Während der anglo-amerikanische Schriftsteller in seinem Erwerb Schutz empfing, indem man die im Auslande in englischer Sprache gedruckten Bücher mit sehr hohen Einfuhrzöllen belastete, blieb der deutschamerikanische Schriftsteller ohne solchen Schutz. Seine Produktion wurde erstickt durch die ungeheure Masse der in Deutschland und in anderen Reichen erzeugten Literatur, deren Schöpfungen, mochten es Bücher oder in Zeitungen veröffentlichte Romane und Aufsätze sein, in Amerika nachgedruckt werden konnten, ohne dass an ihre Urheber Honorare bezahlt werden mussten.
Unter solchen Umständen war die Existenzmöglichkeit deutschamerikanischer Berufsschriftsteller ausgeschlossen. Da sie für ihre Werke nur selten Verleger finden und klingende Erfolge erzielen konnten, so waren sie, um ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, genötigt, sich in die Tagespresse zu flüchten. Wie viele Genies in dieser beim Erledigen der täglichen Routinegeschäfte verkümmerten, wer kann's sagen?
Nur wenigen blieb Zeit, in dem sie umbrausenden, ihre ganze Aufmerksamkeit und Kraft beanspruchenden Kampf des Lebens größere Werke zu schaffen. Glücklicher waren einzelne Ärzte, Gelehrte und Beamte, die im Besitz einträglicher Stellungen nicht auf Honorare zu sehen brauchten, sondern die Erzeugnisse ihrer Musse sogar auf eigene Kosten drucken lassen konnten.
Dass die Zahl solcher Werke keine große sein kann, versteht sich von selbst. Gegenüber der ungeheuren Menge billiger Nachdrucke der besten deutschen Werke ist sie verschwindend klein.
Trotzdem befinden sich unter den von Deutschamerikanern geschaffenen Werken, namentlich denjenigen geschichtlichen Charakters, manche, die wegen ihrer Auffassung und Darstellungsweise oder wegen ihrer auf sorgfältiger Quellenforschung beruhenden Angaben Beachtung und Verbreitung fanden.
Beispielsweise die acht Bände umfassende „Weltgeschichte“, welche von dem an den Aufständen in Baden beteiligt gewesenen Achtundvierziger Gustav von Struve während der Jahre 1850 bis 1860 in New York veröffentlicht wurde und wegen des streng demokratischen Standpunktes ihres Verfassers von Interesse ist.
Von Wert sind ferner Robert Clemen's „Geschichte der Inquisition“ (Cincinnati 1849); des Theologen Philipp Schaff „Geschichte der Christlichen Kirche“ (Mercersburg 1851), sowie „Amerika, seine politischen, socialen und kirchlich-religiösen Zustände“ (Berlin 1854). Die zu Halle geborene, unter dem Schriftstellernamen Taloj bekannt gewordene Gattin des Professors Eduard Robinson, eine geborene von Jakob, verfasste während ihres langjährigen Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten eine „Geschichte des Kapitän John Smith“ (Leipzig 1847) und eine „Geschichte der Kolonisation von Neu-England“ (Leipzig 1847).
Viel gelesen wurden seinerzeit auch Friedrich Münchs „Erinnerungen aus Deutschlands trübster Zeit“. Der Rheinpreuße Gustav Brühl, welcher als Arzt in Cincinnati tätig war, schrieb das vorzügliche Buch „Die Kulturvölker Alt-Amerikas“. Rudolf Cronau lieferte in seinem zwei Bände umfassenden Werk „Amerika“ (Leipzig 1892) ein Gesamtbild der Entdeckung und Erschließung der Neuen Welt von der ältesten bis auf die neueste Zeit. Seine in den Bahamas und St. Domingo angestellten Forschungen über die erste Landestelle des Columbus und dessen Begräbnisstätte werden von den meisten Gelehrten für jene Fragen als entscheidend betrachtet.
Hermann A. Schumacher schilderte auf Grund sorgfältiger archivalischer Studien die im Auftrag der Augsburger Kaufleute Welser während der Jahre 1528 bis 1546 erfolgten Eroberungszüge nach Venezuela und Columbia. Franz Löher, Anton Eickhoff und Julius Goebel lieferten allgemeine Übersichten über die Geschichte des Deutschtums der Vereinigten Staaten, der erstgenannte in dem Buch „Geschichte und Zustände der Deutschen in Amerika“ (Cincinnati 1847). Friedrich Kapp schrieb eine wertvolle „Geschichte der Sklaverei“ (New York 1860), ferner vortreffliche Biographien der Generäle von Steuben (Berlin 1858) und Kalb (Stuttgart 1862); desgleichen eine Abhandlung über den „Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika“ (Berlin 1864), sowie eine „Geschichte der deutschen Einwandrung in den Staat New York“ (New York 1868). Alle Werke Kapps zeichnen sich durch künstlerische Ausgestaltung des verwendeten Materials und warme Färbung aus.
