Als der Freitag gekommen war, befahl mir die Königin, nachdem sie mich mit Zärtlichkeiten überschüttet hatte, den König zu unterhalten, damit er die Stunde, die für die Komödie angesetzt war, vergesse, sie fügte hinzu, dass, wenn es mir nicht gelänge und der König meinen Bruder mit sich nehmen wolle, ich schreien und weinen und ihn womöglich zurückhalten müsste. Um den Eindruck zu erhöhen, sagte sie mir, dass mein Leben und das meines Bruders auf dem Spiele stehe. Ich hielt mich so brav, dass es halb sieben Uhr wurde, ohne dass es der König gewahrte, plötzlich besann er sich aber, stand auf und ging schon, seinen Sohn an der Hand führend, auf die Türe zu, als dieser sich zu sträuben und schrecklich zu schreien anfing. Der König, sehr verwundert, suchte ihn erst in Güte zu bereden, da es aber nichts half und das arme Kind ihm nicht folgen wollte, wollte er es schlagen. Die Königin widersetzte sich, allein der König hob ihn in seine Arme und wollte ihn mit Gewalt davontragen. Ich aber warf mich ihm nun zu Füßen und umschlang sie unter tausend Tränen. Die Königin stellte sich vor die Türe und beschwor ihn, heute im Schloss zu bleiben. Der König, über dies seltsame Gebaren sehr erstaunt, wollte die Ursache desselben wissen. Die Königin wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Aber der von Natur aus argwöhnische König schloss, dass irgendeine Verschwörung gegen ihn im Werke sei. Troskis Prozess war noch nicht beendet; er dachte, dass diese Angelegenheit die Besorgnis der Königin hervorriefe. Da er also heftig in sie drang, ihm alles zu sagen, begnügte sie sich, ihm zu erwidern, dass sein Leben wie das meines Bruders gefährdet sei, ließ jedoch Frau von Blaspiel unerwähnt. Als diese Dame sich abends bei der Königin einfand, glaubte sie, dass nach der Szene, die sich zugetragen hatte, sie nicht länger schweigen könne. Sie vertraute ihr das ganze Komplott an und bat sie dringend, ihr für den nächsten Tag zu einer geheimen Audienz beim König zu verhelfen. Es fiel der Königin leicht, sie zu erlangen. Als Frau von Blaspiel dem König alle Einzelheiten mitteilte, von denen sie Kenntnis hatte, fragte er sie, ob sie dies alles auch in Grumbkows Gegenwart aufrechterhalten würde; und als sie dies bejahte, wurde der Minister gerufen. Der hatte seine Vorsichtsmaßregeln längst getroffen und keinen Grund, etwas zu befürchten. Der Generalfiskal Katsch, ein Mann von niederer Herkunft, verdankte ihm sein Glück. Er war der würdige Schützling Gumbkows, das lebendige Abbild des ungerechten Richters aus dem Evangelium und von allen ehrlichen Leuten verabscheut. Grumbkow hatte außerdem zahlreiche Kreaturen in der Justiz und in den Kanzleien. So erschien er dreist vor dem König, der ihm die Aussagen der Frau von Blaspiel bekanntgab. Er beteuerte seine Unschuld und rief, man könne wahrlich nicht Minister sein, ohne sich Verfolgungen ausgesetzt zu sehen, und es ginge ja aus den Briefen der Frau von Blaspiel an Troski zur Genüge hervor, dass dieser Dame nichts so sehr am Herzen läge, wie zu intrigieren und am Hofe Zwist zu erregen. Er warf sich dem König zu Füßen, beschwor ihn, die Angelegenheit mit aller Schärfe und ohne Rücksicht untersuchen zu lassen, und erbot sich, den untrüglichen Beweis für die Falschheit der Beschuldigungen aufzubringen. Der König ließ sodann Katsch rufen, wie Grumbkow richtig vorausgesehen hatte. Trotz aller Spitzfindigkeiten sah sich dieser doch am Rande seines Verderbens; Kasch wusste es von ihm abzuwehren. Er besaß eine erstaunliche Geschicklichkeit im Überführen der Übeltäter, die das Unglück hatten, ihn zum Richter zu haben. Vorsichtige Fragen und schlaue Umschweife setzten sie bald in Verwirrung. Frau von Blaspiel fiel ihnen zum Opfer. Sie vermochte keine untrüglichen Beweise für ihre Anklagen aufzubringen, die infolgedessen als Verleumdungen galten. Da Katsch den König in heftigem Zorn sah, riet er ihm, ihr die Folter aufzuerlegen. Doch behielt der König so viel Rücksicht für ihren Rang und ihr Geschlecht, dass sie von dieser Schmach verschont blieb.
