
Die Kindeserziehung ist bei uns Enten aber immer Frauensache. Die Entenmänner kümmern sich überhaupt nicht um unsere Babys.
Trotzdem ist mein Erpel, er heißt Fridolin, immer für mich da. Viel Zeit für die kleinen Enten bleibt ihm nicht, denn Fridolin hat viele Konkurrenten unter den anderen Entenmännern, die mich auch heiß verehren. Und so verbringt Fridolin den lieben, langen Tag damit, die anderen Erpel, die sich mir nähern, zu verjagen.
Dabei ist das gar nicht nötig, denn ich bin meinem Fridolin treu. Aber er ist immer furchtbar eifersüchtig.
Manchmal werde ich aber auch böse, wenn sich ein anderer Entenmann mir nähert und Fridolin gerade nicht da ist. Diesen frechen Verführer beiße ich dann in seinen gefiederten Schwanz. Das zieht und rupft, es tut ihm auch ein bißchen weh, aber er weiß dann, daß ich meinen Fridolin liebe und keine Augen für andere Entenmänner habe.
Aber er wird es sicher wieder versuchen, denn in spätestens einer halben Stunde faßt er wieder neuen Mut. So geht dies Spiel tagein, tagaus ... bis ich ihm alle Schwanzfedern ausgerupft habe.
Aber das sind nur kleine Geschichten aus dem Leben einer Ente. Jeden Tag geschehen neue Dinge und das Entenleben kann wunderschön sein, wie die nächsten Seiten berichten werden.
Ein wahres Entenparadies
Wir treffen uns gerne an den Ufern von kleinen und großen Seen, aber wir mögen auch Bäche, die uns viel Nahrung und gute Nistplätze bieten. Besonders mögen wir die Ufer der Seen, die die Menschen besuchen, weil sie uns dann gerne füttern. Manche Menschen erfreuen sich so sehr an uns Enten, aber auch an den Schwänen und Gänsen, daß sie volle Einkaufstüten mit Brot mitbringen ... ein Leckerbissen für uns Wasservögel.
Auch die Schwäne und die Gänse sind ganz begeistert. Kleine Vögel springen auch zufrieden zwischen uns großen Vögeln herum und picken die ganz kleinen Krümel auf. Das ist gute Nachbarschaft, und abends, wenn die Menschen heimgehen, ist alles Brot vom Boden verschwunden. Auch im Wasser schwimmt kein einziger Krümel mehr. Wir sind gründlich, die großen und die kleinen Vögel, fressen alles auf und hoffen, daß morgen wieder Menschen kommen, die uns mit allerlei leckeren Sachen besuchen.

Wir Enten mögen aber auch die Delikatessen, die der See uns bietet. Hungrig sind wir immer und fressen dann gerne auch kleine Fische, Würmer, leckere Pflanzen und Wurzeln. Auch kleine Frösche sind nicht zu verachten, aber die sind so schlau und vorsichtig, daß sie ganz schnell ins Wasser springen, wenn sie eine Ente sehen.
Von den Menschen aber sind uns die am liebsten, die keine Jäger sind und nicht auf uns schießen und viel lieber am Feierabend oder am Wochenende ihre Brottüte auspacken und uns füttern. Neben Brot bringen sie uns manchmal auch den Rand einer Pizza, Zwieback oder Butterkekse mit. Einmal sogar kam einer, der uns kalte Spaghetti mitbrachte. Das war wie Weihnachten! Ein ganz schlauer Mensch! Damit wir Enten, und auch die Schwäne und die Gänse, nicht an den langen Spaghetti verschlucken, hatte er sie ganz klein zerschnitten. Hoffentlich kommt er bald wieder...
