unverständliches doch dann…
„Ich habe dir schon letztes Jahr gesagt, das liegt nicht an den Birnchen, das sind die Kontakte dieser Kerzen. War bescheuert, batteriebetriebene Kerzen anzuschaffen. Weißt du überhaupt, wie umweltbelastend die fünfzig Batterien sind?“ Und während er sich Butter auf sein Brötchen schmiert… „Zink, Mangan, Blei. Weiß der Geier, was noch alles in denen steckt und alles nur für ein paar Tage im künstlichen Kerzenschein. Und dein Baum… Warum gehen wir nicht zusammen auf den Markt und kaufen uns wie früher, bei Kerzenschein, Punsch, händchenhaltend und bei stimmungsvoller Weihnachtsmusik, einen ganz normalen Tannenbaum? Einen Baum, der nach Tannen riecht, nicht nach Plastik.“ Er beißt in sein Brötchen und mit vollem Mund…
„Jedes Jahr muss ich die Zweige mit der Zange zurechtbiegen, damit er überhaupt noch seine Richtung hält.“
Hilde kann das immer noch sehr gut. Sie hat diesen Blick in ihren Augen und zieht dabei, wie immer, die Augenlider zu einem kleinen, winzigen Spalt zusammen. Wie eine Wildkatze, nur mit dem Fauchen, das hat noch nie geklappt. Früher hatte Gottfried es gerne, wenn sie die Augen zusammenzog, es machte sie irgendwie, ungeheuer sexy. Heute macht es sie nur noch, ja eigentlich nur noch.
Hilde: „Na gut, dann kaufe ich noch dieses Spray mit Tannenduft. Dann hast du auch deinen Duft von Weihnachten im Haus und alles ist bestens.“
Man kann es schlecht sehen, schaut man aber ganz genau, so hat es den Anschein, dass Gottfrieds Hals immer dicker wird und seine Adern leicht hervorquellen.
Josef grinst, nimmt einen Schluck Kaffee.
„Na ja, wenn Mama gegen die Nadeln eine Allergie hat, mich stört es nicht, hab mich an den Kunststoff gewöhnt.“
Gottfried wird das zu viel und wechselt das Thema.
„Was ist überhaupt mit deinem Auto? Hab’s draußen nicht gesehen.“
„Steht bei Paul in der Einfahrt, er muss jeden Moment kommen. Wir wollen die Liste erstellen, was noch alles am Bulli fehlt. Er will kalkulieren, wie viel er noch hineinstecken muss, damit der Schrott auf Rädern wieder läuft.“
Gottfried: „Und was ist mit deinem Urlaub? Wann machst du die letzte Schicht? Ich dachte, ihr wolltet zusammen nach Österreich wegen Skiurlaub?“
Gottfried kippt einen Schuss Milch in seinen Kaffee …
Josef: „Ich nicht! Anna, Sarah und Felix fahren Ende Januar zum Skifahren. Wir bleiben hier, wollten eigentlich im Sommerurlaub mit dem Bulli nach Kalabrien, wenn er läuft.“
„Na, da habt ihr euch ja was vorgenommen, ich bin gespannt, ob ihr das auf die Reihe bekommt.“
Gottfried reibt sich die Hände…
„Ich habe gesehen, dass Sarah oft hier ist. Sie ist eine sehr charmante, freundlich junge Dame. Sehr gebildet und schaut dazu noch recht gut aus. “
Hilde schaut zu Gottfried und weiß gar nicht so recht, was jetzt kommt und verschanzt sich vorsichtshalber hinter der Kaffee Tasse.
„Was arbeitet sie noch beruflich?“
„Sie ist in der Buchhaltung der Klinik tätig. Was sie dort genau macht, weiß ich nicht. Wir haben nie darüber geredet. Warum fragst du?“
„Och…, ich dachte nur so. Anstatt den Single Club weiterzuführen, ihr würdet bestimmt ein schönes Paar abgegeben…“
Josef grinst, streckt sich noch einmal…
„Sarah ist ein Kumpel, nichts weiter. Wir kennen uns praktisch aus dem Kindergarten und wir sehen uns fast täglich. Aber ich sag‘ dir was, wenn ich eine Freundin finde, du bist der Erste, der es erfährt.“
Gottfried: „Ich wusste gar nicht, dass die Pubertät heute so lange anhält. Aber vergiss eines nicht!“
„Was?“
„Das Christkind legt dir keine blonde, wie sagt man noch… Gummipuppe unter den Tannenbaum!“
Hilde: „GOTTFRIED, WIE KANNST DU NUR!“
Gottfried: „Ist doch nur Spaß und ein Pfeffer versteht doch Spaß, was Junge?“
KAPITEL 3
GARAGE, DIE ERSTE
Der Bulli ist aufgebockt und Paul ist damit beschäftigt, die Radschrauben mit der Ratsche zu lösen. Die Schrauben sind fest und verrostet.
