Es gab keinen Hunger, genug Arbeit, Kleidung und auch genügend Schulen im Land. Die Kirchen waren immer gut gefüllt und es gab schon lange keinen Krieg mehr. So flogen die Jahre dahin und über den einst jungen Harold senkten sich die Jahre, und mit ihnen die Leiden des Alters und der Einsamkeit. Doch, doch, er hatte einen großen Hofstaat, der auch immer für ihn und seine Wünsche da war, aber kann dieser die Liebe zweier Menschen zueinander Ersetzen. Als Harold diesmal, wie schon so oft zuvor, nach schwerer Krankheit langsam gesundete, hielt ihn eine so tiefe Melancholie gefangen, dass sogar seine vielen Minister keinen Rat mehr hatten. So wurde wieder ein Ritter gen Süden geschickt, in der Hoffnung, etwas zur Erbauung des müden Königs zu finden.
Rechtzeitig zum Geburtstag des Königs kehrte der Gesandte glücklich zum Hof zurück und übergab den aufgebrachten Ministern ein großes, von einem wundervollen Tuch, verhülltes Gebilde. Er meinte, das Wesen dahinter würde dem König bestimmt sehr gefallen, da es ebenso zart sei wie dieser. Das Fest wurde ein voller Erfolg und man sprach noch Jahre später, als Harold schon längst begraben und langsam vergessen wurde, davon. Harold trug, auf anraten seiner Minister prächtige Gewänder und als schließlich der verhüllte Käfig zu ihm getragen, und, unter musikalischer Begleitung, das prächtige Tuch gehoben wurde, ging ein Raunen durch den Saal. Sie alle hatten schon von diesen zarten, leuchtenden Wesen des Südens gehört aber keiner hatte je eins von ihnen gesehen.
Es war ein hübsches, kleines, weißes Elfenmädchen, das, völlig nackt, nur durch sein langes, weißes Haar bedeckt in einem großen, goldenen Käfig hockte und mit kaltem Blick die Anwesenden musterte. Sie erkannte recht schnell, das in Harold ihr Schlüssel zur Flucht steckte. Harold indessen war völlig von der kleinen Elfe verzaubert und wem im Reich verwunderte es. Etwas wie dieses kleine, hübsche Ding hatte es noch nie hier gegeben. Am Abend ließ er den Käfig in seine Gemächer tragen und damit begann das Ende von Harolds Herrschaft. Sie war ein gerissenes kleines Ding und so dauerte es nicht lang, bis der kleine, alte, einsame König ihr völlig verfallen war. Sie lockte, sie gurrte, sie berührte ihn, und bewegte sich dabei auf ganz bestimmten Arten und machte Harold so halb wahnsinnig vor verlangen nach ihr. Es verging nicht viel Zeit bis Harold sie zum ersten Mal aus ihrem Gefängnis entlies und sie ihm zu Willen war. Sie hasste den alten König, der in ihr fand wonach ihm immer schon dürstete. Dennoch verführte sie ihn weiter und Harold, völlig von ihrer zarten Schönheit geblendet, genoss ihre Wonnen immer zügelloser und unbefangener. Bei ihr war er der, der er immer schon sein wollte, groß, stark und mit jedem Mal, da er in sie stieß, wuchs er weiter.
Doch die Machenschaften im königlichen Schlafgemach blieben nicht lange unbemerkt, und die Zofen begannen als erste hinter vorgehaltener Hand zu flüstern. Schließlich wurde aus dem ständigen Geflüster schnell Gerede. Die Kirche erfuhr, dass der König nicht nur an der Betrachtung seiner Elfe vergnügen fand, sondern vielmehr noch dabei war, seien königlichen Samen im Bauch einer Hündin zu pflanzen. Auf das Vermischen zweier Rassen stand bei den Menschen jener Tage der Tod durch die Verbrennung und so war das Schicksal des Königs, bevor er auch nur etwas davon ahnte, bereits Besiegelt. Als er wieder einmal ihre Freuden genoss, wurde kurzerhand sein Schlafgemach gestürmt, er verhaftet, danach von der Kirche des Verrates am Volke angeklagt und fast augenblicklich für schuldig befunden. Das kleine Elfenmädchen konnte im Tumult bei ihrer Entdeckung gerade noch fliehen und war schon weit vom Schloss entfernt, als Harolds Kopf, nach reichlicher Überlegung seitens des Bischoffs, ins Sägemehl unter dem Henkersblock fiel. Die Verbrennung eines Mitgliedes des Königshauses war zu dieser Zeit noch undenkbar. Aber auch dieser Brauch würde unter dem Einfluss der Kirche bald schwinden.
Sie schickten danach Ritter aus, die nach der Elfe suchten, aber gefunden haben sie das kleine, kalte Geschöpf nie. Da Harolds Reich nun ohne Herrscher war, wurde seitens der Kirche beschlossen das Königreich an einen der entfernten Verwandten des ehemaligen Königs zu übergeben. Das Volk, das einst den kleinen, zarten Harold geliebt hatte, verfluchte diesen jetzt und bejubelte später den neuen Herrscher.
