Von Alexandra Caragata
Stadt, wo nur Ärzte leben
Gleich, immer gleich. Und nichts verändert sich. Alles bleibt sich selbst treu, in derselben Form gefangen, wie ein Sklave an seinem Meister. Das Gleiche immerfort gleich erlebt, das Neue im Gleichen gesehen, es ist dieser Alltag, der mich in seinem Bann hält.
Nichts anderes kenne ich, nur das Gleiche. Hier wurde ich geboren, und hier werde ich sterben, hier in dieser Stadt, wo nur Ärzte leben. Ein Bewohner und Mitläufer dieser Stadt bin ich, und nichts anderes kenne ich als nur diese Stadt. Und auch hier fange ich mein Tagebuch an – ein Tagebuch als Produkt dieser Stadt und der Ärzte, die in dieser Stadt leben.
Vor 50 Jahren, da starb sie, meine Mutter, sie starb an der eigenen Krankheit, am eigenen Kummer. Und nun trage ich ihre Krankheit im Namen, es ist die Krankheit, wovor ich mich am meisten ängstige.
Seit 50 Jahren, seit dem Tod meiner Mutter hat sich in dieser Stadt nichts mehr verändert. Die Mentalität, gleichermaßen oberflächlich geblieben, die Stadtbewohner gleichermaßen vom Gesundheitswahn getrieben.
Offiziell leben nur Ärzte in dieser Stadt – Ärzte sind sie, angesehene Stadtbewohner, in verschiedene Unterkategorien aufgeteilt, wie ein Schäfchenvolk, das nur darauf bedacht ist, den Vorstellungen der Mehrheit zu entsprechen.
Neben den Ärzten als offizielle Mehrheit gibt es in dieser Stadt aber auch die Besonderheit, dass es keine Gewinner und keine Verlierer gibt.
Nicht einmal die Ärzte bilden die Gewinner ab, obwohl sie nach außen hin die offiziellen Bewohner sind, aber zugleich haben sie das Sagen in meiner Stadt.
Gewinner sind die Ärzte nicht, weil sie trotzdem Feinde haben.
Verlierer sind die Ärzte aber auch nicht, denn sie haben hier das offizielle Sagen, und sie bilden die Regierung in meiner Heimatstadt.
Auch die inoffiziellen Gegner, die am Rande der Gesellschaft leben, auch diese verkannten Gegner sind weder Gewinner noch Verlierer.
Das Sagen haben die Gegner des Gesundheitswahns in dieser Stadt nicht, und auch eine Stimme haben sie hier nicht, denn offiziell leben nur Ärzte in dieser Stadt.
Deshalb können auch die Gegner des Gesundheitswahns keine Gewinner sein.
Verlierer sind die inoffiziellen Gegner des Gesundheitswahns aber auch nicht, weil es sie trotzdem als Minderheit gibt.
Keine Gewinner und auch keine Verlierer. Eine Besonderheit, die hierzulande Wirklichkeit wird.
Als Bewohner der Stadt, wo nur Ärzte leben, besteht das Hauptanliegen dieser geistigen Reflektionen darin, dass ich mich nicht auf eine politische Seite stelle – weder auf die Seite der Gewinner noch auf die Seite der Verlierer. Denn es gibt sie nicht, die Gewinner oder Verlierer. Vielmehr dienen diese Schriften als eine empfundene Chronik dieser Ärztestadt.
Virologen, Fachärzte, Allgemeinärzte, Chirurgen leben hier, und die Liste ist lang. Und alle sind sie diskriminierend, vom Sportwahn, vom Gesundheitswahn und vom Hygienewahn getrieben, und in allen Begebenheiten wittern sie ein Virus, eine Krankheit oder eine Ansteckung.
An den Tod glauben die Ärzte dieser Stadt längst nicht mehr, denn der Tod passt nicht zu ihren Vorstellungen vom Gesundheitswahn, und auf diese Weise verleugnen sie den tiefsten Ursprung der Menschlichkeit.
Indem sie die Weltbevölkerung mit dem Impfvorrat aus ihrer Stadt gegen alle möglichen Krankheiten immun impfen und immer mehr Antikörper in die Menschheit durch Massenimpfungen verbreiten, versuchen die Ärzte dieser Stadt so der Sterblichkeit, dem Tod als natürlichen Lebensverlauf entgegenzuwirken.
Mehrere Gesichter und mehrere Berufe haben sie, die überheblich-oberflächlichen Bewohner dieser sportgetriebenen Stadt im Gesundheitswahn. Hauptberuflich sind sie als Ärzte tätig, nebenberuflich sind sie die Selbstversorger dieser Stadt.
