Romeo zuckt mit den Achseln. »Möchtest du dich gar nicht ins Bett legen?«
»Nein.«
Seine Miene bleibt hart. »Tu es.«
»Nein!«
Seine Körperspannung verändert sich und er steht auf. Als er im Begriff ist, um das Bett herumzukommen, lege ich mich hin.
»Zufrieden?«, zische ich.
»Ja«, entgegnet er nur und setzt sich wieder auf die andere Bettseite. Gelassen verschränkt er die Hände in seinem Schoß und betrachtet mich. »Mir ist eine Frau lieber als mehrere. Das ist einfacher.«
»Einfacher? Für wen?«
»Für uns alle?«, fragt er verständnislos.
»Kannst du bitte so mit mir sprechen, dass ich dich verstehe?«
Er schmunzelt und sagt für eine ganze Weile nichts mehr, bis er sich plötzlich neben mich legt. Auf Distanz und doch so nah, die Hände auf dem Bauch verschränkt, den Blick zur Himmelbettdecke gerichtet. »Sie alle mögen dich, Weaver. Jeder auf seine Art. Und das ist mir wesentlich lieber, als wenn vier Frauen mit ihren unterschiedlichen, jämmerlichen, unwichtigen Dingen um mich herum wären …«
»Da, du hast es gesagt!« Ich schrecke hoch. »Vier! Reece und Zayn sind Zwillinge, stimmt’s?«
Romeo betrachtet mich voller Mitleid. »Ich habe mich selbst mitgezählt.«
»Aber du hast keine Freundin.«
»Das kann sich jeden Tag ändern. Leg dich wieder hin.«
Ich stöhne auf, lege mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. »Wie lange wirst du jetzt hierbleiben?«
»Bis du schläfst.«
»Toll. Das wird nicht passieren, weil du mich viel zu sehr aufregst.«
»Ganz meinerseits. Wir werden wohl die Nacht aufbleiben müssen.«
»Und was genau hast du gegen mich?«, fahre ich ihn an. »Ich könnte dir doch einfach egal sein. Stattdessen scheinst du mich zu hassen.«
Romeo sieht mich sehr lange an, bevor er wieder zur Decke sieht. »Ich hasse dich nicht. Du würdest spüren, wenn ich das tue.«
Ich verdrehe die Augen.
»Rachel wird nie wieder ein normales Leben führen können.« Es scheint, als würde er mit sich selbst reden, aber ich weiß, dass er versucht, mir etwas mitzuteilen. »Und es hat nur wenige Minuten gebraucht, um ihr Leben zu zerstören. Von einer Studentin in Kingston zu einer Kriminellen ohne Würde.«
»Warum erzählst du mir das?«
»Weil es dir jederzeit auch passieren kann. Ein falscher Atemzug und du wirst gesellschaftlich erhängt.«
Ich ziehe die Decke bis zu meinem Kinn.
Wieder füllt Stille den Raum, bevor Romeo sich zu mir umdreht. Seine grauen Augen leuchten klar, und zum ersten Mal wird mir die Schönheit bewusst, die von ihm ausgeht. Sie ist so ganz anders als die der Kings. Verborgener, weniger offensichtlich. Aber auch er verkörpert eine Energie, die ich von niemandem sonst kenne. Außer vielleicht von Vance.
Er öffnet den Mund, schließt ihn wieder und wirkt verblüfft. »Wie genau funktioniert das? Magst du sie alle … gleichzeitig auf dieselbe Art?«
Ich hebe unter der Decke die Schultern.
»Willst du, dass ich dir mehr zu ihnen erzähle, oder wollen wir weiter schweigen?«, fragt er verärgert. »Dann antworte.«
»Ja, ich hasse sie alle circa gleich viel!«
»Weswegen du Jaxon sagst, du hättest dich in ihn verliebt«, wendet er spöttisch ein.
Natürlich weiß er bereits davon. Vance hat nicht gelogen; die Kings hören sich gegenseitig ab. Oder erzählen sich alles, was auf dasselbe hinausläuft.
»Was ich gesagt habe oder nicht, ändert nichts daran, dass ich keinem von ihnen vertraue. Jedenfalls nicht über die Zuversicht hinaus, dass sie mich nicht vergewaltigen würden. Glaube ich.«
»Wenn sie es täten, fändest du es sicher nicht besonders schlimm, hm?« Er grinst mich freudlos an. »Aber du wirst schon betteln müssen, damit sie sich dir nähern.«
»Mag sein«, antworte ich nur.
