„Du bist so jung und so schön, aber ich bin kein Narr wie Raven und alle anderen. Mich kannst du nicht blenden.“ Sie schrak herum und sah mit Angst und totalem Unverständnis zu ihm auf. Dieser packte ihren Arm und drückte mit Macht zu, hielt sie mit eiserner Hand fest. So sehr sie sich auch wand, sie konnte sich diesem starken Griff nicht entziehen.
„Du bist ein verfluchtes Menschenkind,“ spie er ihr entgegen, „nichts Besonderes oder Ungewöhnliches wie die alle glauben.“ Dabei nickte er wütend und voller Abscheu zum Lager.
„Du kannst Zaubern, sicher, sonst wüssten diese Narren ja auch welche Schlange sich an ihrer Brust nährt.“ Sie wollte fort, doch er hielt sich immer noch mit aller Macht fest.
„Bei mir wirkt dein Zauber nicht. Und, sei dir dessen stets bewusst, ich werde dich im Auge behalten, Hündin, und beim kleinsten Anzeichen das du irgendeine sonderbare Macht über meine Familie gewinnst, werde ich kommen und dich mit Vergnügen aus der Welt wischen.“ Damit ließ er sie jetzt los und sie rannte, so schnell sie konnte, zu Raven, den sie inmitten des Lagers stehen und mit einem der Männer reden sah. Ja, dachte Karak voller Abscheu, renne nur schnell zu deinem Beschützer, ich kann warten. Heute abend erreichen wir Avalla und dort bietet sich genügend Gelegenheit dir das zu geben was du verdienst. Kalt lächelnd betrat er wieder das Lager und begann seinen Brüdern beim Packen zu helfen. Alina erreichte Raven und fiel außer Atem neben ihm auf die Knie. Besorgt beugte er sich nieder und hob sie wieder hoch. Blass blickte sie zu ihm hoch.
„Kleine Fee, was ist mit dir, du siehst aus als wäre der Teufel hinter dir her.“
„Ich glaube nicht das der Teufel hinter ihr her ist,“ sagte der Rothaarige, mit dem er zuvor gesprochen hatte, „sondern mein Bruder Karak.“ Raven blickte über das Lager und entdeckte den Gemeinten beim verstauen seiner Schlaffelle. Sie sah zum Sprechendem auf und drückte sich ängstlich an Raven. Der Rothaarige sah aber nur zärtlich auf sie nieder.
„Ich heiße Ramahl, du hast von mir nichts zu befürchten, nicht alle von uns sind wie jagende Wölfe, glaub mir.“ Er berührte danach Raven sacht an dessen Schulter.
„Ich werde mal sehen, was mit ihm los ist. Haltet euch trotzdem etwas von ihm fern, er ist in letzter Zeit etwas Komisch geworden.“ Damit ging Ramahl durchs Lager auf Karak zu. Raven sah leicht verwirrt auf Alina nieder, wusste nicht so recht was er von alledem halten sollte.
„Du bleibst von jetzt an immer in meiner Nähe, denn, auch wenn ich jemanden lange zu kennen glaube, so kann ich doch nicht in seine Seele blicken.“ Alina sah zu ihm auf und nickte, niemals wieder würde sie von seiner Seite weichen, auch in seiner Welt lauerte überall Gefahr. Sie packten gemeinsam ihre Sachen zusammen um dann, mit dem Dragon und seinen Söhnen in den jungen Morgen nach Avalla zu fliegen.
Es war schon Mittag als Ramahl im Flug zu ihnen aufschloss und beide besorgt ansah.
„Ich habe versucht, mit Karak zu reden, doch es war fast unmöglich. Er sagte etwas in der Art wie, wir alle seien verzaubert und nur er kenne den Weg uns zu befreien, lauter solch ein Zeug.“
Raven spürte, dass Alina an seiner Brust leise nickte, und dabei zitterte.
„Ich habe schon mit Vater gesprochen und er hat Saalem,“ er deutete auf einen großen, blonden Mann, „gebeten, ihn etwas im Auge zu behalten. Doch seid versichert, dass wir alle auf euch achtgeben werden.“ Er entfernte sich wieder, doch schon kurze Zeit später ließ sich der Dragon sich im Fluge etwas zurückfallen um mit ihnen zu sprechen.
