meine schöne Braut, die Königstochter, freien, ihr Gemahl
und König werden kann!« – »Das geht nicht« –
versetzte kalt der Tod. »Erst muß eins ganz ausbrennen,
ehe ein neues auf- und angesteckt wird.« –
»So setze doch gleich das alte auf ein neues!«
sprach der Arzt – und der Tod sprach: »Ich will so
tun!« Nahm ein langes Licht, tat als wollte er es aufstecken,
versah es aber absichtlich und stieß das kleine
um, daß es erlosch. In demselben Augenblick sank
der Arzt um und war tot.
Wider den Tod kein Kraut gewachsen ist.
Hirsedieb
In einer Stadt wohnte ein sehr reicher Kaufmann, der
hatte am Haus einen großen und prächtigen Garten, in
dem auch ein Stück Land mit Hirse besäet war. Da
nun dieser Kaufmann einmal in seinem Garten herumspazierte
– es war zur Frühjahrszeit, und der Same
stand frisch und kräftig – so sah er zu seinem größten
Ärger und Verdruß, daß verwichene Nacht von frecher
Diebeshand ein Teil von seinem Hirsesamen abgegrast
worden war, und gerade dieses Gartenäckerlein,
darauf er alle Jahre Hirse hinsäete, war ihm ganz
besonders lieb, wie manchmal die Menschen eine ausschließliche
Vorliebe für eine Sache haben. Er beschloß,
den Dieb zu fangen und dann nachdrücklich
zu strafen, oder dem Gericht zu übergeben. Daher er
seine drei Söhne, Michel, Georg und Johannes zu sich
rief, und sprach: »Heute Nacht war ein Dieb in unserm
Garten und hat mir einen Teil Hirsesamen abgegrast,
was mich höchlich ärgert. Dieser Frevler muß
gefangen werden, und soll mir büßen! Ihr, meine
Söhne, mögt nun wachen die Nächte hindurch, einer
um den andern, und welcher den Dieb fängt, soll von
mir eine stattliche Belohnung bekommen.« Der Älteste,
Michel, wachte die erste Nacht; er nahm sich etliche
geladene Pistolen und einen scharfen Säbel, auch
zu essen und zu trinken mit, hüllte sich in einen warmen
Mantel und setzte sich hinter einen blühenden
Holunderbusch, hinter dem er bald hart und fest einschlief.
Wie er am hellen Morgen erwachte, war ein
noch größeres Stück Hirsesamen abgegrast, als in voriger
Nacht. Und wie nun der Kaufmann in den Garten
kam, und das sahe und merkte, daß sein Sohn, anstatt
zu wachen und den Dieb zu fangen, geschlafen
hatte, ward er noch ärgerlicher, und schalt und höhnte
ihn als einen braven Wächter, der ihm samt seinen Pistolen
und Säbel selbst gestohlen werden könne!
Die andre Nacht wachte Georg; dieser nahm sich
nebst den Waffen, die sein Bruder vorige Nacht bei
sich geführt, auch noch einen Knittel und starke Strikke
mit. Aber der gute Wächter Georg schlief ebenfalls
ein, und fand am Morgen, daß der Hirsedieb wieder
tüchtig gegraset hatte. Der Vater ward ganz wild, und
sagte: »Wenn der dritte Wächter ausgeschlafen hat,
wird die Hirsesaat vollends zum Kuckuck sein, und es
wird dann keines Wächters mehr bedürfen!«
Die dritte Nacht kam nun an Johannes die Reihe.
