Maltes morgendliche Session läuft wie am Schnürchen. Er paddelt noch einmal hinaus, dreht sich zum Strand hin mit Blick auf die gewaltigen Bergformationen, die das Tal des Großen Königs flankieren und von Weitem unbezwingbar erscheinen. Die erodierten Abbruchkanten des Vulkangesteins kontrastieren mit dem Weiß der Häuser von La Calera, die den unteren Abschnitt der Bergflanke wie eine Kruste von Seepocken überziehen. Anhand des Standortes der Palmen, die den Ortsteil schmücken, kann Malte die Position ihres Häuschens ausmachen. Er wartet auf seine nächste Welle und fühlt sich von einer ungewohnten Euphorie erfüllt, als er ein Monstrum heranrollen sieht. Sein Puls beschleunigt sich, während die Welle sich auf ihn zu bewegt. Und als sie ihn anzuheben beginnt, meint er zu spüren, wie die Glückshormone seinen Körper fluten. Später wird er Laura davon berichten, dass er es geschafft hat, die Energie der Welle zu seiner eigenen zu machen, denn er weiß, dass ihr solche Formulierungen gefallen.
Als er das Wasser verlassen hat, am Strand entlang geht, das Surfbrett unter den Arm geklemmt, verfliegt seine Euphorie und weicht einer ihm unbekannten Empfindung. Er hat das Gefühl, im Kreis zu laufen – nicht räumlich betrachtet, sondern zeitlich. Natürlich hegt er keinen Moment lang Zweifel daran, wo er sich befindet, er muss sich nicht erst sammeln, ist geistig vollkommen auf der Höhe. Und doch könnte der Sand, in dem er mit jedem Schritt einsackt, für ihn jeder beliebige Strand sein: das Elbufer bei Wittenbergen, die Nord- oder Ostsee, der Malibu State Beach – ein universeller Strand eben. Das Bild eines Karussells kommt ihm in den Sinn, eines, das sich immer schneller zu drehen beginnt. Er stellt sich vor, wie die Fliehkräfte ihn nach außen drücken, wie das Gesicht seiner Mutter und einer Jugendfreundin an ihm vorbeifliegen, gefolgt von mathematischen Formeln, Laura in ihrem Atelier, Computer, Bücher, Autos, Schwimmflossen, Kinderwagen, Wanderstiefel, Lauras Lippen, Flugzeuge – die Bilder verwischen und verwandeln sich in bunte Farbstreifen, die ineinander übergehen. Malte zittert jetzt und setzt das Surfbrett ab. Er ist der festen Überzeugung, dass jeder unbekannte Strand wie auch jeder künftige Wellenritt ihm keine Zunahme an Lebensglück mehr bringen kann. Es erscheint ihm angebracht, das Schicksal nicht länger herauszufordern. An diesem Abend will er mit Laura sprechen.
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