»Wenn ihr den Rest sucht«, sprach ich die Soldaten an, »dann schaut in die Gasse dort drüben. Das Pack hat es gewagt, mich anzugreifen, und ich frage mich, warum erst jetzt Bewaffnete auftauchen. Wer führt die Patrouille an?«
Unter meinem strengen Blick rührte sich keiner der Orks, dann schubsten zwei ihren Anführer nach vorne.
»Ich führe den Trupp. Feldwebel Zoti«, krächzte der krummbeinige Ork, dessen Lippen so wulstig waren, dass seine Aussprache darunter litt. Auf seinem Kopf hatte er einen stählernen Topfhelm, dessen Nasenschutz auf der Knollennase aufsaß.
»Nun denn, Feldwebel, ich bin äußerst ungehalten über den Empfang, der mir bereitet wurde.« Ein leichtes Glimmen meiner violetten Augen verstärkte meine ärgerliche Stimme. »Im Gespräch mit dem König werde ich Vorschläge unterbreiten, wie er seine Wachen besser motivieren kann.«
Zoti schluckte schwer und fing an zu stammeln. »Niemand hat gesagt, nobler Besuch sei in der Stadt. Bin einfacher Patrouillenführer …«
»… der nicht gelernt hat, wie er sich gegenüber einer Prinzessin zu verhalten hat!«, schrie ich ihn an. Ein Schnippen meiner linken Hand beförderte die Blutdornenpeitsche aus dem Handschuh in die Faust. »Auf die Knie, Wurm!«
Unter dem Knall der Peitsche fiel der Feldwebel zu Boden. Seinen Speer hatte er vor Schreck losgelassen. Auch seine Soldaten zuckten zusammen.
»Vergebung«, wimmerte der zitternde Fellhaufen vor mir. Mindestens einer seiner Männer belustigte sich über das Schauspiel.
»Schweigt! Sorgt dafür, dass ich unbehelligt vom Pöbel zum Palast gelange, dann vergesse ich diesen Vorfall…«, ein dämonisches Lächeln huschte über meine Lippen, »… vielleicht.«
Als wäre meine Drohung nicht genug, sprang Gargarhaykal aus dem Ätherraum hinaus und landete sicher neben mir. Flammen zogen ihre Spur hinter ihm her. Mit gefletschten Reißzähnen besah er sich die versammelten Orks, als suche er sein erstes Opfer aus. Wahrscheinlich tat er das auch. Die gesamte Patrouille hatte sich einige Schritte zurückgezogen, nur der Feldwebel wagte es nicht, sich zu rühren.
Meine Peitsche verschwand mit einer geflüsterten Losung im Aufbewahrungshandschuh und ich bestieg das riesige Ross. Ein Schwung meines Kopfes wirbelte meine langen Haare nach hinten. Erhobenen Hauptes sah ich auf die Wachen hinab.
Neben mir schulterte Torvac seine Axt, Hufgetrappel verriet mir, dass meine Begleiter sich hinter mir einreihten. Nun war es am Feldwebel, seine Soldaten anzutreiben und mir eine Schneise durch die Bevölkerung zu bahnen.
Unsere Prozession erzeugte einiges an Aufsehen. Gerüchte über mich eilten uns voraus, denn immer mehr Schaulustige drängten sich um einen guten Platz.
Bis wir die oberste Ebene erreichten, hatten weitere Patrouillen die erste verstärkt. Die zusätzlichen Wachen waren auch notwendig, um die gaffende Bevölkerung von uns abzuhalten.
Das Palastgebäude ähnelte einem gigantischen Echsenschädel mit zwei hoch aufragenden Hörnern. Den Eingang bildeten die beiden Nasenlöcher.
Bedienstete kümmerten sich um die Reittiere, Hacasin und Sha’Red blieben bei ihnen. Torvac ging rechts neben mir, Sith’e’thak blieb auf meiner linken Seite etwas zurück. Mir folgten Chalice und dahinter die Zwillinge. Mit weiten Schritten meiner langen Beine trat ich in das Innere des Gebäudes. Mein Umhang bauschte sich hinter mir auf.
