Paljanyza trat auf sie zu und zog langsam den Säbel aus der Scheide.
»Mutter!« schrie die Tochter mit durchdringender Stimme.
Dies war der Schrei, den Salomyga vernommen hatte.
Paljanyza wandte sich an seine herbeigeeilten Kumpane und befahl kurz, auf die Alten weisend:
»Schmeißt die raus!« Und als diese mit Gewalt aus der Tür gedrängt waren, sagte Paljanyza zu dem hinzugekommenen Salomyga:
»Bleib eine Weile vor der Tür stehen - ich werde einige Worte mit dem Mädel reden.«
Als der alte Peisach einen Schrei hörte und zur Tür stürzte, traf ihn ein schwerer Schlag gegen die Brust und schleuderte ihn an die Wand. Dem Alten verging vor Schmerz der Atem. Da warf sich die sonst immer so schüchterne alte Toiba wie eine Wölfin auf Salomyga:
»Was tun Sie, was tun Sie! Lassen Sie mich durch!«
Sie stürzte zur Tür, und Salomyga war nicht imstande, ihre krampfhaft in seinen Überrock gekrallten Greisenfinger zu lösen.
Peisach, wieder zur Besinnung gekommen, eilte ihr zu Hilfe.
»Lassen Sie, lassen Sie uns durch! Oh, meine Tochter!«
Mit vereinten Kräften schoben sie Salomyga von der Tür weg. Wütend riss dieser seine Pistole heraus und versetzte dem Alten mit dem Griff einen Schlag auf den ergrauten Kopf. Lautlos brach Peisach zusammen.
Aus dem Zimmer drangen Riwas gellende Schreie.
Als Toiba, die ihrer Sinne nicht mehr mächtig war, hinausgeschleppt wurde, hallten ihre unmenschlichen Schreie und Hilferufe über die ganze Straße.
Im Haus war es still geworden.
Als Paljanyza das Zimmer verließ, sagte er, ohne Salomyga anzusehen, der schon nach der Türklinke griff:
»Geh nicht rein - mit der ist's aus. Ich habe sie ein bisschen mit dem Kissen zugedeckt.« Er schritt über den Leichnam des alten Peisach hinweg und trat in eine dicke dunkle Flüssigkeit.
»Hm, das war kein guter Anfang«, bemerkte er, als er auf die Straße hinausging.
Schweigend folgten ihm die übrigen. Ihre Füße ließen blutige Spuren auf Fußboden und Stufen zurück.
In der Stadt war bereits die Hölle los. Es kam zu einem kurzen Handgemenge unter den Plünderern, die sich über die Verteilung der Beute nicht einig werden konnten. Hier und da wurden Säbel gezückt, und fast überall gab es wüste Schlägereien.
Aus einer Kneipe wurden große eichene Fässer aufs Straßenpflaster gerollt.
Dann ging's von Haus zu Haus.
Niemand setzte sich zur Wehr. Die Räuber rannten durch die winzigen Zimmerchen, durchstöberten hastig alle Winkel und verließen dann, mit allen möglichen Gegenständen beladen, die Häuser, in denen außer Haufen von Lumpen und herumwirbelnden Federn aus dem Bettzeug nichts zurückblieb. Der erste Tag zählte nur zwei Todesopfer: Riwa und ihren Vater. In der Nacht jedoch sollten noch grauenhaftere Verbrechen geschehen. Am Abend war die gesamte bunt zusammengewürfelte Meute bis zur Besinnungslosigkeit besoffen. In dieser Verfassung erwartete die vom Alkohol vertierte Petljura-Bande den Anbruch der Nacht.
Die Nacht ließ ihnen völlig freie Hand. In der undurchdringlichen Finsternis gehen Mord und Totschlag leichter vonstatten. Auch Schakale ziehen die Nacht bei ihren Raubzügen vor und fallen nur die bereits dem Tode Geweihten an.
Keiner wird sein Leben lang diese entsetzlichen zwei Nächte und drei Tage vergessen. Wie viele Menschen wurden zu Krüppeln geschlagen oder vernichtet, wie viele junge Köpfe ergrauten in jenen blutigen Stunden, wie viele Tränen wurden vergossen! Und wer weiß, ob jene glücklicher waren, die am Leben blieben - mit leerem Herzen, unmenschlich gepeinigt von der untilgbaren Schmach, voll von unsagbarem Kummer, dem Kummer um die erschlagenen Angehörigen. Teilnahmslos lagen junge Mädchenkörper in den Gässchen, geschändet, gefoltert, mit verrenkten Gliedmaßen, apathisch gegenüber allem, was vor sich ging.
Und nur ganz unten am Fluss, in dem Häuschen des Schmiedes Naum, stießen die Banditen, als sie seine junge Frau Sara überfielen, auf den erbittertsten Widerstand. Der athletische Schmied, in der Kraft seiner vierundzwanzig Jahre, mit den stahlharten Muskeln des geübten Hammerschlägers, wollte seine Gefährtin unter keinen Umständen hergeben.
In dem kleinen Haus kam es zu einem kurzen, aber erbitterten Gefecht, wobei zwei Petljura-Leute getötet wurden. Nachdem Naum alle Patronen verschossen hatte, opferte er die letzte Kugel seiner Frau Sara und warf sich selbst mit gefälltem Bajonett dem Tod entgegen. Von vielen Kugeln durchlöchert, sank sein schwerer Körper auf die erste Stufe der Treppe nieder.
In dem Städtchen tauchten, die wohlgenährten Pferde vor den Wagen gespannt, Großbauern aus den umliegenden Dörfern auf und beluden ihre Fuhrwerke mit allem, was ihr Gefallen erregte. Von ihren Söhnen und Verwandten aus der Golub-Abteilung begleitet, fuhren sie eilig zwei-, dreimal zwischen Dorf und Stadt hin und zurück.
Als Serjosha Brusshak, der gemeinsam mit seinem Vater die Hälfte seiner Kollegen aus der Druckerei im Keller und auf dem Boden verborgen hatte, durch den Gemüsegarten auf sein Häuschen zuging, erblickte er auf der Chaussee einen flüchtenden Mann.
Die Arme schwenkend, in einem langschößigen, geflickten Überrock, ohne Mütze, rannte dort keuchend ein alter Jude, mit totenbleichem Gesicht, gejagt von einem Petljura-Mann auf einem grauen Pferd, der gerade zum Schlag ausholen wollte. Als der Alte das Pferd dicht hinter sich hörte, machte er eine Handbewegung, als wollte er sich vor dem drohenden Hieb schützen. Serjosha lief auf die Chaussee, sprang schützend vor den Alten und warf sich dem Pferd entgegen:
»Untersteh dich, du Bandit, du Hund!«
Der Berittene, der gar nicht daran dachte, den Säbelhieb aufzuhalten, ließ die flache Klinge auf den weißblonden Kopf des Jungen niedersausen.
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