Da meine Stadt sich vorwiegend nur aus Ärzten zusammensetzt, so müssen die Stadtbewohner verschiedene Berufe ausüben, um die Stadt, und sich selbst zu versorgen. Deshalb üben die Ärzte mehrere Nebenberufe aus.
Hauptberuflich sind sie die angesehenen Ärzte, Forscher, Virologen, Chirurgen, Medizinwissenschaftler und Epidemiologen.
Nebenberuflich sind diese Stadtbewohner die einfachen Supermarktkassierer, Putzkräfte, Kellner, Bäcker, Gärtner, Handwerker oder Lieferboten, die ihre Stadt versorgen.
Demensprechend haben sie auch verschiedene Arten von Lebensläufen, ihren nebenberuflichen Tätigkeiten entsprechend.
Auch ich bin einer von ihnen, ein Arzt und Selbstversorger, wie sie.
Auch ich gebe nach außen vor, den Gesundheitswahn, den Sportwahn und die reine, wohlstandsgemäße Oberflächlichkeit zu lieben.
Auch ich gebe nach außen vor, möglichst lange, und möglichst gesund leben zu wollen.
Auch ich gebe nach außen vor, den Tod, und die Sterblichkeit zu hassen. Und auch ich lebe mit ihnen am Leben vorbei, nehme an ihrem stressig-perfektionistischen Arbeitseifer teil und übe mehrere Nebenberufe aus, um die Stadt zu versorgen – von Erholung und Entspannung, nicht die geringste Spur.
Auch ich, auch ich bin einer von ihnen, rein oberflächlich betrachtet, so wie sie, die gesundheitsfanatischen Bewohner dieser Ärztestadt.
Doch im Stillen… Im tiefsten Inneren verachte ich sie alle und ihren ausgearteten Gesundheitswahn, in der Spirale von Massenimpfungen verstrickt.
Nur zu gut weiß ich jedoch, dass ich ihr Sklave bin, ein moderner Sklave dieser Stadt, einer wie sie, aus dieser Stadt stammend und nichts anderes als Stadt kennend. Ein Produkt dieser Stadt bin ich, ein Arzt, einer von vielen, von unzähligen Ärzten aus dieser Stadt, wo nur Ärzte das Sagen haben.
Mit diesem Tagebuch wage ich einen verbotenen Schritt, ein Risiko, außerhalb der Grenzen des Annehmbaren. Meine lebenslangen Erfahrungen in der Ärztestadt kann ich nicht mehr verdrängen, verblenden und vergessen – zu sehr belasten sie mich. Nur noch verarbeiten kann ich diese Erfahrungen in meiner Stadt.
Meine Stadt, als Nation und weltweite Impfquelle fungiert sie, es ist die Stadt, die ich von Geburt an kenne, liebe und hasse.
Seitdem ich mich als Individuum begreifen kann, wird in dieser Stadt geimpft. Viel wird in dieser Stadt geimpft, unbeschreiblich viel. Für mich ist dieser Alltag, unser Impfalltag mittlerweile ein Normalzustand.
Vor 100 Jahren wäre so etwas nicht der Fall gewesen. Während damals noch vor gängigen Krankheiten, wie Hepatitis, Tetanus oder Masern geimpft wurde, so wird heutzutage gegen alle erdenkbaren Krankheiten geimpft.
Es begann mit einem Virus. Vor 50 Jahren, als meine Mutter starb. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich erwachsen, im wörtlichen Sinne erwachsen, dass ich mich als Individuum, als ein unabhängiges Individuum begreifen konnte. Mit einem Virus begann der Impfalltag, der zu unserem allseitigen Gesundheitswahn wurde.
Der Tod meiner Mutter kennzeichnete den Wendepunkt in der Mentalitätsgeschichte meiner Stadt. Seit dem Tod meiner Mutter, zeitgleich mit dem Ausbruch der unsäglichen Virus-Pandemie, seit 50 Jahren wird täglich geimpft, gegen alle möglichen Krankheiten wird geimpft.
Seitdem sind die Menschen noch boshafter, beleidigender, diskriminierender, oberflächlicher, sportsüchtiger und gesundheitsliebender als je zuvor.
Seitdem hat sich nichts mehr verändert, seitdem hasse ich insgeheim die Bewohner dieser Stadt und ihren Gesundheitswahn, denn der Alptraum wohnt vor unserer eigenen Haustür, wir betreten ihn täglich mit Mund-Nasen-Schutz-Bedeckung, wenn wir rausgehen.
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