tappte der Bär ruhig ins Dickicht zurück; und
der Kaufmann schritt, aufatmend, rasch und fröhlich
von dannen.
Der goldene Nußzweig prangte herrlich am Hut des
Kaufmanns, als er seiner Heimat zueilte. Freudig
hüpfte das jüngste Mägdlein ihrem lieben Vater entgegen;
mit tollen Sprüngen kam der Pudel hinterdrein,
und die ältesten Töchter und die Mutter schritten
etwas weniger schnell aus der Haustüre, um den Ankommenden
zu begrüßen. Wie erschrak nun der Kaufmann,
als seine jüngste Tochter die erste war, die ihm
entgegenflog! Bekümmert und betrübt entzog er sich
der Umarmung des glücklichen Kindes und teilte nach
den ersten Grüßen den Seinigen mit, was ihm mit dem
Nußzweig widerfahren. Da weinten nun alle und wurden
betrübt, doch zeigte die jüngste Tochter den meisten
Mut und nahm sich vor, des Vaters Versprechen
zu erfüllen. Auch ersann die Mutter bald einen guten
Rat und sprach: Ȁngstigen wir uns nicht, meine Lieben,
sollte ja der Bär kommen und dich, mein lieber
Mann, an dein Versprechen erinnern, so geben wir
ihm, anstatt unsrer Jüngsten, die Hirtentochter, mit
dieser wird er auch zufrieden sein.« Dieser Vorschlag
galt und die Töchter waren wieder fröhlich, und freuten
sich recht über diese schönen Geschenke. Die
Jüngste trug ihren Nußzweig immer bei sich; sie ge-
dachte bald gar nicht mehr an den Bären und an das
Versprechen ihres Vaters.
Aber eines Tages rasselte ein dunkler Wagen durch
die Straße vor das Haus des Kaufmanns, und der häßliche
Bär stieg heraus und trat brummend in das Haus
und vor den erschrockenen Mann, die Erfüllung seines
Versprechens begehrend. Schnell und heimlich
wurde die Hirtentochter, die sehr häßlich war, herbeigeholt,
schön geputzt und in den Wagen des Bären
gesetzt. Und die Reise ging fort. Draußen legte der
Bär sein wildes zotteliches Haupt auf den Schoß der
Hirtin und brummte:
»Graue mich, grabble mich,
Hinter den Ohren zart und fein,
Oder ich freß dich mit Haut und Bein!«
Und das Mädchen fing an zu grabbeln; aber sie machte
es dem Bären nicht recht, und er merkte daß er betrogen
wurde; da wollte er die geputzte Hirtin fressen,
doch diese sprang rasch in ihrer Todesangst aus dem
Wagen.
Darauf fuhr der Bär abermals vor das Haus des
Kaufmanns, und forderte furchtbar drohend die rechte
Braut. So mußte denn das liebliche Mägdlein herbei,
um nach schwerem bittern Abschied mit dem häßlichen
Bräutigam fortzufahren. Draußen brummte er
wieder, seinen rauhen Kopf auf des Mädchens Schoß
legend:
»Graue mich, grabble mich,
Hinter den Ohren zart und fein,
Oder ich freß dich mit Haut und Bein!«
Und das Mädchen grabbelte, und so sanft, daß es ihm
behagte, und daß sein furchtbarer Bärenblick freundlich
wurde, so daß allmählig die arme Bärenbraut einiges
Vertrauen zu ihm gewann. Die Reise dauerte
nicht gar lange, denn der Wagen fuhr ungeheuer
schnell, als brause ein Sturmwind durch die Luft.
Bald kamen sie in einen sehr dunkeln Wald, und dort
hielt plötzlich der Wagen vor einer finstergähnenden
Höhle. Diese war die Wohnung des Bären. O wie zitterte
das Mädchen! Und zumal da der Bär sie mit seinen
furchtbaren Klauen-Armen umschlang und zu ihr
freundlich brummend sprach: »Hier sollst du wohnen,
Bräutchen, und glücklich sein, so du drinnen dich
brav benimmst, daß mein wildes Getier dich nicht
zerreißt.« Und er schloß, als beide in der dunkeln
Höhle einige Schritte getan, eine eiserne Türe auf,
und trat mit der Braut in ein Zimmer, das voll von giftigem
Gewürm angefüllt war, welches ihnen gierig
entgegenzüngelte. Und der Bär brummte seinem
Bräutchen ins Ohr:
»Seh dich nicht um!
