jemand hier unten zur Tafel einladen! Für mich wird
wohl nichts abfallen?«
»Warum denn nicht? Lasse dich nieder und nimm
vorlieb, viel wird's nicht mehr sein!« rief der Jüngling,
und da ließ sich der Vogel Greif nieder und aß
zur Genüge und dann sagte er: »Brauchst du mich, so
rufe mich!« hob sich in die Lüfte und verschwand. Ei,
dachte der Geselle: der hat's recht eilig; er hätte mir
wohl den Weg nach der Kirche zeigen können, denn
so finde ich sie wohl nimmer und raffte seine Sachen
zusammen, und wollte vor dem Schlafengehen noch
ein Stückchen wandern. Und wie er gar nicht lange
gegangen war, so sah er mit einem Male die Kirche
vor sich liegen und war bald bei ihr, das heißt, am
breiten und tiefen Graben, der sie rings ohne Brücke
umzog. Da suchte er sich ein hübsches Ruheplätzchen,
denn er war müde von dem weiten Weg und
schlief, und am andern Morgen da wünschte er sich
über den Graben und dachte: Schau, wenn der rote
Ochse da wär und hätte rechten Durst, so könnte der
den Graben aussaufen und ich käme trocken hinüber.
Kaum war dieser Wunsch getan, so stand der Ochse
schon da und begann den Graben auszusaufen. Nun
stand der Gesell an der Kirchenmauer, die war gar
dick und die Türme waren von Eisen, da dachte er so
in seinen Gedanken: ach, wer doch einen Mauerbrecher
hätte! Das starke wilde Schwein könnte vielleicht
hier eher etwas ausrichten, als ich. Und siehe, gleich
kam das wilde Schwein daher gerannt und stieß heftig
an die Mauer und wühlte mit seinen Hauern einen
Stein los, und wie erst einer los war, so wühlte es
immer mehr und immer mehr Steine aus der Mauer,
bis ein großes tiefes Loch gewühlt war, durch das
man in die Kirche einsteigen konnte. Da stieg nun der
Jüngling hinein, und sah den Vogel darin herumfliegen,
vermochte aber nicht ihn zu ergreifen. Da sprach
er: »Wenn jetzt der Vogel Greif da wäre, der würde
dich schon greifen, dafür ist er ja der Vogel Greif!«
Und gleich war der Greif da und gleich griff er den
Vogel, in dem des alten Mannes Herz war, und der
junge Gesell verwahrte selbigen Vogel sehr gut, der
Vogel Greif aber flog davon.
Nun eilte der Jüngling so sehr er konnte zur jungen
Braut, kam noch vor Abends an und erzählte ihr alles,
und sie gab ihm wieder zu essen und zu trinken und
hieß ihn unter die Bettstelle kriechen mitsamt seinem
Vogel, damit ihn der Alte nicht sähe. Dies tat er alsbald,
nachdem er gegessen und getrunken hatte; der
Alte kam nach Hause und klagte, daß er sich krank
fühle, daß es nicht mehr mit ihm fortwolle – das
mache, weil sein Herzvogel gefangen war. Das hörte
der Bräutigam unter dem Bette und dachte, der Alte
hat dir zwar nichts Böses getan, aber er hat deine
Brüder und ihre Bräute verzaubert, und deine Braut
hat er für sich behalten, das ist des Bösen nicht zu
wenig, und da kneipte er den Vogel, und da wimmerte
der Alte: »Ach, es kneipt mich! Ach, der Tod kneipt
mich, Kind – ich sterbe!« Und fiel vom Stuhl und war
ohnmächtig, und ehe sich's der Jüngling versah, hatte
er den Vogel totgekneipt, und da war es aus mit dem
Alten. Nun kroch er hervor, und die Braut nahm den
weißen Stab, wie ihr der Alte gelehrt hatte, und
schlug damit an die zwölf grauen Steine, siehe, da
wurden sie wieder die sechs Brüder und die sechs
Schwestern, das war eine Freude und ein Umarmen
und Herzen und Küssen, und der alte Mann war tot
und blieb tot, konnt ihn keine Meisterwurz wieder lebendig
machen, wenn sie ihn auch hätten wieder lebendig
haben wollen. Da zogen sie alle miteinander
fort, und hielten Hochzeit miteinander und lebten gut
und glücklich miteinander lange Jahre.