Runde Fenster reihten sich zu beiden Seiten entlang eines weitläufigen Saales. Sie warfen dämmriges Licht auf das Spalier der Palastwache, die ihre langen Speere nach innen geneigt hatten. Die Wächter waren sehr stämmig und blickten grimmig drein. Ihr König thronte auf den Schädeln getöteter Feinde, Speere dienten ihm als Rückenlehne. Auf mich wirkte diese Demonstration männlicher Kampfeskraft eher lächerlich. Viel imposanter fand ich die beiden neben dem Thron stehenden Orks. Auf ihrem Lederpanzer glomm ein flammendes Auge, das Zeichen der Glaubensfanatiker von Buu-naa. An Stelle ihrer rechten Augen klaffte ein Loch, dessen Ränder wie ausgebrannt wirkten. Zahlreiche, wulstige Narben überzogen ihren Schädel. Auf dem Rücken hatten sie eine ungewöhnliche Axt, die an beiden Enden über eine doppelseitige Klinge verfügte. In ihren knorrigen Händen hielten sie einen blutroten Speer. Ihre verbliebenen Augen musterten mich von Kopf bis Fuß. Ein Anhänger des Buu-naa kaute beständig auf einem Finger, dessen Kuppe aus seinem Mundwinkel ragte. An einem Lederband um den Hals hingen weitere Finger.
Ich stolzierte mit bezaubernd schwingenden Hüften auf den König zu und umgab seinen Geist mit freundschaftlichen Gefühlen.
Bevor ich auf zehn Schritte an den Thron heran war, trat der nicht kauende Fanatiker vor, schlug mit dem Speer auf den Boden und richtete seine bellenden Worte an mich. Dank meiner Sukkubusfähigkeit, alle Sprachen zu verstehen und zu sprechen, bildeten die harten Laute ehrvolle, ja geradezu höfische Sätze.
»Wer macht König Zuboko vom Stamm der Kultruk seine Aufwartung?«
»Sagt König Zuboko«, den ich intensiv ansah, »dass Prinzessin Crish vom Scharlachroten Tempel in wichtigen Staatsangelegenheiten zu ihm gekommen ist.«
Ein Raunen ging durch die Reihen. Offenbar hatte ich gerade die vorausgeeilten Gerüchte bestätigt. Der König beugte sich vor und wartete nicht die Worte seiner Leibgarde ab.
»Viel Aufsehen für eine Prinzessin, deren Eintreffen unerwartet, aber willkommen ist.« Die spitzen gelben Zähne, die sein Lächeln hervorrief, wirkten nicht so charmant wie seine Worte. »Ghorn, mach unserem Gast Platz, damit er näher treten kann.«
Kurz verharrte das ockerfarbene Auge auf mich, dann drehte sich der Gardist zur Seite. Ohne ihn anzusehen schlenderte ich näher an den Thron heran.
»Bringt der Prinzessin einen Stuhl«, grunzte der König lautstark, »und Wein, der so rot leuchtet wie ihre Lippen. Schnell!«
›Wenn alle meine Zauber so gut wirkten‹, gingen mir die Gedanken durch den Kopf, ›dann war der weitere Verlauf meiner Audienz ein Kinderspiel.‹ Schweigend wartete ich auf die Sitzgelegenheit und ermöglichte so dem Herrscher, meine verlockende Weiblichkeit zu bewundern.
Mehrere Diener mühten sich ab, dem Befehl des Königs nachzukommen. Galant nahm ich dann auf dem mit Kissen gepolsterten Sessel Platz. Auf einem niedrigen Tisch wurde das Tablett mit Weinkaraffe und einem Glas abgestellt. Mir wurde eingeschüttet, ich kostete den roten Saft und leckte sündig meine Lippen ab. Überraschend guter Wein rann erfrischend über meine Zunge.
»Wie kann ich dem Scharlachroten Tempel behilflich sein, Prinzessin?«, offerierte mein Gastgeber.
»Vrath’par gilt im Tempel als die stolzeste aller Städte im Orkgebirge«, lobpreiste ich. »Nirgendwo sonst finden sich glorreichere Krieger und mutigere Streiter. Und genau diese brauche ich für einen Besuch Eurer heiligsten Stätte, dem Feurigen Auge.«
»Jedes Eurer Worte ist wahr gesprochen. Niemand wagt es, einen Kultruk herauszufordern«, brüstete sich Zuboko. »Leider befinden sich viele meiner besten Krieger im Kampf gegen die Reiche des Westens. Mich wundert es, dass so wenige Männer Euren Weg begleiten.«
»Auch der Tempel litt unter dem Krieg, und hätte ich noch so viele Soldaten mitgebracht, kaum einer von ihnen kennt das Gebirge. Zudem hättet Ihr denken können, ich plante einen Angriff. Nichts liegt mir ferner, als die guten Verbindungen unserer Reiche zu gefährden. Doch ist meine Reise zum Feurigen Auge von großer Bedeutung. Und eine Eskorte aus Eurem Stamm wird zu meinem Erfolg beitragen.«
»Eine Eskorte, sagt Ihr?« Der König rieb grübelnd sein Kinn. »Bis zum Feurigen Auge sind es drei Nachtmärsche, dabei werden wir das Gebiet der Bergwölfe durchqueren. Wir dürfen auch nicht den Berg betreten, ohne den Herrscher des Gebirges um Erlaubnis zu bitten.«
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