Eckermann :
Verzeiht, Geheimer Rat, wenn ich bemerke
Sie gingen ganz gewiss gleich gut zu Werke
Und wenn mich mein bescheidener Sinn nicht trügt
So haben Sie sich rasch in alles eingefügt!
Goethe :
Mein lieber Eckermann, dem sei wie’s wolle
Bedenk er wohl: Ich kam von Frankfurts Scholle...
Und hab das reinste Hessisch nur gebabbelt
Bei Hofe selbst, hab ich’s gebrabbelt
Wie’s mir nur so von Mund zu Herzen floss
Bis es die Frau von Stein zutiefst verdross
Eckermann :
Seht es mir nach, wenn ich hier unterbreche:
Zwar scheint der Dialekt oft eine Schwäche
Doch bin ganz sicher ich: Aus I h r e m Mund
Tat sich selbst HESSISCHES als Wohllaut kund!
Goethe :
Mein teurer Eckermann, die Frau von Stein
Schien davon nicht ganz überzeugt zu sein:
‘Vergess er nicht: Er ist allhier bei Hofe!
So wie er spricht, verscheucht er jede Zofe
Bemüh er sich, die sch’s zu unterdrücken!
Man tuschelt schon und nicht nur hinterm Rücken‘
Goethe schüttelt den Kopf und schreitet sinnierend durch den Raum,
bis er sich entschlossen Eckermann zuwendet:
Wer will nur darben, wie Asketen leben?
Lasst nun auf Weimar, Eckermann, uns einen heben!
Und nicht zu knapp auch auf die Frau von Stein
Bring er Bordeaux , sei er so gut, bring er uns Wein!
Nachtgedanken von Friedrich von Schiller (1759–1805)
Auch ich ein Sohn aus Schwabenland
Dies machte mir zu schaffen
Bis nach und nach ich Mittel fand
Die Mundart mir zu straffen
Denn wenn ich schrieb, so hörte man nichts,
Keine schwäbisch-verschrobenen Laute
Die Feder nur kratzte, bei talg-trübem Licht
Indes ich fünf Akte erbaute
Mein Atem nur ging und ich überließ
Den Gestalten des Stückes zu sprechen
Bis tief in der Nacht ich die Kerze ausblies
Um vorm Schlaf noch ’nen Becher zu zechen
Das Schwaben- ist fürwahr ein Land
Der Denker, der Tüftler und Dichter
Auch ich kam dem großen Immanuel Kant
Nach einem Jahrzehnt auf den Trichter
Zehn Jahre das Hirn zermürbt mir mit Kant
Dies konnte von Goethe nie fassen
Es brachte der Kant mich fast um Verstand
Doch konnte von ihm ich nicht lassen
War’s Schicksal, das mich nach Weimar geführt?
Ich sehe Ihn heut noch erscheinen
Den Genius habe sofort ich gespürt
Doch zugleich und nicht minder den meinen
Wie habe ich Goethe zu Anfang gehasst
Sein olympisch einnehmendes Wesen…
Ich hätt’ ihn als Herzog aus Weimar geschasst
Und hab doch so gern ihn gelesen
Es lag darin ein tiefer Sinn
Ich kam, um Ihn zu begleiten
Doch dass Ich als Dramatiker besser bin
Wird niemand wohl ernsthaft bestreiten
Sein Opus FAUST , die Elegie
Die im Bad von Marien ihm entflossen
Es hilft alles nichts, dies erreichte ich nie
Ich habe trotzdem sie genossen
So nach und nach verstand ich ihn tief
Bis ich Goethe den Goethe erklärte
So dass er mich öfter zu sich berief
Da ich mich als Dolmetsch‘ bewährte
Nur eines ging mir gegen den Strich
Seine elenden Weibergeschichten!
Da war er wirklich ein Liederlich
Doch half es ihm scheinbar beim Dichten
Ich sehe ihn noch: Wie er, die Arme verschränkt
Gehalten hinter dem Rücken,
Im Parke wandelnd, die Metamorphose bedenkt
Sein Schluss konnte mich nicht entzücken
Sein Denken glich platonischem Schauen
Da fehlte die kantische Strenge!