»Was ist, wenn ich die Macht hätte, Sylvian dazu zu bringen, sich von Harper zu trennen, zu bereuen und mit dir zusammen zu sein. Würdest du ihn wählen?«
»Nein!«, keuche ich sofort. Allein der Gedanke an Sylvian ist quälend …
»In ihn bist du also … nicht ›verliebt‹?«
Mein Herz schlägt kräftig, und ich schüttle den Kopf, auch wenn es eine glatte Lüge ist. Meine Gefühle für Sylvian sind genauso verrückt, schmerzhaft und stark wie die für Jaxon. Wie er mich in der Umkleide gepackt hat … Das alles, was ich fühle, spürt man nicht bei normalem Sex. Oder?
»Und Reece?«
Ich denke an Reece und lasse erneut den Gedanken zu, dass es eine freundliche Version namens Reece gibt und eine, die mich nicht mag, namens Zayn. Allein die Möglichkeit, dass Zayn mit Rachel geschlafen hat und nicht Reece, lässt mein Herz schmerzhaft pochen, und ich würde am liebsten sofort zu ihm gehen, ihn zur Rede stellen, die Wahrheit erfahren und ihn … küssen. Vielleicht war er nie dabei. Nicht beim Pokerabend, als mir ein Bein gestellt wurde, nicht im Hörsaal, als Jaxon mich vertrieben hat. Vielleicht war er nie ein Teil von allem. Hoffnung durchströmt mich und ich bin mit einem Mal wieder hellwach.
»Reece also auch«, stellt Romeo nüchtern fest.
»Wenn er nicht Zayn ist, scheint er ganz freundlich zu sein …«
Romeo lacht, dieses Mal richtig, dann streckt er die Hand zur Nachttischlampe aus und löscht das Licht. »Schlaf jetzt.«
Ich drehe mich auf die Seite, weg von ihm. Zwar ist mein Kopf voller Mutmaßungen und wirrer Gedanken, aber die Dunkelheit lässt mich meine Erschöpfung spüren. Als ich den letzten bewussten Atemzug nehme, muss ich daran denken, dass ich in Jaxons Bett liege.
Und dieser Ort fühlt sich richtiger für mich an, als er es jemals dürfte.
Vier
Romeo
T ick. Tick. Tick.
Meine Armbanduhr ist das einzige Geräusch im Raum. Nicht einmal Mables Atem ist zu hören. Ich warte, bis ich mir sicher sein kann, dass sie schläft, dann stehe ich auf. Wie ein Schatten bewege ich mich durch Jaxons Zimmer und werfe einen Blick zurück auf die Frau, die er momentan als sein größtes Opfer auserkoren hat.
Leere erfüllt mich bei dem Gedanken, dass er sie früher oder später genau hier ficken wird. In seinem Bett, zwischen den weißen Laken. Er wird sie für seine Pläne nutzen wie alle anderen vor ihr. Es widert mich an, ihr wieder und wieder das Gefühl zu geben, es wäre anders. Nicht, weil ich Amabelle Weaver mag. Gott bewahre. Es ist nach dem x-ten Mal einfach langweilig.
Ich könnte wesentlich wichtigere Dinge tun.
Mich Größerem widmen.
Stattdessen liege ich neben einem verliebten, blutjungen Ding im Bett und merke allein an ihren Blicken, dass sie mir bereits jetzt mehr vertraut als allen anderen Kings. Sie ist so blind und naiv, dass ich Lust verspüre, genau jetzt, während sie schläft, an ihr Bett heranzutreten, meine Hand um ihre Kehle zu legen und so lange zuzudrücken, bis sie endlich kapiert, was und wer wir wirklich sind.
Wer ich wirklich bin.
Was ich wirklich über Amabelle Weaver denke, halte ich allerdings verschlossen. Jaxon verlässt sich auf mich, und ich werde tun, was immer nötig ist, um seine Position zu stärken. Nicht nur, weil es klug ist, sich in dem Dunstkreis zukünftiger Zirkelmitglieder zu bewegen. Ich wünschte, das wäre der einzige Grund. Das würde mich alles, was geschieht, noch pragmatischer sehen lassen.
Stattdessen geht es mir um mehr.
Und das macht mich angreifbar. Niemand darf meinen wahren Schwachpunkt aufdecken. Zum Glück sind bisher alle Menschen, die mich umgeben, meilenweit davon entfernt.
Aus meinem Zimmer hole ich festes Schuhwerk und Kleidung, einen Rucksack, den ich nur zu besonderen Anlässen hervorkrame, und laufe in der Dunkelheit zu der Kapelle.
Читать дальше