Nicht rechts, nicht links;
Gerade zu, so hast du Ruh!«
Da ging auch das Mädchen, ohne sich umzublicken,
durch das Zimmer und es regte und bewegte sich so
lange kein Wurm. Und so ging es noch durch zehn
Zimmer, und das letzte war von den scheußlichsten
Kreaturen angefüllt, Drachen und Schlangen, giftgeschwollenen
Kröten, Basilisken und Lindwürmern.
Und der Bär brummte in jedem Zimmer:
»Seh dich nicht um!
Nicht rechts, nicht links;
Gerade zu, so hast du Ruh!«
Das Mädchen zitterte und bebte vor Angst und Bangigkeit,
wie ein Espenlaub, doch blieb sie standhaft,
sah sich nicht um, nicht rechts, nicht links. Als sich
aber das zwölfte Zimmer öffnete, strahlte beiden ein
glänzender Lichtschimmer entgegen, es erschallte
drinnen eine liebliche Musik und es jauchzte überall
wie Freudengeschrei, wie Jubel. Ehe sich die Braut
nur ein wenig besinnen konnte, noch zitternd vom
Schauen des Entsetzlichen, und nun wieder dieser
überraschenden Lieblichkeit – tat es einen furchtbaren
Donnerschlag, also daß sie dachte, es breche Erde und
Himmel zusammen. Aber bald ward es wieder ruhig.
Der Wald, die Höhle, die Gifttiere, der Bär – waren
verschwunden; ein prächtiges Schloß, mit goldgeschmückten
Zimmern, und schön gekleideter Dienerschaft
stand dafür da, und der Bär war ein schöner
junger Mann geworden, war der Fürst des herrlichen
Schlosses, der nun sein liebes Bräutchen an das Herz
drückte, und ihr tausendmal dankte, daß sie ihn und
seine Diener, das Getier, so liebreich aus seiner Verzauberung
erlöset.
Die nun so hohe, reiche Fürstin trug aber noch
immer ihren schönen Nußzweig am Busen, der die Eigenschaft
hatte, nie zu verwelken, und trug ihn jetzt
nur noch so um so lieber, da er der Schlüssel ihres
holden Glückes geworden. Bald wurden ihre Eltern
und ihre Geschwister von diesem freundlichen Geschick
benachrichtigt, und wurden für immer, zu
einem herrlichen Wohlleben, von dem Bärenfürsten
auf das Schloß genommen.
Der Mann ohne Herz
Es sind einmal sieben Brüder gewesen, waren arme
Waisen, hatten keine Schwester, mußten alles im
Hause selbst tun, das gefiel ihnen nicht, wurden Rates
untereinander, sie wollten heiraten. Nun gab es aber
da, wo sie wohnten keine Bräute für sie, da sagten die
älteren, sie wollten in die Fremde ziehen, sich Bräute
suchen und ihr Jüngster sollte das Haus hüten, und
dem wollten sie eine recht schöne Braut mitbringen.
Das war der Jüngste gar wohl zufrieden und die sechse
machten sich fröhlich und wohlgemut auf den Weg.
Unterwegs kamen sie an ein kleines Häuschen, das
stand ganz einsam in einem Walde, und vor dem
Häuschen stand ein alter alter Mann, der rief die Brüder
an und fragte: »Heda! Ihr jungen Gieke in die
Welt! Wohin denn so lustig und so geschwind?« –
»Ei, wir wollen uns jeder eine hübsche Braut holen,
und unsern jüngsten Bruder daheim auch eine!« antworteten
die Brüder.
»O liebe Jungen!« sprach da der Alte: »ich lebe
hier so mutterseelensternallein, bringt mir doch auch
eine Braut mit, aber eine junge hübsche muß es sein!«
Die Brüder gingen von dannen und dachten: Hm,
was will so ein alter eisgrauer Hozelmann mit einer
jungen hübschen Braut anfangen? –
Da nun die Brüder in eine Stadt gekommen waren,
so fanden sie dort sieben Schwestern, so jung und so
hübsch als sie sie nur wünschen konnten, die nahmen
sie und die jüngste nahmen sie für ihren Bruder mit.
Der Weg führte sie wieder durch den Wald, und der
Alte stand wieder vor seinem Häuschen, als wartete er
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