Daniel F. Fricke
Nahtlos leben
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Inhaltsverzeichnis
Titel Daniel F. Fricke Nahtlos leben Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nachwort
Impressum neobooks
Schon beim Einstieg in den Jet hatte ich kein anderes Gefühl als sonst. Es war nicht der große Abschied oder gar der große Aufbruch zu neuen Ufern, es war eher die Hoffnung, die mich zu dieser Zeit ein wenig aufrechterhielt. Die Schicksalsschläge der letzten Jahre, die Hoffnungslosigkeit und die damit verbundene Traurigkeit, die sich dadurch zwangsläufig in mein Leben eingeschlichen hat, sie soll nun endlich weichen. Der Tod meiner Eltern durch einen Autounfall, gerade in der Zeit als ich sie so nötig gebraucht hätte - ich habe ihn wohl nie so richtig verkraftet. Damals stand ich kurz vor meiner Gesellenprüfung in meinem Traumberuf als Koch. Es war wohl auch der Grund dafür, dass ich diese doch so ausschlaggebende Kleinigkeit, wie eine Note, nicht mit der Höchstzahl an Punkten erreicht habe. Die Gedanken waren nicht wirklich in diese Richtung zu lenken gewesen, ganz im Gegenteil, es ist sogar schwer gewesen, sich überhaupt konzentrieren zu können. Tagelang habe ich damals zu Hause, in dem Haus in dem ich mit meinen Eltern lebte, in völliger innerer Leere verbracht.
Aufgrund des Unfalls wurde ich von der Arbeit freigestellt. Wahrscheinlich mit der Hoffnung meines damaligen Chefs, dass ich ein wenig zur Ruhe kommen würde und mir dieses auch zum Bestehen der Gesellenprüfung nützlich sei. Diese Prüfung war dann, im Nachhinein gesehen eine Hürde, die zu nehmen war, nichts anderes und die ich letztendlich auch geschafft habe. Ich habe im Anschluss an diese Prüfung meinen Lehrbetrieb nur noch ein einziges Mal betreten, zum Ausräumen meines Spindes und um Abschied von meinen Arbeitskollegen zu nehmen. Meinem damaligen Chef habe ich noch nicht einmal auf Wiedersehen gesagt, er war ganz einfach ein Arsch, der zu viel trank und anschließend seine Frau schlug. Es war Zeit für eine Bewährung in anderen Restaurants, in anderen Städten und in einer Umgebung mit anderen Menschen. Ich wollte mich endlich von meiner gewohnten und so vertrauten Umgebung lösen.
Ich war 19 Jahre alt, ohne Eltern und mit Verwandten, die ich nur von Familienfeiern her kannte. Kurzum: Ich war frei. Da war nur noch der Nachlass meiner Eltern den ich regeln musste, doch dabei half mir unser Anwalt, der ein guter und bekannter Freund meiner Eltern war. Ich kam mit ihm überein, dass es das Beste sei, wenn ich das Haus nicht verkaufen sondern vermieten würde, da es ohne finanzielle Belastung war. Herr Reimers, der Anwalt, regelte das für mich und trat bei allen Problemen als Ansprechpartner für die Mieter ein. Ich hinterließ ihm einfach meine aktuelle Adresse, falls etwas zu unterschreiben war oder er für sonstige Angelegenheiten meine Zustimmung benötigte. So konnte ich mich ohne Sorgen um meine Arbeit kümmern, die doch das einzige war, was ich wirklich hatte. Schon damals habe ich es vorgezogen, als Saisonkoch durch die Lande zu ziehen und da kam mir die Nebeneinkunft der Hausmiete nur zugute.
Mit dem Geld, das ich damals als Koch verdiente und dem aus der Vermietung, kam ich gut zurecht und es blieb sogar immer so viel übrig, das ich etwas auf die hohe Kante legen konnte. Wie immer bei diesen Saisonarbeiten, ging es anfänglich darum, schnellstmöglich eine Frau klar zu machen, um keine einsamen Abende auf dem Zimmer zu verbringen, dass gestellt wurde. Aus Abenden, die in einem Alkoholdesaster endeten und anschießend zu mächtigen Kopfschmerzen führten, habe ich mich stets herausgehalten. Gut, es gab auch Abende an denen ich mit meinen Arbeitskollegen noch ausgegangen bin, um einen drauf zu machen, doch nie so wie sie, denn ich hasste es schon damals zu sehen, wie sich die Menschen mit zunehmender Alkoholmenge veränderten und einem plötzlich fremd wurden. Bei meiner ersten Saisonstelle auf Norderney traf ich auf Volker, den Altgesellen, der sich in nüchternem Zustand nie traute eine Frau anzusprechen oder der Küchenchef Heinz, der trotz seines viel zu hohen Blutdrucks jeden Abend so voll war, das er bei der Essensausgabe die gesamten Bestellungen durcheinanderbrachte. Mittendrin dann ich, der als einziger versuchte, einen geraden Weg zu gehen und diese Anstellung so gut wie möglich über die Runden zu bekommen.