Sie wollte heim, zu ihrem Volke, kam dabei aber nur langsam voran, des neuen Lebens wegen, das unter ihrem Herzen wuchs. Sie hasste es, wie sie den Verursacher gehasst hatte und versuchte, mit allen ihr bekannten Mitteln, zu töten was immer dort in ihr heranreifte. Dies gelang ihr nicht und so schwoll im Verlauf der nächsten Wochen ihr Bauch und behinderte sie sehr auf ihren Heimweg.
Ihre Schwangerschaft dauerte nur kurz, bei ihrem Volk völlig normal, und sie war immer noch in einem der verzauberten Wälder des Nordens, als sie sich hinhockte und ein kleines, weißes Mädchen gebar. Da dieses nicht ihre erste Geburt war, ging alles entsprechend schnell und problemlos. Sie hatte zudem keine Hemmungen, den Säugling dort zu belassen, wo er aus ihr herausgeglitten war. Mit Hass dachte sie an Harold, der sich an ihr vergnügt hatte, sie gezwungen hatte, ihm zu Willen zu sein, und sie betrachtete das kleine, weiße Mädchen kalt und mit Verachtung. Sie peinigte die Kleine ein wenig mit einem Stöckchen, wurde dessen aber bald überdrüssig, und setzte unbeirrt ihre Reise nach Süden fort. Dem Säugling würdigte sie keinen Gedanken mehr.
Danach wurde ihr jedoch auch kein langes Leben mehr vergönnt. Sie hatte ihr Ziel fast erreicht, als Jäger sie in den Wäldern unter einem Baum schlafend vorfanden, sie einfingen, fesselten und in deren Lager brachten. Dort vergingen sie sich viele Nächte an ihr. Sie waren schon lange von ihren Frauen getrennt, und es bereitete ihnen Vergnügen dieses stolze, harte und schöne Wesen zu demütigen. Doch als sie schließlich ihrer überdrüssig wurden, beendeten sie rasch ihr Leben und vergruben sie unter einer alten Eiche.
Begegnungen
Er erhob sich, lauschend des fernen Geheuls und wandte sich dem Eingang der kleinen Höhle zu. Die fortschreitende Dämmerung ließ draußen alles wie im Zwielicht erscheinen. Er gehörte dem Volk der geflügelten Prinzen an, groß und kraftvoll. Er hatte langes, schwarzes Haar, eine sonnengebräunte, glatte Haut und dieses schöne Gesicht, das allen seines Volkes zuteil war.
Auf diesem lag nun der goldene Schein des kleinen Feuers, das die Höhle sanft erhellte.
Trotz des harten Winters bestand seine Kleidung aus eher dünnem, schwarzem Leder und er hielt seine ledernden, braunen Flügel halbgeöffnet vom Körper ab. Er trug nur wenige Felle und Taschen mit sich, obwohl seine Reise schon lange Jahre andauerte und noch lange nicht beendet war.
Draußen, vor der Höhle, tobte über dem Tal ein fürchterlicher Schneesturm und Raven verspürte nicht die geringste Lust diese zu verlassen, auch wenn ein Rudel Wölfe vielleicht eine warme Mahlzeit versprach.
„Nein, meine Brüder, heute abend ohne mich,“ flüsterte er in den Wind, der in die warme Höhle wehte und ihm Schneeflocken ins Gesicht trieb. Im Umdrehen hörte er wieder ihr Heulen, voller Hunger, aber auch voller Furcht. Ihre Rufe hallten in seiner Seele noch lange nach und er fühlte sich ihnen in ihrer Einsamkeit sehr verbunden. Hatte er doch als junger Mann seine Heimat verlassen, von einer tiefen Sehnsucht getrieben und reiste seitdem durch die Welt, immer auf der Suche nach etwas, dass er nie gefunden hatte. Nun kehrte er Heim von einer jahredauernden Suche und verspürte einen Schmerz, der so tief, so fest in seinem Innern saß, das ihn manchmal Angst vor seiner Zukunft beschlich. Angst vor einer einsamen, vor einer stillen Zeit und ihm wurde klar, dass sie derselbe Hunger nach Liebe und Vertrauen trieb. Nun, dachte er, das Wild ist fort, schon vor dem Winter in tiefere Täler gezogen, also entweder ein schlaftunkender Bär oder ein sehr, sehr dummer Mensch. Ein Bär hatte von ein paar klapprigen Wölfen nichts zu befürchten und ein Mensch? Sei es drum. Raven, Sohn seines Volkes, verachtete die Menschen ebenso sehr wie diese ihn und er würde nie einem Feind helfen. Dennoch, etwas ließ ihn einhalten. Es war ein sonderbares Gefühl, ein starker Drang, der Sache auf den Grund gehen zu müssen. Er trat in die schneedurchtoste Dunkelheit auf das Plateau vor der Höhle, und schwang sich, Kontrolle über seine Flügel suchend, in den Wind empor.
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