Montgomery.
Johanna allein.
Dich trug dein Fuß zum Tode – Fahre hin!
Sie tritt von ihm weg und bleibt gedankenvoll stehen.
Erhabne Jungfrau, du wirkst Mächtiges in mir!
Du rüstest den unkriegerischen Arm mit Kraft,
Dies Herz mit Unerbittlichkeit bewaffnest du.
In Mitleid schmilzt die Seele und die Hand erbebt,
Als bräche sie in eines Tempels heilgen Bau,
Den blühenden Leib des Gegners zu verletzen,
Schon vor des Eisens blanker Schneide schaudert mir,
Doch wenn es not tut, alsbald ist die Kraft mir da,
Und nimmer irrend in der zitternden Hand regiert
Das Schwert sich selbst, als wär es ein lebendger Geist.
Ein Ritter mit geschloßnem Visier. Johanna.
RITTER.
Verfluchte! Deine Stunde ist gekommen,
Dich sucht ich auf dem ganzen Feld der Schlacht.
Verderblich Blendwerk! Fahre zu der Hölle
Zurück, aus der du aufgestiegen bist.
JOHANNA.
Wer bist du, den sein böser Engel mir
Entgegen schickt? Gleich eines Fürsten ist
Dein Anstand, auch kein Brite scheinst du mir,
Denn dich bezeichnet die burgundsche Binde,
Vor der sich meines Schwertes Spitze neigt.
RITTER.
Verworfne, du verdientest nicht zu fallen
Von eines Fürsten edler Hand. Das Beil
Des Henkers sollte dein verdammtes Haupt
Vom Rumpfe trennen, nicht der tapfre Degen
Des königlichen Herzogs von Burgund.
JOHANNA.
So bist du dieser edle Herzog selbst?
RITTER schlägt das Visier auf.
Ich bins. Elende, zittre und verzweifle!
Die Satanskünste schützen dich nicht mehr,
Du hast bis jetzt nur Schwächlinge bezwungen,
Ein Mann steht vor dir.
Dunois und La Hire zu den Vorigen.
DUNOIS.
Wende dich, Burgund!
Mit Männern kämpfe, nicht mit Jungfrauen.
LA HIRE.
Wir schützen der Prophetin heilig Haupt,
Erst muß dein Degen diese Brust durchbohren –
BURGUND.
Nicht diese buhlerische Circe fürcht ich,
Noch euch, die sie so schmipflich hat verwandelt.
Erröte, Bastard, Schande dir, La Hire,
Daß du die alte Tapferkeit zu Künsten
Der Höll erniedrigst, den verächtlichen
Schildknappen einer Teufelsdirne machst.
Kommt her! Euch allen biet ichs! Der verzweifelt
An Gottes Schutz, der zu dem Teufel flieht.
Sie bereiten sich zum Kampf, Johanna tritt dazwischen.
JOHANNA.
Haltet inne!
BURGUND.
Zitterst du für deinen Buhlen?
Vor deinen Augen soll er –
Dringt auf Dunois ein.
JOHANNA.
Haltet inne!
Trennt sie, La Hire – Kein französisch Blut soll fließen!
Nicht Schwerter sollen diesen Streit entscheiden.
Ein andres ist beschlossen in den Sternen –
Auseinander sag ich – Höret und verehrt
Den Geist, der mich ergreift, der aus mir redet!
DUNOIS.
Was hältst du meinen aufgehobnen Arm,
Und hemmst des Schwertes blutige Entscheidung?
Das Eisen ist gezückt, es fällt der Streich,
Der Frankreich rächen und versöhnen soll.
JOHANNA stellt sich in die Mitte und trennt beide Teile durch einen weiten Zwischenraum, zum Bastard.
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