Es gab aber auch Zeiten nach der Schicht, in denen ich mich auf mein Zimmer begab und schon voller Vorfreude auf das kommende wartete: Petra. Sie war eine der Saisonkellnerinnen in unserem Hause. Auch sie hatte eine dieser Zimmer im Haus bekommen, die aufgrund ihrer Trostlosigkeit gerade dazu einluden, die Zeit darin zu zweit zu verbringen. Mit gerade mal zwanzig Jahren war der Sex noch etwas, das einen Kick auslöste. Nächtelang habe ich damals damit zugebracht, Petra in allen nur erdenklichen Stellungen zu vögeln und sie wissen zu lassen, dass ich der Größte in dieser Disziplin sei. Manchmal sagte sie zu mir, dass ich auch nur einer dieser Testosteron gesteuerten Typen sei, die immer an sich denken würden und keine Liebe geben könnten. Hey, ich war jung und wozu war denn sonst mein Schwanz da? Dass er nicht nur zum pinkeln war, dass wusste ich schon seit langem. Die Nächte waren kurz, die Arbeitstage dafür umso länger. Sie wurden immer länger, sodass ich am Ende der Saison die Lust an Petra ein wenig verlor. Sie hat es mir nie vorgehalten, jedoch merkte ich es an der Art wie sie mich ansah, wenn sie kellnerte. Ok, wann immer es mir danach war, konnte ich sie benutzen, da gab es keinen Zweifel, doch fehlte mit zunehmender Zeit etwas, dass noch zum Anfang dieser Fickbeziehung da war. Erfahren habe ich es nie, was es war und es hat mich auch nicht interessiert.
Durch die nächsten Anstellungen hat sich dieses Bild, der schon zwanghaften Eigenverkupplung fortgeführt; ob in den Schweizer Bergen mit Karin oder im Rheinischen Raum mit Tanja. Es war immer der gleiche Ablauf. Bis ich dann schließlich zu der Erkenntnis kam, dass es nicht nur von mir, einem Mann so gesehen wurde, nein, sondern das auch die Frauen Gefallen daran fanden. Es war damals schon komisch, denn ich war jung, frei und habe mir keine Gedanken darüber gemacht, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Die einzige Frage, die man letztlich zum Bereich der Prävention zählen konnte, war, wer verhüten soll. Wir waren nur Hüllen die sich trafen und ihren Spaß miteinander hatten.
Bis zu dem Tag als ich während meines Jobs in Barcelona, im sonnigen Spanien, Eva traf. Sie war einfach anders, aber was sie ausmachte, habe ich erst später und das dann auch nur allmählich herausgefunden. Sie war eine Dame, schon zu jener Zeit als sie gerade 22 Jahre alt war. Stolz, Erhabenheit und Selbstkontrolle, so lernte ich sie damals im Gourmet Restaurant des Hotels „Vier Jahreszeiten“ in Barcelona kennen. Sie war mit einer Bekannten in dem Restaurant verabredet, in dem ich als Küchenleiter beschäftigt war. Ihr missfiel die Fois Gras, die ich für sie zubereiten ließ und sie tat dieses dem Kellner kund. Da ich noch nie eine Reklamation bezüglich einer Pastete erhalten habe, schritt ich mit einem Gefühl von Erhabenheit auf den Tisch der vermeintlichen Reklamation zu. Ein wenig überheblich und sicher, dass die Beschwerde unbegründet sei und fest der Annahme, dass die meisten Spanier ein wenig skeptisch gegenüber der französischen Küche sind, trat ich an diesen Tisch heran. Mit freundlicher, aber doch bestimmter Stimme fragte ich in meinem besten Spanisch, welches zu dieser Zeit nicht ganz den Ansprüchen des Hauses genügte, nach dem Grund der Beschwerde. Dabei verwechselte ich jedoch die Artikel der Anrede und so wurde aus der Dame mehr oder weniger ein Herr. Doch statt mich darauf hinzuweisen, nahm sie es mit einem entzückten lächeln hin. Der einzige, der mich in diesem Moment belehrte, war der Kellner Antonio, ein Spanier, der in der Hotelfachschule in Lausanne sein Können erlernte. Auf meine Entschuldigung hin, schaute sie entzückt zu mir auf und erwiderte, dass sie es charmant gefunden habe, eben von einem Deutschen, ein solches Kompliment zu hören.
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