Er begnügte sich, sie noch am selben Abend nach Spandau zu schicken, wohin Troski einige Tage später abgeführt wurde. Sie ertrug dies Missgeschick mit heldenhaftem Mut. Anfangs wurde sie mit Strenge und Härte behandelt. In einem vergitterten, feuchten Zimmer ohne Bett noch Möbel eingesperrt, verbrachte sie drei Tage lang, indem sie nur so viel erhielt, als zum Leben unumgänglich nötig war. Obwohl die Königin sich in guter Hoffnung befand, schonte der König ihrer nicht und teilte ihr in rücksichtsloser Weise die Ungnade ihrer Vertrauten mit. Jene wurde davon so betroffen, dass eine Fehlgeburt befürchtet wurde. Abgesehen von der Zuneigung, die sie für Frau von Blaspiel hegte, erfüllte sie der Gedanke, dass das Testament in den Händen dieser Dame geblieben war, mit tödlicher Angst. Ein glücklicher Zwischenfall befreite sie von dieser Sorge.
Der Hofmarschall von Natzmer, ein Mann von hohem Verdienst und anerkannter Rechtlichkeit, erhielt Befehl, bei Frau von Blaspiel die Siegel anzulegen. Die Königin wandte sich an ihren Kaplan, namens Boshart, um den Marschall von ihrer Sorge in Kenntnis zu setzen und ihn zu bitten, ihr doch um Gottes willen das Testament des Königs auszuliefern. Der Kaplan schilderte ihm die Gefahr, in der die Fürstin sich befand, wenn man das Dokument vorfände, und entledigte sich seiner Aufgabe so gut, dass er den Marschall überredete, dem Wunsche der Königin zu willfahren; was den Plänen Grumbkows sehr zuwider lief. Man fand nichts Verdächtiges unter den Papieren der Frau von Blaspiel und stellte weitere Untersuchungen ein.
Ich habe alle Einzelheiten, die ich hier berichtete, von meiner Mutter, der Königin, vernommen; sie sind nur sehr wenigen bekannt. Die Königin hatte eifrig Sorge getragen, sie zu verheimlichen, und mein Bruder hat seit seiner Thronbesteigung alle Akten des Prozesses verbrannt. Frau von Blaspiel wurde nach einem Jahre in Freiheit gesetzt, jedoch nach Kleve verbannt. Der König sah sie einige Jahre später wieder, begegnete ihr mit großer Zuvorkommenheit und verzieh das Vergangene. Nach seinem Tode berief sie mein Bruder aus Rücksicht auf die Königin zur Erzieherin meiner beiden jüngeren Schwestern, ein Posten, den sie noch heute innehat.
All jene Intrigen, die sich Schlag auf Schlag in Berlin abspielten, hatten aber doch zuletzt den König verdrossen. Er war zu klug, um nicht einzusehen, dass der Fürst von Anhalt und Grumbkow nicht ganz unschuldig sein konnten. So wollte er denn allen Umtrieben ein für alle Mal ein Ende machen und beschloss, den Markgrafen von Schwedt zu verheiraten. Sein enges Bündnis mit Russland ließ ihn nach dieser Seite hin das Auge lenken. Herr von Martenfeld, sein Gesandter in Petersburg, erhielt den Auftrag, um die Herzogin von Kurland (der späteren Kaiserin) für den Prinzen anzuhalten. Der Zar zeigte sich diesem Projekte sehr geneigt. Der Markgraf von Schwedt wurde also aus Italien, woselbst er zu der Zeit verweilte, zurückberufen. Nach seiner Ankunft in Berlin ließ ihm sodann der König den Antrag kundtun und ihm vorstellen, wie vorteilhaft diese Heirat sei und wie geeignet, seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Allein dieser Prinz, der noch immer eine Vermählung mit mir erhoffte, weigerte sich entschieden, dem Wunsch des Königs zu willfahren. Da er achtzehn Jahre alt und mündig war, konnte man ihn nicht zum Gehorsam zwingen, und so ließ man die Sache fallen.
Zar Peter
Ich vergaß, von dem Besuche Peters des Großen in Berlin zu erzählen, der sich im Jahre zuvor ereignete. Was sich da zutrug, ist merkwürdig genug, um in diese Memoiren aufgenommen zu werden. Der Zar, der sehr gerne auf Reisen ging, kam aus Holland. Er hatte sich in Kleve wegen einer Fehlgeburt der Zarin aufhalten müssen. Da er sich weder aus Festlichkeiten noch aus der Etikette etwas machte, ließ er den König bitten, ihn in einem Lusthaus der Königin, das in einem Vorort von Berlin lag, wohnen zu lassen. Der Königin missfiel dies sehr, sie hatte dort ein sehr hübsches Haus bauen lassen und es prachtvoll ausgestattet. Die Porzellangalerie, die dort zu sehen war, sowie alle Spiegelzimmer waren wunderschön, und da dies Haus als ein wirkliches Kleinod gelten durfte, wurde es auch Monbijou genannt. Der reizende Garten zog sich dem Flusse entlang, was seine Vorzüge noch erhöhte.
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