Oswald Seidensticker verdankt man „Bilder aus der deutschpennsylvanischen Geschichte“, die zum schönsten gehören, was die Geschichtsschreibung in Amerika hervorgebracht hat. Von Wichtigkeit sind ferner seine „Geschichte der deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien“ sowie seine Forschungen zur Geschichte des deutschen Zeitungswesens und Buchdrucks in Amerika.
Hohen Wert besitzen auch die vorzüglichen Monographien mancher Mitglieder der „German Historical Society of Pennsylvania“. Insbesondere die erschöpfenden Studien von Julius Sachse, Samuel Pennypacker, Daniel Rupp, Daniel Cassel, Oskar Kuhns, Diffenderfer, Hartranft, Schmauk u. a. über die deutschen Einwandrer und Sektierer in Pennsylvanien.
Der Lehrer Hermann Schuricht erforschte die Geschichte des Deutschtums in Virginien; Emil Klauprecht und H. A. Rattermann diejenige der Deutschen im Ohiotal; Joseph Eiboeck schrieb die Geschichte der Deutschen in Iowa; Wilhelm Hense und Ernst Brumken diejenige der Deutschen in Wisconsin, und Professor Hanno Deiler jene der Deutschen am unteren Mississippi. Gustav Körner stellte wertvolle Notizen über „Das deutsche Element während der Periode 1818 bis 1848“ zusammen (Cincinnati 1880).
Gert Göbel schilderte in seinem Buch „Länger als ein Menschenleben in Missouri“ (St. Louis 1877) das Leben der deutschen Hinterwäldler; Friedrich Rübesamen das Grenzlerleben in Texas, Neu-Mexiko und Arizona.
Zahlreiche Schriften vermischten Inhalts lieferte der bereits mehrfach erwähnte Achtundvierziger Karl Heinzen, ein ungestümer Feuergeist, der in den Vereinigten Staaten Hauptführer der radikalen deutschen Demokraten wurde. Von seinen größeren Werken verdienen die in den Jahren 1867 bis 1879 erschienenen vier Bände „Teutscher Radikalismus in Amerika“ sowie die beiden Bände „Erlebtes“ (Boston 1864 und 1874) hervorgehoben zu werden.
Ebenso fruchtbar, aber durchaus andere Wege wandelnd ist Karl Knortz. Er beschäftigte sich vorzugsweise mit literatur- und kulturgeschichtlichen Studien und veröffentlichte als Ergebnisse derselben zahlreiche kleinere Werkchen.
Feuilletonistisch behandelte Reiseschilderungen lieferte Theodor Kirchhoff in seinen vortrefflichen „Californischen Kulturbildern“ und in seinen „Reisebildern und Skizzen“ (Altona 1875); denselben verwandt sind Rudolf Cronaus „Von Wunderland zu Wunderland, Landschafts- und Lebensbilder aus den Staaten und Territorien der Union“ (Leipzig 1885); „Im wilden Westen“ (Braunschweig 1890) und „Fahrten im Lande der Sioux“ (Leipzig 1885).
Ziemlich zahlreich sind die von Deutschamerikanern verfassten Romane, Novellen und Erzählungen. Aber die meisten verfielen samt den Tageszeitungen, in denen sie veröffentlicht wurden, der Vergessenheit. Unter ihren Urhebern befand sich der geistvolle Achtundvierziger Friedrich Hassaureck, dem wir die vortrefflichen, auch in Buchform veröffentlichten Romane „Hierarchie und Aristokratie“ und „Das Geheimnis der Anden“ verdanken. Friedrich Otto Dresel schrieb den Roman „Oskar Welden“, ferner die Novellen „Bekenntnisse eines Advokaten“, „Doppelehe oder keine Doppelehe“ und „Die Lebensversicherungs-Police“. Friedrich Lexow verfasste die Novellen „Auf dem Geierfels“, „Imperia“, und „Vornehm und gering“. Sein Bruder Rudolf Lexow schrieb die Novellen „Annies Prüfungen“ und „Der Rubin“; während der geschickten Feder Karl Diltheys verschiedene Novellen und Erzählungen, darunter „Die schönsten Tage einer Tänzerin“, „Henriette Sonntag“, „New York in alten Tagen“ u. a. entflossen.
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