Dieser nahm trotz allem Zureden keine Waffen mit;
doch hatte er sich im geheimen mit recht probaten
Waffen gegen den Schlaf versehen; er hatte sich Disteln
und Dornen gesucht, und diese, als er sich
abends in den Garten an seinen Wächterplatz verfügt,
vor sich aufgebaut. Wenn er nun einnicken wollte,
stieß er allemal mit der Nase an die Stacheln, und
wurde gleich wieder munter. Als die Mitternacht herbeikam,
hörte er ein Getrappel, es kam näher und
näher, machte sich in den Hirsesamen und da hörte
Johannes ein recht fleißiges Abraufen. Halt, dachte er,
da hab ich dich! und er zog einen Strick aus der Tasche,
schob leise die Dornen zurück und schlich dem
Dieb vorsichtig näher. Als er hinzukam – wer hätte
sich das vermutet? – war der Dieb – ein allerliebstes
kleines Pferdchen. Johannes war innerlich erfreut;
hatte auch mit dem Einfangen gar keine Mühe; das
Tierchen folgte ihm willig zum Stall, den Johannes
fest verschloß. Und nun konnte er noch ganz gemach
in seinem Bette ausschlafen. Früh, als seine Brüder
aufstiegen und hinunter in den Garten gehen wollten,
sahen sie mit Staunen, daß Johannes in seinem Bette
lag und schlief. Da weckten sie ihn, und höhnten ihn
mit allerlei Neckreden, daß er der beste Wächter sei,
da er sogar nicht einmal die Nacht ausgehalten habe
auf seiner Wache. Aber Johannes sagte: »Seid ihr nur
ganz stille, ich will euch den Hirsedieb schon zeigen.
« Und sein Vater und seine Brüder mußten ihm
zum Stalle folgen, wo das wunderseltsame Pferdlein
stand, von dem niemand zu sagen wußte, woher es gekommen
und wem es zugehöre. Es war allerliebst anzusehen,
von zartem und schlankem Bau, und dazu
ganz silberweiß. Da hatte der Kaufmann eine große
Freude und schenkte seinem wackern Johannes das
Pferdchen als Belohnung, der nahm es freudig an und
nannte es Hirsedieb.
Bald vernahmen die Brüder, daß eine schöne Prinzessin
verzaubert wäre im Schloß, das auf dem gläsernen
Berge stehe, zu welchem niemand wegen der großen
Glätte emporklimmen könne. Wer aber glücklich
hinauf und dreimal um das Schloß herumreite, der erlöse
die schöne Prinzessin, und bekomme sie zur Gemahlin.
Gar unendlich viele hätten schon den Bergritt
probiert, wären aber alle wieder herabgestürzt und
lägen tot umher.
Diese Wundermär erscholl durchs ganze Land, und
auch die drei Brüder bekamen Lust, ihr Glück zu versuchen,
nach dem gläsernen Berg zu reiten, und – wo
möglich die schöne Prinzessin zu gewinnen. Michel
und Georg kauften sich junge, starke Pferde, deren
Hufeisen sie tüchtig schärfen ließen, und Johannes
sattelte seinen kleinen Hirsedieb, und so ging es aus
zum Glücksritt. Bald erreichten sie den gläsernen
Berg, der Älteste ritt zuerst, aber ach – sein Roß glitt
aus, stürzte mit ihm nieder und beide, Roß und Mann,
vergaßen das Wiederaufstehen. Der zweite ritt, aber
ach – sein Roß glitt aus, stürzte mit ihm nieder, und
beide, Mann und Roß, vergaßen auch das Aufstehen.
Nun ritt Johannes, und es ging trapp trapp trapp trapp
trapp – droben waren sie, und wieder trapp trapp
trapp trapp trapp und sie waren dreimal ums Schloß
herum, als wenn Hirsedieb schon hundertmal diesen
gefährlichen Weg gelaufen wäre. Nun standen sie vor
der Schloßtüre; diese ging auf, und es trat die reizendschöne
Prinzessin heraus; sie war ganz in Seide und
Gold gekleidet, und breitete freudig die Arme gegen
Johannes aus. Und derselbe stieg schnell vom Pferdlein
und eilte die holde Prinzessin, und somit sein
ganzes überaus großes Glück zu umfangen.
Und die Prinzessin wandte sich zum Pferdlein,
liebkosete dasselbe und sprach: »Ei, du kleiner
Schelm, warum warst du mir denn entlaufen, daß ich
nicht mehr die einzige Nachtstunde, die mir vergönnet
war, unten auf der grünen Erde zu weilen, genießen
konnte, da du mich nicht mehr den gläsernen Berg
hinunter- und wieder herauftrugst? Nun darfst du uns
nimmermehr verlassen.« – Und da ward Johannes gewahr,
daß sein Hirsediebchen das Zauberpferdlein
seiner himmelschönen Prinzessin war. Seine Brüder
kamen wieder auf von ihrem Fall, Johannes aber
sahen sie nicht wieder, denn der lebte glücklich und
allen Erdensorgen entrückt, mit seinem Engel im Zauberschloß
auf dem gläsernen Berge, aber auch zu diesem
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