Liebe Leser,
Sucht wird nicht gern thematisiert. Das mag daran liegen, dass es viele Mythen gibt - aber auch, weil sich die Betroffenen schämen. Dabei gibt es nicht nur eine Abhängigkeit nach Alkohol oder Drogen, sondern auch nach Anerkennung und den neuen internetbasierten Medien.
Interessant ist dabei, welche Probleme die Sucht am Arbeitsplatz bringt und in welches Dilemma die Führungskräfte kommen. Durch ihre Fürsorgepflicht sind sie dazu verpflichtet, den Betroffenen zu helfen, aber wissen oft nicht, wie sie das anstellen sollen.
In diesem Buch soll ein Verständnis der verschiedenen Formen der Sucht für Beschäftigte, Kollegen und Vorgesetzte geschaffen werden. Es wird auf die unterschiedlichen Ausprägungen eingegangen und die Wirkung von Hormonen und Botenstoffen wird thematisiert. Jedoch bleibt das Buch ein Überblick. Vielmehr wird der Fokus auf die Möglichkeiten im Betrieblichen Gesundheitsmanagement gelegt, die Handlungspflicht der Vorgesetzten wird beleuchtet und es kann auch Angehörigen helfen, die Ursachen der Sucht zu erkennen.
Herzliche Grüße
Ihr Nico Biedermann
Süchte als Übersicht
Sucht - Was ist das eigentlich und welche Probleme gibt es?
Um über Sucht am Arbeitsplatz zu sprechen, stellt sich zuerst die Frage, um was es eigentlich geht.
Was ist Sucht?
Der Begriff umfasst verschiedene Facetten der Sucht, z. B. Alkoholsucht, Drogensucht und die Abhängigkeit von Medikamenten. Dabei handelt es sich jeweils um Stoffabhängigkeiten. Aber es gibt auch seelische Abhängigkeiten. Zu nennen sind dabei die Spielsucht, die Essstörungen (Ess- und Brechsucht, Fresssucht) und es wird auch von süchtigem Verhalten bzgl. Handy und Internet gesprochen. Das unter dem Namen FOMO bekannte Phänomen, stellt einen nicht gerade kleinen Anteil des Problems dar.
Alkohol- und Drogenkonsum sind die ersten Gedanken zum Thema Sucht. Aber es gibt weitere Ausprägungen. Hinzu kommen:
Tabak
Medikamente
Glücksspiel
Magersucht (Anorexia Nervosa)
Bulimia Nervosa (Ess-Brech-Sucht)
Fettsucht (Adipositas) und auch
Zucker
Die Schwierigkeiten durch Sucht
Die Probleme, die durch eine Sucht entstehen, liegen oft in erhöhten Unfallgefährdungen oder auch in der sozialen Isolation. Die Abhängigen bewegen sich zunehmend in einem sozialen Umfeld, in dem Sucht und Chaos öfter vorkommen. Dadurch fällt es schwer aus dem Hamsterrad auszubrechen und in ein normales Leben zurückzufinden. In der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht man davon aus, dass 10 % - 30 % der Arbeits- und Wegeunfälle durch Alkoholeinwirkung verursacht werden.
Suchtprävention am Arbeitsplatz und Unterstützung
Im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements ist die Suchtprophylaxe bzw. gezielte Unterstützung bzgl. der Therapie wichtig. Klare Absprachen machen es dem Arbeitgeber leichter in den Arbeitnehmer zu vertrauen. Wenn gegenseitige Vereinbarungen eingehalten werden, dann sieht der Arbeitgeber den Willen und gleichzeitig stärkt der Betroffene mit zunehmendem Therapieerfolg seinen Stand im Unternehmen. Abrutschen kann im Prinzip jeder, aber wieder aufstehen zeigt Stärke, Willen und schafft Vertrauen.
Im Normalfall, also bei einer gesunden Leber, wird eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille frühestens nach 8 Stunden vollständig abgebaut sein. Das Problem ist, dass sich die Betroffenen schon vor Ablauf der 8 Stunden fitter fühlen und dadurch der Alkoholspiegel falsch wahrgenommen wird. Weitere Zahlen:
Der volkswirtschaftliche Schaden durch Alkohol wird auf 57 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt
jährlich sterben ca. 74.000 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit Alkohol
1,6 Mio. Deutsche sind alkoholabhängig
jährlich konsumiert jeder Deutsche ca. 10 Liter reinen Alkohol
Was ist eine Co-Abhängigkeit?
