und nachsehen, was mit ihr ist. – Gedacht, getan;
der Jäger ging in das Häuschen, da fand er den Herrn
Isegrimm im Bette der Alten liegen, und die Alte war
nirgends zu erblicken. »Bist du da?« sprach der Jäger,
und riß die Kugelbüchse von der Schulter. »Komm du
her, du bist mir oft genug entlaufen!« – Schon legte er
an – da fiel ihm ein: halt – die Alte ist nicht da, am
Ende hat der Unhold sie mit Haut und Haar verschlungen,
war ohnedies nur ein kleines dürres Weiblein.
Und da schoß der Jäger nicht, sondern er zog seinen
scharfen Hirschfänger und schlitzte ganz sanft
dem fest schlafenden Wolf den Bauch auf, da guckte
ein rotes Käppchen heraus, und unter dem Käppchen
war ein Köpfchen, und da kam das niedliche allerliebste
Rotkäppchen heraus, und sagte: »Guten Morgen!
Ach was war das für ein dunkles Kämmerchen da
drinnen!« – Und hinter dem Rotkäppchen zappelte die
alte Großmutter, die war auch noch lebendig, vielen
Platz hatten sie aber nicht gehabt im Wolfsbauch. –
Der Wolf schlief noch immer steinfest, und da nahmen
sie Steine, gerade wie die alte Geiß im Märchen
von den sieben Geißlein, füllten sie den Wolf in den
Bauch und nähten den Ranzen zu, hernach versteckten
sie sich, und der Jäger trat hinter einen Baum, zu
sehen, was der Wolf endlich anfangen werde. Jetzt
wachte der Wolf auf, machte sich aus dem Bett heraus,
aus dem Stübchen, aus dem Häuschen, und humpelte
zum Brunnen, denn er hatte großen Durst. Unterwegs
sagte er: »Ich weiß gar nicht, ich weiß gar
nicht, in meinem Bauch wackelt's hin und her, hin
und her, wie Wackelstein – sollte das die Großmutter
und Rotkäppchen sein?« – Und wie er an den Brunnen
kam und trinken wollte, da zogen ihn die Steine
und er bekam das Übergewicht und fiel hinein und ertrank.
So sparte der Jäger seine Kugel; er zog den
Wolf aus dem Brunnen und zog ihm den Pelz ab, und
alle drei, der Jäger, die Großmutter und das Rotkäppchen,
tranken den Wein, und aßen den Kuchen, und
waren seelenvergnügt, und die Großmutter wurde
wieder frisch und gesund, und Rotkäppchen ging mit
ihrem leeren Körbchen nach Hause, und dachte: du
willst niemals wieder vom Wege ab und in den Wald
gehen, wenn es dir die Mutter verboten hat.
Der alte Zauberer und seine Kinder
Es lebte einmal ein böser Zauberer, der hatte vorlängst
zwei zarte Kinder geraubt, einen Knaben und
ein Mägdlein, mit denen er in einer Höhle ganz einsam
und einsiedlerisch hauste. Diese Kinder hatte er,
Gott sei's geklagt, dem Bösen zugeschworen, und
seine schlimme Kunst übte er aus einem Zauberbuche,
das er als seinen besten Schatz verwahrte.
Wenn es nun aber geschah, daß der alte Zauberer
sich aus seiner Höhle entfernte, und die Kinder allein
in derselben zurückblieben, so las der Knabe, welcher
den Ort erspäht hatte, wohin der Alte das Zauberbuch
verbarg, in dem Buche, und lernte daraus gar manchen
Spruch und manche Formel der Schwarzkunst,
und lernte selbst ganz trefflich zaubern. Weil nun der
Alte die Kinder nur selten aus der Höhle ließ, und sie
gefangen halten wollte bis zu dem Tage, wo sie dem
Bösen zum Opfer fallen sollten, so sehnten sie sich
um so mehr von dannen, berieten miteinander, wie sie
heimlich entfliehen wollten, und eines Tages, als der
Zauberer die Höhle sehr zeitig verlassen hatte, sprach
der Knabe zur Schwester: »Jetzt ist es Zeit, Schwesterlein!
Der böse Mann, der uns so hart gefangen
hält, ist fort, so wollen wir uns jetzt aufmachen und
von dannen gehen, soweit uns unsere Füße tragen!«
Dies taten die Kinder, gingen fort und wanderten den
ganzen Tag.