Vor so lieben Menschen habe ich überhaupt keine Angst. Ich erkenne den einen oder den anderen auch wieder, weil er uns Enten regelmäßig besucht. Wenn wir uns schon oft gesehen haben, laufe ich dann auch fröhlich auf ihn zu und Fridolin folgt mir dann mit ein wenig Abstand. Unsere Entenmänner sind immer etwas vorsichtiger. Wir, die Enten, Schwäne, Gänse und die Vögel streiten ganz selten, weil genug Leckereien für alle da sind. Aber ganz eigensinnig sind manchmal die Schwäne. Gerade am frühen Morgen sind wir Vögel besonders hungrig und haben alle Appetit auf die Leckerbissen, mit denen uns die Menschen bald besuchen werden. Die Schwäne springen dann aus dem Wasser und stellen sich majestätisch und in voller Größe vor unsere zweibeinigen Besucher. Die Geste der Schwäne heißt dann „füttere mich zuerst und später die Enten“. Weil die Schwäne so groß sind, streiten wir nicht gerne mit ihnen, aber unsere Entenbabys laufen sehr flink um sie herum und sehen zu, daß sie auch einige Leckerbissen erwischen.
Liegt da ein Brotkrümel, den ein Küken erblickt hat, schnappt der Schwan nach dem kleinen Entchen. Aber er beißt nicht richtig zu. Unsere kleinen Enten lernen auf diese Weise, daß es nicht nur nach ihrer Nase, pardon, nicht nur nach ihrem Schnabel geht. Eine ausgewachsene Entenmutter ist zwar auch viel kleiner als der Schwan, aber wenn sie ihn mit „quak quak“ böse beschimpft, läßt er den kleinen Entchen auch ein paar Brotkrümel übrig. Es gibt keine bösen Schwäne, aber unsere Küken lernen, daß sie nicht unvorsichtig durchs Leben laufen dürfen. Fridolin weicht zwar fast nie von meiner Seite, aber wenn Polly auftaucht und munter auf mich zuschwimmt, lasse ich meinen Erpel manchmal alleine und geselle mich zu ihr.
Polly und ich wurden Freundinnen, als wir noch ganz klein waren. Unsere Mütter hatten ihre Nester an einem ganz ruhigen Ufer mit viel Unterholz gebaut. Wir erblickten unsere Mütter nach einem anstrengenden Kampf gegen die Eierschalen, als wir groß genug waren, um ans Tageslicht zu schlüpfen. Pollys Eltern und meine, die erfreut über unsere Geburt waren und begeistert noch viele andere kleine Enten zur Welt brachten, waren also Nachbarn! Als Polly, unsere Geschwister und ich diese ungemütlichen Eierschalen verließen, zog es uns sofort ins Wasser, wo eine richtige Ente auch hingehört. Die Menschen nennen uns daher auch Nestflüchter, weil wir sofort schwimmen können, nachdem wir aus unseren Eiern geschlüpft sind. Unsere Eltern brauchen uns nicht zu füttern, weil wir sofort hungrig ins Wasser springen. Aber solange wir noch klein sind, paßt unsere Mutter auf uns auf.
Wir Freundinnen schwammen schon als Entenkinder gemeinsam mit unseren Eltern und Geschwistern in den Gewässern auf und ab. Wir wuchsen zusammen auf, und als wir groß genug waren, verließen wir unsere Eltern, um selbst eine Familie mit einem netten Erpel zu gründen. Polly sieht anders aus als die meisten von uns Weibchen. Wir Entendamen haben meist ein braunes Gefieder und einen braunen Schnabel. Pollys Schnabel aber ist gelb ... wie der Schnabel eines Erpel. Aber sie ist eine besondere Schönheit, denn Polly hat einen modischen und wunderschönen weißen Kragen. Die Männer sind richtig begeistert von ihr, weil sie so schön ist. Verliebt hat sich Polly in einen Entenmann namens Friedbert.
Pollys Küken sind bereits geschlüpft. Es sind ihre ersten Kinder, und den ganzen langen Tag, aber auch nachts, ist sie damit beschäftigt, die kleinen Racker im Auge zu behalten. Seit ihre Kleinen da sind, hat Polly keine Zeit mehr, um mit mir gutgelaunt auf dem See zu schwimmen. Aber wenn die Kinder in einigen Monaten erwachsen sind, werden wir wieder viel Zeit miteinander verbringen, zusammen kleine Fische und Kaulquappen fangen und uns über die eingebildeten Erpel lustig machen. Sie verfolgen uns immer, wenn wir einen Ausflug starten und sind furchtbar eingebildet. Erpel sind wohl immer verliebt ... auch in sich selbst! Genau wie die großen Enten und die Schwäne, springen auch Pollys Küken sofort ans Ufer, wenn die Menschen sie füttern wollen.

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