Er schien meinen Einwand leicht zu verdauen
Und schlug öfter noch über die Stränge
Doch einmal hat er kalt mich erwischt:
Als Weimar er bei Nacht und Nebel verlassen
Er machte daraus so manches Gedicht
Der Mann war nie ganz zu fassen
Es war ihm Weimar als Kaff wohl zu öd
Da schien ROM ihm mehr angemessen
Klang sicher wie Wohllaut ihm: ‘Signor Goeth‘
Wenn er beim Italiener gegessen
In Rom schrieb er manch losen Reim
Und schickte sie dreist per Postille
Die Frauenzimmer gingen ihm auf den Leim
Der alten teutonischen Grille
Ihm half es, dass er Italienisch verstand
Er sprach es, akzentreich und fließend
Er war da schon immer äußerst gewandt
Ich fand das Ganze verdrießend
Als dann er schließlich zurückgekehrt,
Empfing ihn höfische Kühle
Die von Stein’sche hat ihm den Einlass verwehrt
Im Adel verletzt der Gefühle
Als ich dann so verfrüht verschied
Hat Goethe schwer gelitten
Ich sehe ihn noch, wie er zur Totengruft zieht
Er kam mit schweren Schritten
Er sah meinen Schädel voll Rührung an
Schrieb Verse, die unübertroffen
Nur lesen solltet Ihr’s dann und wann
Ich kann da nur weiter hoffen
Rat an einen jungen Dichter in der Krise
Dir fehlt der Schwung zum Dichten
Ihn mache dir zunichten
− Rein durch die Athmosphäre‘
Die Reimern schädlich wäre −
Der Genius des Ortes
In dem du wohnst, seit einem Jahr
Er sei nicht förderlich dem ‘Kult des Wortes‘
So wie die Stadt, die früher dein Zuhause war?
Der Ort, er sei ‘für Maler‘ schicklich
Jedoch für Dichter unerquicklich
Für Steinbehauer sei er prächtig
Poeten hemm’ er schwer und mächtig
Du bangst, so schließt du, ‘um dein Schaffen‘
Dein Wohnort scheint dich hinzuraffen
Getrost, mein Freund! Nur unverzagt!
Du hast den rechten Mann gefragt
Ich habe noch dieselbe Nacht
Lang darüber nachgedacht
Bis ich für dich die Lösung fand,
Die zweifellos ich klar erkannt:
Willst du als Dichter was vollbringen
Dann pack dein Zeug und zieh nach BINGEN
George ist die Stadt bekommen
So wird sie dir auch sicher frommen
Wandle ruhig auf seinen Spuren
Durch die weiten Weinbergs-Fluren
Doch vergiß dabei mitnichten
Ab und an auch was zu dichten
Wird dir Bingen nicht zur Labung:
Liegt woanders die Begabung?
Rainer Maria Rilke berichtigt sich
Ich trieb mich gern in Schlössern rum
Und schrieb, dass Armut glänze
Ein Arbeitsloser nahm‘s mir krumm
Weshalb ich hier ergänze:
Die Armut ist ein großer Glanz
Solang man nicht betroffen
Zum Ökonomen reicht’s nicht ganz
Der Vers jedoch lässt hoffen
Als ich noch ein Knabe war
Fuhr die Tante mir durchs Haar:
‘Bub, was wirst du? Bücher-Binder!?‘
– Dabei war ich schon: Wahl-Inder! –
Ich dacht': Dich bring ich auf den Trichter!
Und sprach: ‘Nichts werde ich - als Dichter!
Damit du's gleich als Erste weißt‘
– Sie ging mir oft noch auf den Geist –
Dann in Maulbronn: Die Jugendnöte:
Selbst mit Fieber las ich Goethe
Und wie die Bienen aus den Waben
Sog ich aus den Dichter-Schwaben
Die Nahrung mir, nach der ich lechzte
Bis ich vor Migräne ächzte:
Von Mörike war ich entzückt
Von Lenau weltschmerzlich beglückt
Den Uhland fand ich herrlich bieder
Am Hauff genas ich immer wieder
Durch Schiller wurd‘ ich idealisch
Durch Hölderlin leicht genialisch
Wem auch ich viel zu danken hab:
Dem sagenhaften Gustav Schwab
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