„Es hat mich betrübt zu erfahren, das einer meiner Söhne ein schlechtes Bild von euch hat. Nun, wie ihr sicher schon wisst, wird Saalem einen wachsamen Blick auf ihn haben und ich werde nach unserer Rückkehr selbst ein ernstes Wort mit Karak wechseln müssen. Dennoch, der Rest dieses wilden Haufens ist froh und glücklich das ihr uns begleitet und kann den Abend kaum erwarten, an dem ihr uns eure Geschichten erzählen werdet.“ Als der Dragon wieder fort war meinte Raven lachend zu Alina,
„Nun, wer, meinst du, wird den Abend wohl am meisten herbeisehnen?“ Alina amte daraufhin den Dragon nach und beide mussten sehr lachen.
Sie flogen über einen langen, hohen Felsgrad und der sonderbare Geruch, den Alina schon seit geraumer Zeit in der Nase hatte, wurde immer stärker. Salzig und würzig lag er schwer in der sanft vom Wind bewegten Luft. Dann plötzlich fiel der Felsgrad steil in die Tiefe ab und unter ihnen erstreckte sich die dunkle, in der Abendsonne glitzernde See, die kraftvoll gegen die schroffe Küste brandete. Hoch türmten sich die Felsen über den dünnen streifen Strand, der vor ihm lag und der mächtig von der Brandung überspült wurde. Noch ganz verzaubert vom Anblick der sich ihr hier bot, hörte sie Ravens Stimme kaum.
„Sieh nach oben, kleine Fee, dort liegt Avalla.“ Sie tat wie geheißen und hielt unwillkürlich die Luft an. Avalla trohnte hoch auf der Spitze einer schmalen Landzunge, die ständig vom Meer umtost wurde. Es war ein Schloss wie kein anderes. Es hatte viele schmale, hohe Türme an denen bunte Fahnen fröhlich im Wind flatterten. Der Schlosshof wurde von vielen Gebäuden eingerahmt, die sich wie schutzsuchend an die dicken, das ganze Schloss umgebenden Mauern schmiegten. Das Haupthaus stand zentral hinter dem Hof, und dahinter konnte Alina kleine Gärten ausmachen, die aber, wie auch der Rest des Gemäuers, von hohen Mauern umgeben waren. Alle Gebäude waren mit breiten, ebenfalls bunten Stoffen geschmückt und die Dächer glänzten matt und rot in der untergehenden Sonne. Das ganze Schloss leuchtete in dieser wie in ein strahlendes Gold getaucht. So etwas Schönes hatte Alina noch niemals gesehen. Dann erklang noch ein tiefer, hohlklingender Ton, dem sich noch viele weitere anschlossen und Alina versank förmlich im gesehenem.
„Das sind Rinderhörner, in die sie blasen und so diese Töne erzeugen,“ erklärte Raven ihr, „sie begrüßen uns. Es ist wunderschön, nicht war?“ Sie nickte, völlig ergriffen. Raven sah schon aus weiter Entfernung die vielen Geflügelten, die den Schlosshof jetzt belebten, Männer, Frauen und viele Kinder erwarteten voller Ungeduld und Freude die Heimkehrer. Alina bekam wieder etwas Angst, es waren so viele und sie waren dabei auch noch so laut. Sie kannte das alles nicht und klammerte sich verzweifelt an Raven. Langsam glitt die Gruppe näher und Raven hielt Alina fest in seinen Armen. Sie landeten in mitten dieser und wurden sofort von einem lärmenden Pulk umschlossen. Alina hielt sich mit beiden Händen krampfhaft ihre Ohren zu und versuchte verzweifelt sich unter Ravens Arm zu verstecken. Dieser hielt sie fest und beruhigend an sich gedrückt. Ihm war nach seiner langen Einsamkeit auch nicht ganz wohl in dieser Menge. Doch dann erhob sich wieder des Dragons kräftige Stimme und die Menge verstummte langsam.
„Bitte, habt doch noch etwas Geduld.“ Seine Stimme erklang tief und volltönend.
„Wir sind wieder hier und haben auch liebe Gäste mitgebracht. Mein Neffe Raven wird einigen von euch sicher noch bekannt sein, doch seiner kleinen Gefährtin sind solche Versammlungen fremd und deshalb möchte ich euch bitten, jetzt die Vorbereitungen für unser gemeinsames Mahl zu treffen. Ich bin mir sicher, das Raven uns danach von seinen Reisen berichten wird.“ Die Menge wurde ruhig, aber zerstreute sich nur langsam. Neugierige Blicke wurden zu ihm und Alina geworfen, doch der Dragon blickte sich nur böse um und wandte sich danach wieder ihnen zu.
„Kommt, Freunde, begleitet mich in mein Haus, das nun auch euer ist.“ Sagte dieser nun ruhig und mit einer einladenden Geste zum Haupthaus und sie folgten den Dragon ins innere, begleitet vom hasserfüllten Blick Karaks, der etwas abseitsstand.
Читать дальше