Trotz der verwirrenden Umstände kam dem Jungen diese Ablenkung gerade recht. Dann musste er nicht mehr an die blutüberströmte Leiche denken, wodurch er schließlich darauf wartete, dass sich das Tier näherte und bald erkannte er ein schwarzes Pferd mit einem braunhaarigen Reiter, der nur wenige Schritte von ihm entfernt anhielt und von dem Tier sprang. Zornig und mit großen Schritten eilte er auf ihn zu, was den Blondschopf ein wenig irritierte.
„Hab ich dich endlich gefunden, du Schwein!“ Der Kämpfer wusste gar nicht, wie es um ihn geschah, als der Neuling auf ihn losging und ihn schubste. Immer wieder schlug er gegen seinen Brustkorb und trieb ihn so nach hinten.
„Wer bist du? Kennen wir uns irgendwoher?“ Der Blondschopf wusste nicht, wie es um ihn geschah, als ihn dieser Junge plötzlich so anfuhr, wobei dieser gar nicht aufhörte zu wüten: „Mein Name ist Cido Hiwatari und wir kennen uns nicht wirklich. Ich habe aber deinen Kampf gegen das Monster gesehen…“
„Ach, so ist das. Das ging ja schnell. Ich hab dich gar nicht gesehen. Dennoch tut es mir Leid. Ich wollte den Jungen nicht töten, sondern eigentlich retten“, huschte es leise über die Lippen des Kämpfers. Dass er damit Cido unterbrochen hatte, ließ diesen einen Moment lang empört die Luft anhalten, bevor er dann wieder aufbrauste: „Das ist mir egal! Tatsache ist, dass du Sebastian getötet hast und ich Kevin versprochen habe ihn zu rächen! Also, mach dich bereit zu sterben!“
„Nein… ich will nicht sterben und ich wollte auch nicht, dass der Junge von meiner Klinge getroffen wurde. Warum hat er sich dazwischen gestellt?! Er hätte mich doch einfach nur meinen Job machen lassen können. Aber nein! Er mischte sich ein und starb an einem Schwerthieb, der nicht für einen Menschen gedacht war“, versuchte er sich zu erklären, doch Cido winkte nur ab: „Ja, ja. Das sagen sie alle. Du hättest den Angriff bestimmt noch abbrechen können. Aber du wolltest einfach nicht, weil es dir egal ist, wen du tötest und wen nicht. Hauptsache deine Klinge wird von Blut benetzt. Ich kenne Menschen wie dich und ich muss sagen, diese Bekanntschaften sind nicht wirklich die Besten gewesen.“
„Ich wollte das nicht“, seufzte der Blonde, wobei er sich dann langsam abwandte und davon schritt. Mit diesem Menschen konnte man nicht diskutieren und kämpfen wollte er gerade nicht. Er wollte nicht noch mehr unschuldiges Blut auf seiner Klinge haben und daher beendete er dieses Aufeinandertreffen nun.
„Hey! Jetzt warte doch! Bleib stehen, wenn ich dir die Leviten lese und mich seelisch darauf vorbereite dich umzubringen!“, brüllte ihm Cido nach, wodurch der Kämpfer noch einmal stehen blieb und sich zu dem Jungen umdrehte.
Ein trauriges Lächeln umspielte die Lippen des weiß Gekleideten. „Meine Name ist Xenio Achmaras. Vielleicht sieht man sich eines Tages wieder, Cido Hiwatari.“
Cido begriff es nicht, als der Kämpfer schon davonging und ihn hier zurückließ. Bestürzt sah er diesem hinterher und verstand gar nicht, was das zu bedeuten hatte.
Plötzlich wurde er von etwas Warmen in die Seite gestupst und er sah in das Gesicht des Friesen, wobei er kurz lächelte und der Stute über die Nüstern strich. „Was soll ich tun? Kann ich ihn wirklich töten? Aber ich habe es Kevin doch versprochen. Ich kann mein Wort ja nicht einfach so brechen. Das bin ich ihm schuldig.“
Das Pferd schnaubte und scharrte dann mit den Hufen, wobei es erneut den Jungen anstupste und mit den Kopf auf seinen eigenen Rücken zeigte. Scheinbar sollte er wieder aufsteigen. Ob das Tier einen Plan hatte? Wie dieser dann wohl aussah? Waren Pferde wirklich so intelligent? Cido schüttelte die Gedanken ab und lächelte kurz, um sich selbst zu beruhigen.
„Ja, du hast Recht. Ich sollte es zumindest versuchen. Und wenn ich sterbe, dann hab ich es zumindest probiert“, seufzte Cido und trat dann an die Seite des Tieres, um sich auf dessen Rücken zu schwingen. Dieses Mal ging es schon um einiges leichter als davor. Er schien ein Naturtalent zu sein.
