Eine zumindest vorläufige Lösung für sein heikles Problem fällt ihm zum Glück auch ein. „Für eine kleine Gefälligkeit kriegst du sogar die Hälfte meines Specks.“
Captain Nemo wendet sich zu ihm um und Mistie bemerkt, dass er fast mehr Wasser im Maul hat als das Meer fassen kann. Seine Augen leuchten. Erst hier an Deck bemerkt der Marder, dass sie die Farbe des Himmels besitzen.
„Schieß los, was kann ich für dich tun?“
Unwillkürlich zuckt Mistie zusammen. Vom Schießen will er nämlich nichts hören. „Weißt du“, beginnt er alsbald, „eigentlich würde ich meine Mahlzeiten lieber mit dir einnehmen, als unter den vielen Menschen im Speisesaal.“
Captain Nemo leckt sich mit seiner rosa Zunge über die Barthaare. Das beruhigt Mistie. Er dachte schon, die wäre auch blau.
„Okay Kumpel“, stimmt der Kater freudig zu. „Ich hab dich – ehrlich gesagt –, schon für einen Snob gehalten.“
Mistie juckt das Zwerchfell. Selbsterkenntnis ist für Captain Nemo wahrhaftig ein Fremdwort.
Das Lachen bleibt Mistie allerdings im Hals stecken, denn, wie aus dem Erd-, beziehungsweise Schiffsboden gewachsen, tauchen Kinder auf, springen und hüpfen direkt auf sie zu. Bei denen wird Misties Taktik nicht funktionieren. Die sehen immer mehr als die Erwachsenen, schauen ganz anders hin. Und wenn auch denen nicht geglaubt wird, so mag Mistie trotzdem nicht von ihnen entdeckt werden. Er beschließt, sich zu verbergen, bis die Gefahr vorüber ist. Das muss er dem Kater sagen und ihn für alle Fälle fragen, wann und wo sie ihre gemeinsamen Speisen einnehmen. Bah, jetzt ertappt er sich dabei, dass er schon so geschwollen denkt, wie der redet. „Nemo, he Nemo – Captain Nemo!, hör' mal...“ Alles vergebens, der palavert wieder in einem Fort vor sich hin, hat die Kinder natürlich auch schon bemerkt. Nur, dass der sich sogar darüber freut, sich bestimmt den Pelz durchkneten lassen will.
„Guck mal, was für eine schöne Katze!“, ruft auch schon eins dieser Plagegeister. Mistie reicht's, er verdrückt sich. Nicht mal davon kriegt Captain Nemo was mit.
Im Schutz einer Einbuchtung der Innenwand, beobachtet der Marder, wie er einem der drei Kinder seinen dicken Kopf in die Hand drückt, sich bewundern und genüsslich hinter den Ohren kraulen lässt.
Mistie überläuft ein Schaudern. Wie lange wird man sich wohl putzen müssen, bis man den Menschengeruch wieder los ist?Dabei fällt ihm ein, dass das ja für den Kater keine Rolle spielt. So, wie der sich aufführt, scheint es sehr angenehm zu sein. Bevor Mistie noch beginnt, ihn darum zu beneiden, wendet er sich ab und trippelt ein Stückchen weiter, immer schön an der Einbuchtung entlang.
Wie lange dauert das denn noch? Immer noch hört er, wie sie ihm Honig um den Bart schmieren. Mannomarder, dabei ist der ja wirklich schon eingebildet genug!
Zu allem Übel kommen jetzt aus der anderen Richtung Erwachsene und Mistie hat niemanden mehr, hinter dem er sich verstecken kann. Ihre Stimmen verheddern sich mit denen der Kinder. Angestrengt versucht Mistie, Captain Nemos Schnurren herauszufiltern. Es klappt nicht. Hat er seinen „Motor“ ausgeschaltet, ist womöglich schon weitergegangen?
Mistie traut ihm durchaus zu, dass er selbst dann seine Abwesenheit noch immer nicht bemerkt.
Länger kann er nicht warten. Die Erwachsenen rücken ihm sonst zu dicht auf den Pelz.
Mit zwei Sätzen hockt er auf einem der Rettungsringe, das Rauschen des Meeres in den Ohren, und späht über das Geländer. Unter ihm pflügt der Schiffsrumpf durch's Wasser. Mächtig schäumt es, wie ein weißes Ungeheuer. Doch Misties angeborene Scheu vor Menschen überwiegt. Er klettert über das Geländer und umklammert es kopfüber mit allen Vieren. Nach kurzem Überlegen, in welcher Richtung die Holzkiste mit seinem Speck liegt, hangelt er sich am Geländer entlang. Erst, als sein Gehör ihm signalisiert, dass keine Zweibeiner mehr in der Nähe sind, wagt er einen Blick auf den Gang. Ist er schon zu weit weg? Menschen sind weder zu sehen noch zu riechen noch zu hören, der Kater leider auch nicht. Mistie steigt über das Geländer und sucht Boden sowie Wände nach seinen Duftmarken ab.
Es geht eben nichts über eine gründliche Markierung. Er findet sie, ist nicht verkehrt, folgt ihnen und sieht schon von weitem die Kiste. Nur von Captain Nemo ist weit und breit nichts zu sehen, nicht ein Haar aus seinem „tollen“ Colour-point-Pelz.
Die Kiste steht noch da, wie Mistie sie verlassen hat, der Deckel einen Spalt breit offen. Soll er es wagen? Und wenn sie wieder zufällt? Aber der Speck könnte so gut den Eiern in seinem Bauch Gesellschaft leisten!
Mistie schaut sich um. Die Luft ist rein. Er schlüpft in die Kiste und gräbt zwischen den Bocciakugeln. Zu blöd, dass die immer wieder unter seinen Pfoten wegrollen. Endlich erhascht er einen Zipfel vom Speck, zieht und zerrt daran herum, reißt ihn ab und verschlingt ihn. Köstlich! Aber wo ist der Rest? Erneut unter den Kugeln vergraben!
Mistie kann nicht mehr, streckt seufzend alle Viere von sich und schließt ermattet die Augen. Es ist einfach ungerecht, wie ungleich die Kräfte verteilt sind. Und wenn man schon mal einen Kater braucht, dann ist er nicht da!
Eigentlich würde Mistie sich viel mehr ärgern, doch selbst dazu ist er zu müde, gähnt herzhaft und sinkt in einen tiefen Schlaf.
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