Markus Gleim
MIXTAPE STORIES
Erinnerungen auf Chromdioxid
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Inhaltsverzeichnis
Titel Markus Gleim MIXTAPE STORIES Erinnerungen auf Chromdioxid Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kassette einlegen
2. Starttaste
3. Rock around the clock
4. Ruf Teddybär 1- 4
5. Los Paul
6. Sabine, Sabine, Sabine
7. Schifoan
8. Another Brick In The Wall
9. Polonäse Blankenese
10. I Just Called to Say I love You
11. It´s a Long Way...
12. Don´t you
13. Our House
14. Nellie the Elephant
15. Verdamp lang her
16. Bandsalat
17. Kassette umdrehen
18. Skandal im Sperrbezirk
19. Kurz zurückspulen und nochmal hören
20. Hier in der Kneipe
21. Mein Gott Walter
22. Somebody
23. Bandsalat
24. Only Time
25. Herbergsvater
26. It´s Tricky
27. Polizisten
28. The Wanderer
29. Bandsalat
30. König von Deutschland
31. Westerland
32. Caravan of Love
33. Hier kommt Alex
34. Band gerissen, Kassette kleben
35. Sexcrime - 1984
36. The Roof Is On Fire
37. Stopptaste
38. Rückspultaste & Kassette rausnehmen
39. Crowdfunding Lobhudeleien
40. Nachwort vom “Herrn Verleger“
Vita Markus Gleim
Impressum neobooks
„Ja, du lieber Himmel, wie sieht´s denn hier aus? Macht hier denn niemand sauber?“, fragte ich mich und ja, ich hatte Recht, denn in letzter Zeit hatte tatsächlich hier keiner richtig sauber gemacht und wer außer mir, sollte das auch machen? Aber das Wetter war halt auch noch so gut gewesen, das wollte ich noch ein bisschen ausnutzen und darum ist eben eine Menge Kram liegen geblieben. Und genau darum sah es eben jetzt hier so aus, wie es nun mal aussah. Fertig. Aber es stimmte schon, der Rasen, die Hecken und Sträucher im Garten waren inzwischen so hoch gewachsen, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn da irgendwann mal einer: “Holt mich hier raus, ich bin ein Star ...” gerufen hätte. Da sollte ich echt mal mit´m Rasenmäher und der Machete durch. Und es wäre schon cool, meine Karre mal wieder in, statt neben die Garage stellen zu können. Musste ja einen Grund haben, warum Menschen Garagen haben. Ich geb‘s ja zu, ich hatte Garten und Wohnung ein bisschen vernachlässigt. Meine Nachbarin, die einen eher minimalistischen Lebensstil für sich entdeckt hatte, beobachtete mich immer sehr argwöhnisch, wenn wir gemeinsam mit dem Fahrstuhl nach oben fuhren, und sie vermied es, mit mir gleichzeitig die Wohnungstüre zu öffnen. Ich glaube, sie befürchtete, dass das minimalistische Sicherheitsvakuum ihrer Wohnung dem Desorganisations-Überdruck meiner beginnenden Messie-Wohnung nicht standhalten konnte und den ganzen Schrott aus meiner Bude zu ihr rüber saugen könnte oder so.
Nun huschten mir die Wollmäuse nach, wenn ich etwas forscher im Wohnzimmer um die Ecke in Richtung Küche abbog, und ich war mittlerweile davon überzeugt, dass die täglichen Wettervorhersagen im MoMa, die uns sonnige und frühlingshafte Tage versprachen, glatte Fake-News waren, denn bei mir sah´s draußen immer nach „nebliges London im Herbst“ aus. Allerdings könnte das auch gut an meinen Fensterscheiben liegen, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Als dann neulich morgens irgendeine fremde Kraft meine Kühlschranktüre von innen wieder zuzog und irgendwas von „zu schmutzig, da draußen“ und „lieber Türe zumachen“ flüsterte, dachte ich mir, na gut, so ein bisschen könnte ich ja echt mal sauber machen. Klamotten weg hängen, Altpapier raus, leere Flaschen und Abfall runter bringen. Den ganzen Krempel könnte ich mal wegräumen, der sich in der letzten Zeit so angesammelt hatte. Bisschen Bürokram machen und Briefe, Rechnungen und Kontoauszüge abheften. Mal kurz durchkehren, mit´m feuchten Lappen die Regale abwischen und fertig. Keine große Sache, nur eine Stunde und dann wäre ich auch durch damit.
Nach den ersten beiden sauberen Regalen fiel aber auf, wie bescheuert das jetzt erst aussah, denn ein Regal tiefer konnte ich mit den Fingern „Du Sau“ in den Staub schreiben. Die Schallplatten und CDs, die ich mal kurz nach ABC ordnen wollte, türmten sich schon nach kurzer Zeit auf etwa 15 verschiedenen Stapeln, da ich mich nicht entscheiden konnte, ob es nun „The Beatles“ oder nur „Beatles“ heißen und ob ich meine Bücher nach Autor oder nach Buchtitel ordnen sollte?
