Liz, Jays Schwester, hatte noch vor paar Sekunden an der Tür zu Jays Zimmer angeklopft, damit wir beide, Jay und ich, erfuhren, dass meine Eltern gerade in die Schattenheide eingebogen waren.
Die Schattenheide ist die mehr als nur bekannte Straße der Vampire, obwohl Menschen nicht an Vampire glauben, haben sie immer unter vorgehaltener Hand jeden davor gewarnt ein Fuß auf diese Straße zu setzen. Speziell, wenn es im Morgengrauen oder in der Nacht ist. Das hat mich aber auch nicht daran gehindert.
Ein Klopf, klopf und schon mussten wir aufstehen. Wir waren zwar schon etwas länger auf, aber jetzt mussten wir tatsächlich runter gehen. Das war alles, was ich gerade im Moment nicht wollte. Doch wir standen auf und gingen in aus Jays Zimmer in den Flur im ersten Stock. Doch, bevor wir über eine wunderschöne altertümliche Wendeltreppe aus Kirschholz hinuntergehen, setze mich auf einem Sofa, der im Flur steht, als wäre er genau aus diesem Grund genau da, damit ich etwas Abstand zu Jays Zimmer habe und doch noch nah genug bin. Das nennt sich wohl Ironie. So nah und doch so fern. Ich versuche nochmal an alles zu denken, was mir in den letzten Stunden passiert ist. Ich konnte nur froh sein, dass ich immer noch hier bin und das auch noch mit Jay.
Und nun stehe ich hier an so nah an der Treppe, die von Jays Zimmer zum Erdgeschoss und zu meinen Eltern bringen wird, die wohlgemerkt noch nichts wissen und es auch nicht wissen dürfen.
Ich die neugebackene Vampyr.
Jetzt fängt meine Geschichte wirklich an.
Wie werde ich das nur bloß überstehen?
Na, hoffentlich unversehrt.
Oder ist das zu viel verlangt?
Verzögerungen
Mandy
Vorhin noch war ich noch mit Jay im Bett und es war herrlich mit ihm zusammen zu sein. Okay, nein so war das nicht gemeint, wir haben nur zusammen gelegen. Gekuschelt und geküsst. Doch der Tag musste einfach viel zu schnell anbrechen und Jay musste ja auch meine Eltern irgendwann anrufen, um ihnen zu sagen, dass es mir gut ging. Sehr wichtig war auch mitzuteilen, dass ich die Nacht bei ihm verbracht habe. Ich verstehe das und nachdem ich alles weiß, was ich wissen muss, kann ich es auch nachvollziehen. Schmeckt es mir? Nein! Muss ich damit vorerst leben? Ja!
Außerdem musste ich meinen Eltern gleich erklären, warum ich bei Jay übernachtet habe, obwohl ich zugesagt hatte das zuhause zu tun. Etwas was auf jeden Fall einzuhalten war. Außerdem wurde von Anfang an von niemand geringeres als meinem Vater, Patrick, beschlossen, dass ich NIEMALS und das ist etwas, dass immer zu befolgen ist – bah - nie bei Jay übernachten dürfte. Patrick hatte zudem dafür gesorgt, dass Jay definitiv nicht auf der Party sein durfte, obwohl er eingeladen wurde. Es war nämlich Xenas Geburtstagsfeier und er hat irgendwie einen komisch engen Draht das zu bekommen was er will.
Patrick würde mir ganz bestimmt an die Gurgel gehen, wenn ich es gewagt habe ihm zu widersprechen und bei Jay zu übernachten. Oh ja, die übliche Standpauke wird mir ganz bestimmt noch auf dem Nachhauseweg in den Ohren klingeln. Zumindest konnten sie durch Jays Anruf wissen, dass es mir gut ging. Das sollte doch mindestens ein Pluspunkt sein. Oder etwa nicht? Auch wenn man dazu sagen muss, dass ich nicht mehr zurückkehre, wie ich vorher war. Wie wunderbar, dass nicht alle Vampirklischees stimmen. Doch diesmal wird mir die Standpauke wirklich wehtun, wenn ich Patricks Lärmpegel bedenke…
Patrick Hochmann ist zwar mein Vater, aber er hat nie wirklich diese Rolle in meinem Leben erfüllt. Klar ist er immer dann anwesend, wenn er es überhaupt nicht sein sollte und mischt sich auch nur dann in mein Leben ein, wenn er überhaupt nichts zu sagen hat. Doch hat er meine Mutter Mariana Schöne wegen des Kindes in ihrem Bauch geheiratet. Kurz und bündig: Mich! Meine Mutter war vor der Hochzeit schwanger gewesen. Was legitim ist. Ich will das nicht schlecht reden. Großmutter jedoch legte die Vermutung nahe, dass er meine Mutter nicht lieben würde, sie jedoch geheiratet hat, weil er an das Geld meiner Familie interessiert sei. Großmutter könnte so einiges mehr dazu sagen. Doch nun? War sie nicht mehr da. Sie ist von uns gegangen. Doch sie hatte mir genug zu verstehen gegeben.