Als es nun gegen den Nachmittag kam, war der
Zauberer nach Hause zurückgekehrt und hatte sogleich
die Kinder vermißt. Alsobald schlug er sein
Zauberbuch auf und las darin, nach welcher Gegend
die Kinder gegangen waren, da hatte er sie wirklich
fast eingeholt; die Kinder vernahmen schon seine zornig
brüllende Stimme, und die Schwester war voller
Angst und Entsetzen, und rief: »Bruder, Bruder! Nun
sind wir verloren; der böse Mann ist schon ganz
nahe!« Da wandte der Knabe seine Zauberkunst an,
die er gelernt hatte aus dem Buche; er sprach einen
Spruch, und alsbald wurde seine Schwester zu einem
Fisch, und er selbst wurde ein großer Teich, in welchem
das Fischlein munter herumschwamm.
Wie der Alte an den Teich kam, merkte er wohl,
daß er betrogen war, brummte ärgerlich: »Wartet nur,
wartet nur, euch fange ich doch!« und lief spornstreichs
nach seiner Höhle zurück, Netze zu holen,
und den Fisch darin zu fangen. Wie er aber von hinnen
war, wurden aus dem Teich und Fisch wieder
Bruder und Schwester, die bargen sich gut und schliefen
aus, und am andern Morgen wanderten sie weiter,
und wanderten wieder einen ganzen Tag.
Als der böse Zauberer mit seinen Netzen an die
Stelle kam, die er sich wohl gemerkt hatte, war kein
Teich mehr zu sehen, sondern es lag eine grüne Wiese
da, in der es wohl Frösche, aber keine Fische zu fangen
gab; da wurde er noch zorniger wie zuvor, warf
seine Netze hin, und verfolgte weiter die Spur der
Kinder, die ihm nicht entging, denn er trug eine Zaubergerte
in der Hand, welche ihm den richtigen Weg
zeigte.
Und als es Abend war, hatte er die wandernden
Kinder beinahe wieder eingeholt; sie hörten ihn schon
schnauben und brüllen, und die Schwester rief wieder:
»Bruder, lieber Bruder! Jetzt sind wir verloren, der
böse Feind ist dicht hinter uns!«
Da sprach der Knabe wiederum einen Zauberspruch,
den er aus dem Buche gelernt, und da ward
aus ihm eine Kapelle am Weg, und aus dem Mägdlein
ein schönes Altarbild in der Kapelle.
Wie nun der Zauberer an die Kapelle kam, merkte
er wohl, daß er abermals geäfft war, und lief fürchterlich
brüllend um dieselbe herum; er durfte sie aber
nicht betreten, weil das immer im Pakt der Zauberer
mit dem Bösen stand, daß sie niemals eine Kirche
oder eine Kapelle betreten durften.
»Darf ich dich auch nicht betreten, so will ich dich
doch mit Feuer anstoßen, und auch zu Asche brennen!
« schrie der Zauberer und rannte fort, sich aus
seiner Höhle Feuer zu holen.
Während er nun fast die ganze Nacht hindurch
rannte, wurden aus der Kapelle und dem schönen Altarbild
wieder Bruder und Schwester; sie bargen sich
und schliefen, und am dritten Morgen wanderten sie
weiter und wanderten den ganzen Tag, während der
Zauberer, der einen weiten Weg hatte, ihnen aufs neue
nachsetzte. Als er mit seinem Feuer dahin kam, wo
die Kapelle gestanden, stieß er mit der Nase an einen
großen Steinfelsen, der sich nicht mit Feuer anstoßen
und zu Asche verbrennen ließ, und dann rannte er mit
wütenden Sprüngen auf der Spur der Kinder weiter
fort.
Gegen Abend war er ihnen nun ganz nahe, und zum
drittenmal zagte die Schwester und gab sich verloren;
aber der Knabe sprach wieder einen Zauberspruch,
den er aus dem Buche gelernt, da ward er eine harte
Tenne, darauf die Leute dreschen, und sein Schwesterlein
war in ein Körnlein verwandelt, das wie verloren
auf der Tenne lag.
Als der böse Zauberer herankam, sah er wohl, daß
er zum drittenmal geäfft war, besann sich aber diesmal
nicht lange, lief auch nicht erst wieder nach
Hause, sondern sprach auch einen Spruch, den er aus
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