Irgendwann lief dann die Sache komplett aus dem Ruder. Ich hatte so einen Werkzeuggürtel aus dem Baumarkt umgeschnallt, eine Flasche „Frosch Allzweckreiniger“ in der einen und antistatische Tücher in der anderen Hand und nasse und trockene Tücher, einen Staublappen und so ein buntes Feudel-Dings für die Spinnweben in den Ecken in den Taschen und lag bis zu den Hüften im Bücherschrank. Um den Kopf noch so eine batteriebetriebene Stirnlampe und wischte nun den kompletten Bücherschrank von innen aus. Kurz und gut. Ich musste die „kurz-mal-mitm-Staublappen-durch-Aktion“ für gescheitert erklären. Das ganze entwickelte sich zu einer Flurbereinigung epischen Ausmaßes, der selbst Otto und Sükrü vom „Trödeltrupp“ nicht mehr Herr werden würden. Ich zog die Reißleine. Am liebsten würde ich den ganzen Kram jetzt so liege lassen, wortlos meine Eingangstüre luftdicht versiegeln und in einer Nacht- und Nebelaktion still und leise Richtung einsamer Nordseehallig verschwinden und unter dem Namen Tamme Nordhum ein Leben als eigenbrötlerischer Heidschnuckenzüchter fortführen.
Ich begann mit dem systematischen Rückbau der Säuberungsaktion und legte Klamotten und Post zurück, wo sie vorher lagen. Ich stellte Bücher, Deko-Zeugs und Nippes exakt auf die ursprünglichen staubfreien Stellen im Regal von vorhin und zog mit dem Finger mehrere parallele Streifen durch die Wörter „Du Sau“, sodass es aussah, als würden Sonnenstrahlen schräg durch das Rollo einfallen.
Nachdem ich dieses Chaos beseitigt hatte, blieb eine Kiste übrig, die anklagend mitten im Zimmer auf dem Boden stand. Eine einzige Kiste, in die ich in den ganzen vergangenen Stunden kein einziges Mal rein geschaut hatte. Eine Kiste, 40 x 40 x 40 Zentimeter, grauer Grundton und blau aufgedrucktes Muster, links und rechts ein kleiner Metallgriff und ein passender Deckel dazu, eine typische Kiste eben, die der Herr IKEA wahrscheinlich genau aus diesem Grund zusammen gebastelt hat, um irgendetwas dort aufzubewahren, was man nicht mehr herum liegen haben wollte, es aber auch nicht wegwerfen wollte.
Was mochte da wohl drin sein? Welches Kleinod hatte ich darin vor langer Zeit verstaut? Was war mir so wichtig, dass ich es noch nicht längst entsorgt hatte?
Irgendein lang verschollen geglaubtes Erbstück meiner Großeltern? Opas alte Polizeiknarre? Mein Opa war früher Dorfpolizist in dem kleinen beschaulichen Örtchen, nahe der tschechischen Zonengrenze, in der Nähe von Bod na Zadnice. Da fällt mir was Lustiges ein, das muss ich Ihnen einfach erzählen. Manchmal schreibt das Leben einfach die besten Geschichten. Geben Sie doch mal bitte Bod na Zadnice in den Tschechisch-Deutsch-Übersetzer ein. Na? Hammer oder? „Punkt auf Hintern?“, heißt das so frei übersetzt. Ja gibt’s denn so was? Ein winziger Ort, den man „Punkt auf Hintern“ nannte? Na, das nenne ich mal Selbstbewusstsein. Na ja, ich wollte es halt mal erwähnen.
Möglicherweise hatte meine Oma Opas Polizeiorden, seine alte Uniform und seine alte Dienstwaffe aufgehoben und an meine Mutter weitergegeben, die dann schließlich und letzten Endes der Familientradition entsprechend, bei mir landete. Uuaahähähähmpfarglhähä … kalter, schwarzer todbringender Stahl würde gleich in meinen Händen liegen … endlich, endlich, nach so vielen Jahren würde ich die Sache mit meinem Parkplatz und mit der Ackerfresse vom ersten Stock klären können. Oder im Sommer, diese bekackte Taube, die morgens immer auf dem Balkon vor meinem Schlafzimmer saß und pünktlich um 6.45 Uhr mit ihrem saublöden „Guurr-huu, Guurr-huu“ anfing. Immer genau 20 Minuten, bevor mein Wecker eh klingeln würde und es sich nun einfach nicht mehr lohnte, nochmal einzuschlafen. Ein kurzer, aufgesetzter Schuss, durch die halb geschlossenen Lamellen des Sonnenrollos … BÄNG … und fertig. Missión cumplita, senior.
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