„Also, los Norija! Ihm hinterher! Wir haben noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen.“ Er trieb das Pferd an, das sogleich den von Xenio beschrittenen Weg einschlug, doch als er nach einer Weile dachte, dass er den Kämpfer eigentlich schon längst eingeholt haben müsste, stoppte er das Tier kurz. „Wo? Wo ist er? Das kann doch nicht sein. Er kann ja nicht schneller als wir sein. Haben wir irgendeine Abzweigung verpasst?“
Er sah sich um, doch es gab nur diesen einen Weg und jetzt in der Wildnis zu suchen, wäre mehr als nur fragwürdig, wodurch er Norija einfach weiter den Weg entlang reiten ließ. Vielleicht würde er ja in der nächsten Stadt fündig werden. Zumindest würde er dort mal auf den Kämpfer warten. Irgendwann musste dieser ja auch dort ankommen und dann wäre er fällig…
„Er sucht mich immer noch?“ Xenio konnte seinen Augen nicht trauen, als er den Jungen an sich vorbei reiten sah. Er hatte eine kurze Pause unter dem Schatten eines Baumes gemacht, wobei er gerade eine Scheibe Brot in der Hand hielt und ein Wasserschlauch auf seinem Bein lag.
Ein Seufzer stahl sich über seine Lippen, als er über Cido nur den Kopf schüttelte. „Er kann mich doch niemals besiegen. Warum will er unbedingt sterben? Ich versteh das nicht. Aber wie es aussieht reitet er geradewegs auf mein Dorf zu. Wenn er dort auch eine Rast macht, dann werden wir uns wohl oder übel noch einmal begegnen. Er kann mich nicht töten. Das habe ich in seinen Augen gesehen. Dennoch eilt er mir nach. Was er sich davon wohl verspricht?“
Er schob den letzten Bissen des Brotes in seinen Mund, als er dann schon aufstand und den Wasserschlauch wieder an seiner Hüfte befestigte, bevor er sich den Staub von der Kleidung klopfte.
„Na ja, ich muss nun auch weiter.“ Er streckte sich kurz, bevor er dann aus den Schatten trat und zurück auf den Weg ging, um seine Heimkehr fortzusetzen. Das Land um ihn herum war ausgetrocknet und unfruchtbar. Es war einmal anders. Als seine Eltern noch lebten und diese Bestie noch nicht existiert hatte. Damals war dieses Land grün und fruchtbar. Die Bauern haben alles Mögliche angebaut und mit dem Dorf im Wald Handel getrieben. Tierprodukte gegen Feldprodukte. Doch dann wurden sie beide ins Verderben gestürzt. Als diese Bestie auftauchte und alles tötete, was nicht so war wie sie.
Xenio musste die Verzweiflung in seinem Herzen niederringen, als er daran dachte, wie er diese Zeit vermisste. Als alles noch gut war und sein Kinderherz noch rein.
Viele Monde waren seither vergangen und es hat sich nichts verändert. Doch jetzt war die Bestie tot und somit konnten die Dörfer wieder erblühen. Er selbst konnte sich auf ein normales Leben einstellen und den Platz seines Vaters einnehmen: Dorfoberhaupt.
Doch dieser Junge. An ihn konnte er sich gar nicht erinnern. Wo war er, als Xenio Sebastian getötet hatte? Es war doch niemand außer ihnen am Kampfplatz. Oder etwa doch? Derweil hatte er sich doch extra vergewissert, dass sie alleine waren. Wo hatte er sich nur versteckt? Anders konnte es sich Xenio nicht erklären, dass er seine Präsenz nicht wahrgenommen hatte.
„Wie konnte er dann wissen was passiert ist? War er vielleicht? Nein, ich habe doch niemanden außer diesen Jungen und den Wolf gesehen. War ich vielleicht unvorsichtig? Nein, ich habe mich extra versichert, dass niemand in der Nähe war! Aber warum weiß er dann über die Sache mit dem Jungen Bescheid? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Derweil habe ich mir alles so schön ausgemalt. Den Jungen wollte ich retten und mich gleichzeitig an der Bestie rächen. Aber dann stellte er sich in den Weg und der Schlag war mit zu viel Schwung geführt, als dass ich ihn noch hätte stoppen können. Dann war alles rot. Rot von dem Blut des Jungen. In der nächsten Sekunde lag er am Boden und die Bestie war bei ihm. Als ich merkte, dass ich nicht mehr gebraucht wurde, ging ich. Vielleicht war das mein Fehler? Nein! Ich hab keinen Fehler gemacht! Das ist alles die Schuld von dem Jungen! Er ist selbst an seinem Tod schuld!“, wütete Xenio in Gedanken.
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