Dann hob er die Stirn und zog scharfsinnig die Brauen hoch. „Es ruiniert uns nicht, mein Sohn, wenn wir Anstand zeigen und uns den Schaden mit Egibi teilen. Nur leider schwindet mein Augenlicht. Eine Reise in den Fernen Osten ist für einen gebrechlichen Mann wie mich zu beschwerlich. Du wirst das richten müssen. Geh also zum Haus der Astarte-Priesterin, denn die geweihten Tage, in denen Astartes Stern heller blinkt, stehen vor der Tür und der Schirmherrin der Seefahrer und Händler gebührt ein Opfer. Nimm unser bestes Lamm, dann wird sie ein hütendes Auge auf dich werfen. Und ist das getan, schreibe dich bei der nächsten Karawane ein. Wie soll Egibi sonst erfahren, was unseren Handel hinfällig macht? Mal sehen, ob du zu einem Kaufmann taugst.“
Betreten schluckte Houke, hatte er doch Freunde, mit denen er täglich abends loszog, und der Vater nahm sich bedenkenlos heraus, sein Leben auf den Kopf zu stellen. Unter der Vorstellung, die Beduinen könnten sich in der Bergwildnis eingenistet haben, wurde ihm mulmig. Die unheimlichen Wüstenkrieger galten als Geißel des Handels, und jede von hier gen Osten aufbrechende Karawane zog auf Gedeih oder Verderb an der Oase von Omar vorbei.
Geistesgegenwärtig entfuhr ihm, „das kann mich den Hals kosten. Wozu? Die Eypter haben einen vergessenen Kanal wieder schiffbar gemacht, heißt es, über den sie in das südliche Meer gelangen. Und du verfügst über einen Seemann wie Larban. Schick ihn mit der Holka nach Babylon.“
„Ach Larban“, schnitt ihm sein Vater gereizt das Wort ab. „Du redest hohl daher, es gilt, zu handeln. Zeig wozu du fähig bist. Jetzt bist du an der Reihe, Houke. Du hast das Alter, muss ich sagen.“
Wie ein Urteilsspruch klang es und traf ihn mit Wucht, obwohl sich Houke bemühte zu lächeln. „Die Sache bei Egibi zu klären traue ich mir zu“, wandte er hüstelnd ein. „Aber ich ertrage einfach keinen Seegang. Mir wird übel, sobald ich ein Schiff besteige. Der Magen, weißt du…“
Sein Vater wollte das nicht hören. „Schütte was hoch will über die Fische und gönne es denen. Das gibt sich, mein Sohn.“
Houke fühlte sich beengt im Brustkorb. Es raubte ihm die Ausrede. „Haben wir keine Rücklagen?“ Vorsichtshalber langte er in die Hüfttasche, um nicht beim Hinsetzen versehentlich seinen Hamsterfreund zu zerquetschen.
Sein Vater wies mit dem Kinn auf die Elefantenzähne, die der Sitzecke am Immergrünbeet einen würdevollen Rahmen verliehen und sich fabelhaft als Rückenlehnen eigneten, und Houke lächelte erleichtert. „Das reißt uns doch schon raus.“
Mit strengen Augen hielt ihn Hartak Now fest. „Es ist die Mitgift deiner Mutter, ich wollte nie daran rühren.“
Dessen war sich Houke bewusst, doch ganz sachlich betrachtet, drohte der Ruin, und er überlegte: „Woher stammen die weißen Figuren, die sie im Hafen feilbieten?“
Abschätzend zog er die Hände auseinander. „Bei der Strandtreppe sitzt immerzu ein gewievter Junge in einem Lammfell, der bietet so große gewölbte Elfenbeinbrücken an, mit einer Reihe darüber wandernder Elefanten oder Pyramiden aus winzigen Affen, ganz haarfein gearbeitet. Wer das zu schnitzen vermag, dürfte einen Batzen Handelsmetall für so einen Stoßzahn geben.“
Sein Vater rieb sich andächtig das spitze Kinn, ehe er sich erhob und seinen Sohn an sich drückte. „Womit wir die nächste Lieferung Kardamon anzahlen können.“
Dann legte er ihm vertrauensvoll die Hand auf die Schulter. „Unten, in irgendeinem Winkel der kalten Gruft lagern noch mehr. Es müssten acht Stoßzähne zusammenkommen. Meinen Segen hast du, nur packe es an. Und packe es bald an, mein Sohn, denn wir müssen uns bei Egibi melden. Seine Gewürze sind die Quelle unseres Wohlstands.“
Houke fasste sich an den Kopf, erwog, dem Vater die Füße zu küssen und sich aufs Betteln zu verlegen, aber der wusste ihn bei der Würde zu nehmen. „Heute Abend, mein Sohn, da wird gefeiert. Du wirst im Mittelpunkt stehen. Ich denke, Alda wird dich danach mit anderen Augen sehen.“
Bei dem Namen schlug sein Herz höher, und ihm schoss das Blut in die Wangen. Nur leider bemühten sich auch sein Vetter Mazad und Schnotto um Alda, und sie schien zu wissen, was sie Wert war. Es gefiel ihr, für alle drei der Sonnenschein zu sein. Allerdings machte sie auch nie einen Hehl daraus, dass sie eben nur eine Freundin sein konnte. Sie wusste genau, warum sie sich nicht festlegte. Jedenfalls würde er die Gelegenheit, ihr zu imponieren, beim Schopf fassen.
