1 ...7 8 9 11 12 13 ...30 vermeiden, ich will deshalb geschwind die Leiter
hinunter steigen, daß im Hause kein Lärm wird, und
den Erschossenen bei Seite schaffen.« Das war der
Edelfrau recht, und ihr Mann tat, wie er gesagt. Bald
darauf kam er wieder herauf und sprach zur Frau: »
Der ist mausetot, ich will dem armen Teufel aber
doch, ehe ich ihn in die Grube werfe, in einen Leinlacken
hüllen, und da er um deines Ringes willen sein
Leben hat lassen müssen, so wollen wir ihm diesen
anstecken; gib mir den Ring und auch das Bettuch.«
Die Frau gab beides her, und jener stieg eilend wieder
hinunter. Es war aber nicht der Edelmann, sondern
der Meisterdieb, der, um sein Stücklein auszuführen,
vom ersten besten Galgen (damals gab es in Deutschland
noch alle Wege viele Galgen), einen frisch Ge-
henkten abgeschnitten und ihn dann auf seine Schultern
geladen hatte, als er die Leiter emporstieg. Wie
drinnen der Schuß fiel, ließ er den Leichnam hinunter
stürzen, stieg eilend die Leiter herab und versteckte
sich. Und wie nun der Edelmann herunter kam, und
sich mit dem vermeintlich Erschossenen zu schaffen
machte, wischte er rasch hinauf ins Zimmer der Frau,
ahmte des Paten Stimme nach und forderte Ring und
Bettuch.
Am andern Morgen sah der Edelmann wieder nach
seiner Gewohnheit zum Fenster hinaus, da ging drunten
ein Mann auf und ab, der hatte, wie es schien,
Leinwand zu verkaufen, mindestens trug er ein zusammengeschlagenes
Bündel über der Schulter, und
ließ einen schönen Ring in der Morgensonne blitzen
und funkeln. Mit einem Male rief der Mann hinauf:
»Schönsten guten Morgen, Herr Pate! Ich wünsche
Ihnen und der Frau Patin recht wohl geruht zu
haben!« – Der Edelmann war wie vom Donner gerührt,
als er seinen Paten, den er die vorige Nacht mit
eigner Hand erschossen und mit derselben Hand in
eine Grube geworfen, leibhaftig stehen sah, und fragte
hastig seine Frau nach Ring und Tuch. »Nun, du hast
mir's ja diese Nacht abverlangt!« erwiderte die Dame.
»Der Satan! Aber ich nicht!« tobte der Edelmann –
doch gab er sich bald wieder, in Erwägung, daß der
kühne Dieb noch mehr hätte nehmen können. Er
machte dem Paten eine Faust zum Fenster hinaus und
rief: »Erzgauner! Das dritte! Das dritte bringt dich sicherlich
an den Galgen!«
In der nächsten Nacht darauf begab sich etwas
Seltsames auf dem Gottesacker. Der Schulmeister, der
diesem zunächst wohnte, wurde es zuerst gewahr und
meldete es dem Herrn Pfarrer. Über den Gräbern wandelten
kleine brennende Lichtlein in unstäter Bewegung
umher. »Das sind die armen Seelen, Schulmeister!
« flüsterte der Pfarrer mit Grausen. Plötzlich erschien
eine große schwarze Gestalt auf den Stufen der
Kirchtüre, die rief mit hohlem Tone:
»Kommt all zu mir, kommt all zu mir,
Der jüngste Tag ist vor der Tür!
O Menschenkinder, betet still!
Die Toten sammeln schon ihr Gebein!
Wer mit mir in den Himmel will,
Der kreuch in diesen Sack hinein!«
»Wollen wir?« fragte der Schulmeister den Pfarrer mit
Zähneklappern. »Zeit wär's, vorm Torschluß. Der heilige
Apostel Petrus ruft uns, das ist keine Frage. Aber
Reisegeld?« – »Ich habe mir zwanzig Kronen erdarbt
«, wisperte das Schulmeisterlein. »Ich habe hundert
Dicketonnen (Laubthaler) für den Notfall zurückgelegt!
« sprach der Pfarrer. »Holen wir's und neh-
men's mit!« riefen beide und taten also, dann näherten
sie sich der schwarzen Gestalt mit Furcht und Zittern.