Ich gehe sehr stark davon aus, dass mir Großmutter genau deswegen die Gabe der Wahrheit vermachte. Ich sollte immer vorsichtig sein, denn er wäre nicht derjenige, den er zu zeigen pflegt. Sie sagte immer, Patrick habe nie milde walten lassen, er sei immer nur auf seinen eigenen Vorteil aus, ihm würde es nicht interessieren, wer für seine Fehler zu zahlen hätte. Ihm sei nicht einmal das Leben anderer heilig. Dank Großmutter habe ich also eine wunderschöne Gabe erhalten, dadurch wird mir jederzeit und unwiderruflich die Wahrheit zuteil. Zumindest wenn jemand spricht.
Eine so schöne Gabe, aber auch lästig und schmerzhaft. Man bekommt zwar das zu hören was man will, hat aber anschließend diesen bleiernen Geschmack der Lüge im Mund. Man merkt es auf jeden Fall!
Es gibt unterschiedliche Arten von Lügen und jede davon kann ich aufdecken. Unterlassung. Umschiffen. Komplete Lügen. Ach, es gibt so viel mehr. Notlügen sind aber erheiternd. Sie hinterlassen bei mir ein Kribbeln, denn dadurch weiß ich, dass irgendjemand ein Versprechen abgegeben hat nichts zu erzählen.
Bei Patrick stellt sich das Problem, dass er nicht anders kann als zu lügen. Er kann nie die Wahrheit sagen und ist dann dazu auch noch dominant. Es ist wie eine Sirene, die durchgängig schrillt. Nicht das übernatürliche Wesen. Diese Sirenen bringen dich mit ihrem verlockenden Gesang in die tiefsten Gewässer und nehmen dir dein Leben. Ok, vielleicht ist der Vergleich doch gar nicht so abwegig.
Seine Regeln müssen befolgt werden und das ohne Wenn und Aber! Wehe dem, der auch nur daran denkt seine Befehle nicht auszuführen und dass obwohl er überhaupt keine Ahnung von irgendwas hat! Wirklich! Er will das Familienunternehmen leiten und doch führt er es, wenn er tatsächlich alleinige Kompetenzen hätte, in den Bach.
Patrick wollte nicht einmal, dass ich Medizin studiere. Ich sollte mich ja schön an das Imperium dransetzen, dass meiner Familie mütterlicherseits gehört. Darum hat er auch den Nachnamen meiner Mutter angenommen. Wahrscheinlich um ehrenwerter zu erscheinen. Ihm liegt viel an Äußerlichkeiten, statt auf Charakter zu setzen. Ihm geht es immer nur um den Schein. Er weiß gar nicht was Ehrlichkeit bedeutet.
Alles hat bei ihm einen Sinn und Zweck. Immer! Er tut nichts was ihm nicht in irgendeine Weise einen Nachteil verschafft. Am liebsten hat er es, wenn er seine Vorteile aus den Problemen andere ziehen kann. Entweder durch einen Gefallen von einer höherrangigen Person oder durch weiß der Kuckuck was. Was er bei mir speziell nicht so gut findet: Meine Freundschaft zu Jay. Da hatte er auch schon immer mehr vermutet als tatsächlich da war. Das habe ich bisher nie nachvollziehen können, aber es wird sich schon irgendwann zeigen. Wie Xena immer sagt, wenn die Zeit reif ist, wird, alles offenbart. Sie hat ja immer Recht! Doch jetzt entspricht seine Wahrnehmung doch der Wahrheit. Jay und ich sind nun zusammen. Irgendwie würde ich sagen, dass wir nun wirklich zusammengeschweißt sind bis aufs Blut sogar.
Marisha, Jays Mutter, hatte uns vor paar Minuten telepathisch darüber informiert, dass meine Eltern nun angekommen seien und nun in dem Wohnzimmer gebracht werden würden. Es war ja bereits nachmittags, da hatte sich wahrscheinlich meine Mutter durchgesetzt.
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