Josef kniet direkt neben Paul und schaut die Misere mit an. Nach einigen missglückten Versuchen, rinnen Paul die ersten Schweißperlen von der Stirn.
Dass Sarah und Anna durch die hintere Seitentür der Garage kamen und abseits im Hintergrund stehen, haben die beiden nicht bemerkt. Sie WITZELN und KICHERN etwas und schauen dabei gespannt zu.
PAUL hat die Nase voll. Die Schrauben der Felgen sind so fest, wie verschweißt – und alle Bemühungen sie zu lösen, scheinen unmöglich…
„Verdammter Scheiß! Ich würde nur gerne wissen, welcher schwanzlose, hirnverbrannte Vollgasidiot die Dinger angezogen hat.“
Er nimmt die Rohrverlängerung zur Hand, stülpt sie über die Ratsche und zerrt mit beiden Händen verbissen an dem Teil. Der Bulli wackelt gewaltig auf dem Bock, es quietscht und knarrt, aber nichts, keinen Millimeter bewegt sich die Schraube. Jetzt stellt sich Paul mit den Füßen auf die Verlängerung, hält sich am Dach vom Bulli mit den Händen fest und federt etwas nach …
„Jetzt muss die verdammte Schraube doch abgehen!“ Er schnauft wie ein Walross, ist wütend. Josef ahnt was da gleich geschieht, wenn Paul so weitermacht…
„Man Paul! Nach Fest kommt ab, die reißt! Jetzt lass mal Papa ran, ich zeige dir, wie das geht. Du hast doch den Rostlöser darauf?“
Paul: „Die sind schon eine ganze Woche nass!“
„Hm, dann geht es nur noch mit roher Gewalt und Schock aus meiner Trickkiste. Gib mir mal den Hammer und Flachmeißel, jetzt werden wir dem ein Ende setzen.“
Josef nimmt Meißel und Hammer – setzt den Meißel auf die Kante der Schraube und schlägt mit dem Hammer gezielte Schläge. Die Schraube löst sich. Josef schaut sich die anderen Schrauben der Felgen an.
„Wenn die anderen Schrauben auch so fest sind, würde ich sagen, hast du die Woche viel Arbeit und ’ne schöne dicke Arschkarte!“
PAUL: „Das ist wurscht, die müssen runter… Ich überlege gerade, wie ich den ganzen Mist bezahlen soll.“
Anna und Sarah kommen klatschend aus der Ecke.
Sarah: „Oh wie ich das Liebe! Starke Kerle in ölverschmierten Overalls. Es verleiht euch diesen gewissen Kick im Manne. Euch könnte ich mir gut in der Kalenderkollektion vorstellen - von Januar bis Dezember, jeden Monat ein Bild, braungebrannter Sinnlichkeit.“ Sie geht entlang dem Bulli und gleitet mit der Hand über den Lack… „Oberkörper frei mit Aussicht auf euren Sixpack, mit Brechstange und Hammer bewaffnet, wäre das verdammt heiß.“
Sarah würde es nicht preisgeben, aber sie mag diese ungezügelte raue Art von Paul. Wenn er mit seinen Kraftausdrücken, Gottes liebliche Kinder in Grund und Boden stampft, pulverisiert.
Josef stützt seine Hände in die Taille, vertieft in Gedanken, dreht sich zu den Frauen.
„Na ihr Hühner, was macht der Hormonspiegel? Hat Paul wieder den Stall offengelassen, dass ihr hier herumstolziert und gackert? Das Einzige, was hier heiß ist, kommt aus dem Brenner, wenn er mal funktioniert. Und dein Sixpack, ich kenne nur ein Sixpack und das steht als braunes Bündel im Kühlschrank bei Krämer an der Tanke.“
Josef reibt Öl von den Händen und betrachtet die Ersatzteilliste an der Wand.
„Ihr hättet ja eins mitbringen können oder zwei! Und wenn ihr nichts weiter vorhabt, Paul hat bestimmt noch einige Overalls im Schrank, der steht euch bestimmt auch gut… Ihr könntet schon mal beginnen, den Innenraum zu saugen…“
Anna: „Eigentlich sind wir nur gekommen, um euch heute Abend einzuladen, es gibt Spagetti – und wir können über die Party reden, Daniel hat seinen Vater bekniet, dass er uns ausnahmsweise seinen Partyraum für Silvester überlässt.“
Paul ist irritiert, denn abgemacht, war etwas ganz anderes: „Warte mal! Wir hatten doch letzte Woche schon ausgemacht, dass wir Silvester ins Pub gehen. Ich habe den Tisch für uns reserviert! Was denkst du, wird Hannes sagen, wenn ich jetzt wieder abspringe?“
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