Der Richter und der Teufel
In einer Stadt saß ein Mann, der hatte alle Kisten voll
Geld und Gut, er selbst aber war voll aller Laster, so
schlimm war er, daß es die Leute schier Wunders
dünkte, daß ihn die Erde nicht verschlang. Dieser
Mann war noch dazu ein Richter, das heißt, ein Richter,
der aller Ungerechtigkeit voll war. An einem
Markttage ritt er des Morgens aus, seinen schönen
Weingarten zu sehen, da trat der Teufel auf dem
Heimweg ihn an, in reichen Kleidern und wie ein gar
vornehmer Herr gestaltet. Da der Richter nicht wußte,
wer dieser Fremdling war, und solches doch gern wissen
mochte, so fragte er ihn nicht eben höflich, wer
und von wannen er sei? Der Teufel antwortete: »Euch
ist besser, wenn Ihr's nicht wisset, wer und woher ich
bin!« – »Hoho!« fuhr der Richter heraus, »seid wer
Ihr wollt, so muß ich's wissen, oder Ihr seid verloren,
denn ich bin der Mann, der hier Gewalt hat, und wenn
ich Euch dies und das zu Leide tue, so ist niemand,
der es mir wehren wird und kann. Ich nehm Euch Leib
und Gut, wenn Ihr mir nicht auf meine Frage Bescheid
gebt!« – »Steht es so schlimm«, antwortete der
Arge, »so muß ich Euch wohl meinen Namen und
mein Gekommen offenbaren; ich bin der Teufel.«
»Hm!« brummte der Richter, »und was ist hier dei-
nes Gewerbes, das will ich auch wissen?« – »Schau,
Herr Richter«, antwortete der Böse, »mir ist Macht
gegeben, heute in diese Stadt zu gehen, und das zu
nehmen, was mir in vollem Ernst gegeben wird.«
»Wohlan!« versetzte der Richter, »tue also, aber
laß mich dessen Zeuge sein, daß ich sehe, was man
dir geben wird!«
»Fordre das nicht, dabei zu sein, wenn ich nehme,
was mir beschieden wird«, widerriet der Teufel dem
Richter; dieser aber hub an, den Fürsten der Hölle mit
mächtigen Bannworten zu beschwören, und sprach:
»Ich gebiete und befehle dir bei Gott und allen Gottes
Geboten, bei Gottes Gewalt und Gottes Zorn, und bei
allem, was dich und deine Genossen bindet, und bei
dem ewigen Gerichte Gottes, daß du vor meinem Angesicht,
und anders nicht, nehmest was man dir ernstlich
geben wird.«
Der Teufel erschrak, daß er zitterte bei diesen
fürchterlichen Worten, und machte ein ganz verdrießlich
Gesicht, sprach auch: »Ei so wollte ich, daß ich
das Leben nicht hätte! Du bindest mich mit einem so
starken Band, daß ich kaum jemals in größerer Klemme
war. Ich gebe dir aber mein Wort als Fürst der
Hölle, das ich als solcher niemals breche, daß es dir
nicht zum Frommen dient, wenn du auf deinen Sinn
bestehst. Stehe ab davon!«
»Nein, ich stehe nicht ab davon!« rief der Richter.
»Was mir auch darum geschehe, das muß ich über
mich ergehen lassen; ich will jenes nun einmal sehen!
Und sollt es mir an das Leben gehn!«
Nun gingen beide, der Richter und der Teufel miteinander
auf den Markt, wo gerade Markttag war,
daher viel Volks versammelt, und überall bot man
dem Richter und seinem Begleiter, von dem niemand
wußte, wer er sei, volle Becher und hieß sie Bescheid
tun. Der Richter tat das auch nach seiner Gewohnheit,
und reichte auch dem Teufel eine Kanne, dieser aber
nahm den Trunk nicht an, weil er wohl wußte, daß es
des Richters Ernst nicht war.
Nun geschah es von ungefähr, daß ein Weib ein
Schwein daher trieb, welches nicht nach ihrem Willen
ging, sondern die Kreuz die Quere, da schrie das zornige
Weib im höchsten Ärger dem Schwein zu: »Ei so
geh zum Teufel, daß dich der mit Haut und Haar
hole!«
»Hörst du, Geselle?« rief der Richter dem Teufel
zu. »Jetzt greife hin und nimm das Schwein.« Aber
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