Neben einer direkten Suchterkrankung spielt die Co-Abhängigkeit eine entscheidende Rolle im Krankheitsgeschehen. Denn die Probleme am Arbeitsplatz zeigen sich ebenfalls am Arbeitsplatz.
Co-Abhängigkeit heißt, dass Menschen aus dem Umfeld ebenfalls krank werden. Familie, Partner und Freunde von einem Suchtkranken wollen helfen. Sie beschützen und verteidigen die Betroffenen. Die Fassade darf nach außen hin nicht bröckeln. Es dreht sich alles nur um den Abhängigen. Der Versuch zu helfen scheitert. Der Strudel dreht sich schneller.
Das eigene Leben schwindet
Die Angehörigen haben kein eigenes Leben mehr. Soziale Kontakte werden gemieden: „ dem Erkrankten muss doch geholfen werden “. Tätigkeiten werden übernommen, Aufgaben erledigt. Alles mit den besten Absichten. Doch wer ist nun krank?
Co-Abhängigkeit: Abhängig vom Abhängigen
Wenn der Teufelskreis geschlossen ist, so brauchen die Helfer ebenfalls Hilfe. Sie sind co-abhängig. Abhängig von der Sucht des Betroffenen. Gut gemeinte Hilfe, unter Aufgabe des eigenen Lebens, verschlimmert die Situation und macht krank. Psychosomatische Beschwerden, Gedankenkreisen, Wut, Hilflosigkeit und Depressionen. Hilfe von außen ist nun wichtig!
Co-Abhängig am Arbeitsplatz
Was das bedeutet, kann sich ganz individuell zeigen. Stellen sich psychische Erkrankungen ein, kann auch hier Handlungsbedarf im Sinne der Arbeitssicherheit bzw. der betrieblichen Maßnahmen zum Gesundheitsmanagement gegeben sein. Jede Abhängigkeit sollte ernst genommen werden. Konzentrationsprobleme und Kontrollverlust sind erste Stichworte in dem Zusammenhang. Die Co-Abhängigen können die gleichen Symptome zeigen: Sie können übermüdet zur Arbeit erscheinen und eine eingeschränkte Konzentration an den Tag legen. Die Gedanken kreisen immer um die Fragen: „Wie kann ich helfen? Wieso bin ich so machtlos?“
Vorgesetzte, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind gefordert.
Serotonin
Botenstoffe im Gehirn - Was macht uns glücklich und was krank?
Wohlbefinden, gute Laune, Glücksgefühl und Motivation! Unter anderem werden diese Gefühle durch Botenstoffe und elektrische Impulse unserer Milliarden von Nervenzellen gesteuert. Die Motivation zur Arbeit zu gehen, oder als Chef etwas Gutes für die Mitarbeiter zu tun, kommt also von Nervenzellen und Botenstoffen. Allerdings sind diese Botenstoffe nicht nur für die positiven Effekte verantwortlich, sondern auch bei der Entstehung der Suchtkrankheiten von Bedeutung. Süchte, Depression und mangelnder Antrieb gehen auf ein Ungleichgewicht unseres Cocktails von elektrischen und chemischen Signalen zurück. Denn die Botenstoffe (auch Neurotransmitter genannt) stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu unserem Belohnungssystem. Schöne aber auch schlimme Erlebnisse bringen diesen Mix der vielen Stoffe kurz- oder auch langfristig durcheinander. Vier der im Volksmund bekanntesten Stoffe sollen nun vorgestellt werden.
Das Serotonin gibt uns Gelassenheit, das Bedürfnis nach Harmonie und Zufriedenheit. Ebenso steuert es unser Sättigungsgefühl und dämpft unangenehme Gefühle wie Angst, Kummer, Sorgen und Aggressionen. Ein Mangel zeigt sich unter anderem in Angststörungen, Depressionen und Zwangsstörungen. Wie auch beim Dopamin wirkt sich ein Zuviel an Serotonin überhaupt nicht gut für uns aus. In dem Fall leiden wir unter Unruhe, Angst, Erregtheit, Zittern und Muskelzucken. Unseren eigenen Serotoninspiegel können wir ankurbeln, indem wir uns ausreichend bewegen. Aber auch ein Stück Schokolade hebt die Stimmung, denn durch die Kohlenhydrate wird die Serotoninbildung im Gehirn beflügelt. Das ist ja das Problem bei den Süßigkeiten, denn auch von dem tollen Gefühl wollen wir viel haben. Also aufpassen, dass es nicht ausartet.
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