Diese war der Meisterdieb; er hatte Krebse gekauft
und ihnen brennende Wachslichterlein auf den Rükken
geklebt, das waren die armen Seelen, hatte einen
Mönchsbart und eine Mönchskutte, und einen Hopfensack,
in den er die beiden Schwarzröcke aufnahm,
nachdem er ihnen ihr Erspartes abgenommen. Jetzt
schnürte er den Sack zu und schleifte ihn hinter sich
her durch das Dorf und durch einen Tümpfel, wobei
er rief: »Jetzt geht's durch das Rote Meer!« dann
durch den Bach: »Jetzt geht's durch den Bach Kidron
«, dann durch die Schloßflur, allwo es kühl war:
»Jetzt geht's durch das Thai Josaphat«, dann zur
Treppe hinauf: »Dieses ist schon die Himmelsleiter«,
endlich hing er den Sack im Schornstein auf an einen
Haken, daran man die Schinken räuchert, machte darunter
einen ziemlichen Qualm und rief mit schrecklicher
Stimme: »Dieses ist das Fegefeuer! Dieses dauert
etwelche Jahre!« und machte sich fort. Da schrieen
Pfarrer und Schulmeister Zeter Mordio, daß das ganze
Hausgesinde zusammen lief. Der Meisterdieb aber
trat kecklich zum Edelmann: »Herr Pate, meine dritte
Probe ist auch gelöst. Pfarrer und Schulmeister hängen
im Schornstein, und so es Euch gefällig, könnt Ihr
sie selber zappeln sehen und schreien hören!« – »O
du Erzschalk und Erzgauner, du Erzbösewicht und
Meisterdieb aller Meisterdiebe!« rief der Edelmann
und gab gleich Befehl, jene aus dem Fegefeuer zu erlösen.
»Du hast mich überwunden, hebe dich von
dannen! Hier hast du ein Goldstück. Hebe dich von
dannen, komme mir nicht wieder vor Augen, und laß
dich für dein Geld henken, wo es dir gefällig ist.«
»Danke zum allerschönsten, gestrenger Herr Pate,
und will so tun!« antwortete der Spitzbub, »aber wollt
Ihr nicht die Pfänder auslösen, die ich redlich erworben
habe? Euer Leibroß mit zweihundert Kronen,
Eurer Gemahlin Trauring und das Tuch mit hundert
Kronen, des Pfarrers und Schulmeisters Geld mit hundertundzwanzig
Kronen! Wo nicht, so fahr ich damit
von dannen.« Den Edelmann rührte fast der Schlag; er
sprach: »Lieber Pate, das war ja alles nur ein Spaß,
du wirst diese Güter nicht an dir behalten wollen; ich
schenke dir ja das Leben.« – »Nun, so will ich gehen,
und Euch die Sachen alle herbringen!« sprach der
Meisterdieb; ging und ließ seinen Wagen anspannen,
seinen alten Vater und seine Mutter hineinsetzen,
setzte sich selbst auf des Edelmanns Roß, steckte den
prächtigen Ring an den Finger und schickte dem
Edelmann nur das Bettuch mit einem Brieflein, darin
stand: »Gebt dem Pfarrer und dem Schulmeister ihr
Geld zurück, sonst stiehlt Euch Eure Frau
Dero untertäniger Pate und Meisterdieb.«
Da bekam der Edelmann große Furcht, trug den Schaden
und wollte nichts mehr von seinem Paten wissen,
erfuhr auch nichts mehr von ihm, denn der war mit
seinen Eltern in ein fernes Land gezogen und ein ehrlicher
und angesehener Mann geworden.
Die verzauberte Prinzessin
Es war einmal ein armer Handwerksmann, der hatte
zwei Söhne, einen guten, der hieß Hans, und einen
bösen, der hieß Helmerich. Wie das aber wohl geht in
der Welt, der Vater hätte den bösen mehr lieb als den
guten.
Nun begab es sich, daß das Jahr einmal ein mehr
als gewöhnlich teures war und dem Meister der Beutel
leer ward. Ei! dachte er, man muß zu leben wissen.
Sind die Kunden doch so oft zu dir gekommen, nun
ist es an dir höflich zu sein und dich zu ihnen zu bemühen.
Gesagt getan. Früh morgens zog er aus und
klopfte an mancher stattlichen Tür; aber wie es sich
denn so trifft, daß die stattlichsten Herren nicht die
besten Zahler sind, die Rechnung zu bezahlen hatte
niemand Lust. So kam der Handwerksmann müde und
matt des Abends in seine Heimat und trübselig setzte
er sich vor die Türe der Schenke ganz allein, denn er
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