Für die Hühner des Anwesens wurde es ein schrecklicher Tag. Drei Dutzend mussten dran glauben. Die meisten dienten als Bordverpflegung, ein Teil für das Abschiedsmahl. Da man nach Flügeln rechnete und 15 für das Mahl benötigte, widerfuhr einem Tier, dass ihm über die Tischkante ein Flügel abgerupft wurde. Houke hatte immer einHerz für Tiere und konnte sich eines Schauderns nicht erwehren. Dann und wann schweifte seine Aufmerksamkeit zur Angebeteten hinüber. Ein milder Zug und Grübchen um die Wangen machten Aldas Liebreiz aus. Obendrein das rabenschwarze Haar, im Nacken gebunden, sodass es ihr bis auf die weiblichen Hüften floss. Wie die meisten Weiber trug sie einen schlichten mausgrauen Leinenkittel, aber wo sie sich aufhielt duftete es dezent nach Ambra. Unbestritten war sie die Königin des Abends, sowohl für Houke als auch für Schnotto und Mazad, während der Feuerschein von drei Ölschalen das Schnitzwerk in den Ecken des Saals in unruhig flatterndes Licht hüllte und es bald nach Fisch, Fleischresten und Wein roch.
Aldas Anwesenheit genügte dem tonangebenden Vetter, mit dem er manchmal durchs Tavernenviertel bummelte, sich gehörig aufzublasen. „Jetzt mal ehrlich, wie hast du deinen Vater dahin gebracht, dich auf Fahrt zu schicken?“, fragte er herausfordernd.
Mit derartigen Spitzen aufzuwarten, darauf war Houke eigentlich vorbereitet. Er kannte ja das Großmaul Mazad. Natürlich sah der, dass es hinter Houkes Stirn brodelte und fügte auch noch abfällig hinzu: „Und deine kleine Ratte nimmst natürlich mit, oder …?“
„Das ist ein Hamster“, verbesserte ihn Houke, fuhr mit einem raschen Griff durch die Hüfttasche und setzte seinen possierlichen, goldbraunen Freund auf die eichene Tischplatte.
Als er ihm eine Paranuss in die kleinen Pfoten drückte, platzte Mazad ein wieherndes Gelächter heraus. Mit versteinertem Gesicht bemerkte Houke ein Alda geltendes Zwinkern. Er lief vor Wut rot an, auch wenn die keine Miene verzog.
Der Vetter grinste und zog belustigt eine Furche durch den lehmigen Estrich, um Houke auch noch vorzuführen und vor Alda seine Fertigkeit mit dem Enterbeil zu demonstrieren. Sein Wurf traf nur den Rand der gewöhnlich zum Bogenschuss dienenden Zielscheibe, biss sich jedoch in den Kork, dass der halbe Außenring abgehackt wurde.
Houke schreckte davor zurück, es mit ihm aufzunehmen, weil es mehr bedurfte als breite Schultern, einen wuchtigen Wurf abzuliefern.
Um sich nicht gründlich zu blamieren schmetterte er kurzerhand sein Schnitzmesser nach dem behelmten Holzkopf, der sich neben der Zielscheibe erhob. Genau das aufgemalte Auge erwischte er zu seiner eigenen Verwunderung. Sogar Larban, der meist mürrisch aufgelegte Steuermann in den Diensten der Nowa, honorierte es mit einem beifälligen Pfiff.
Sein überheblicher Vetter zeigte insofern Größe, ihm ein Schwert zum Lebewohlsagen aufzudrängen. Zum Griff hin verjüngte sich die Schneide erheblich, mutete von daher beunruhigend zerbrechlich an gegen das Breitschwert, das ihm sein Vater für die Fahrt überließ. Er reichte es unbemerkt weiter an seinen Freund Schnotto und fing an, sich mit dem Gedanken anzufreunden, morgen in See zu stechen. Er würde Alda zeigen, zu was er fähig war und nebenbei auch seinem Vater und dem überheblichen Vetter.
Читать дальше