Daniel J. Siegel & Mary Hartzell
Gemeinsam leben, gemeinsam wachsen
Für unsere Kinder:
Für die Freude und die Weisheit, die sie in unser Leben bringen,
und in tiefer Dankbarkeit für unsere Eltern:
Für das kostbare Geschenk des Lebens
und für alles, was wir von ihnen gelernt haben
1. Auflage 2020
Copyright © 2003 by Daniel J. Siegel und Mary Hartzell
Copyright der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag, Freiamt, 2004.
Published by arrangement with Jeremy P. Tarcher,
a member of Penguin Group (USA) Inc.
First published in the United States under the title
Parenting from the Inside Out by Daniel J. Siegel and Mary Hartzell
Lektorat: Eva Bachmann
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2020
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-335-8
Inhalt
Einführung
Kapitel 1: Wie wir uns erinnern
Kapitel 2: Wie wir die Realität wahrnehmen
Kapitel 3: Wie wir fühlen
Kapitel 4: Wie wir kommunizieren
Kapitel 5: Wie wir uns binden
Kapitel 6: Wie wir unser Leben verstehen
Kapitel 7: Wie wir uns zusammennehmen oder zusammenbrechen
Kapitel 8: Wie wir uns trennen und wieder verbinden
Kapitel 9: Wie wir die Geistsicht entwickeln
Einige Gedanken zum Abschluss
Dank
Weiterführende Literatur
Einführung
Erziehung von innen heraus
Die Art und Weise, wie man die Erfahrungen seiner Kindheit verarbeitet, hat tief greifende Auswirkungen auf die Erziehung der eigenen Kinder. In diesem Buch untersuchen wir, wie sich Selbstkenntnis auf unsere Vorstellungen von unserer Rolle als Eltern auswirkt. Wenn wir uns selbst besser verstehen, hilft uns das, eine bessere und freudvollere Beziehung zu unseren Kindern aufzubauen.
Indem wir an uns wachsen und uns selbst besser verstehen, bieten wir unseren Kindern ein Maß an emotionalem Wohlbefinden und Sicherheit, auf dessen Grundlage sie sich gut entwickeln können. Untersuchungen über die Entwicklung von Kindern haben gezeigt, dass die Qualität einer Eltern-Kind-Bindung sehr stark davon abhängt, wie gut Eltern ihre eigenen frühen Lebenserfahrungen verarbeitet haben. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme bestimmen frühe Erfahrungen nicht zwingend unser Schicksal. Wenn man eine schwierige Kindheit hatte und sich mit diesen Erfahrungen auseinander gesetzt hat, muss man nicht zwangsläufig die gleiche problematische Beziehung mit seinen eigenen Kindern nachbilden. Es ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass sich die Geschichte ohne Selbstkenntnis wahrscheinlich wiederholen wird, da Familien negative Beziehungsmuster von Generation zu Generation weitergeben. Dieses Buch soll dabei helfen, die Vergangenheit und Gegenwart unseres Lebens besser zu verstehen, indem wir uns bewusst machen, wie unsere Kindheit unser Leben beeinflusst und wie sie sich auf unsere Rolle als Eltern auswirkt.
Wenn wir Eltern werden, erhalten wir die wunderbare Gelegenheit, uns selbst weiterzuentwickeln, denn wir erleben erneut eine innige Eltern-Kind-Beziehung, dieses Mal jedoch in einer anderen Rolle. Immer wieder sagen Eltern: „Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen Kindern all die Dinge antun oder sagen würde, die mich selbst als Kind verletzt haben. Und doch ertappe ich mich dabei.“ Sie fühlen sich vielleicht in wiederkehrenden, unproduktiven Verhaltensmustern gefangen, die in keiner Weise zu der liebevollen und fördernden Beziehung beitragen, welche sie sich zu Beginn ihrer Elternrolle ausgemalt haben. Wenn sie ihre Lebenserfahrungen verarbeiten, können Eltern sich von den Mustern der Vergangenheit befreien, die sie in der Gegenwart gefangen halten.
Über die Autoren
Die Autoren lassen ihre unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen aus ihrer Arbeit mit Eltern und Kindern in dieses Buch einfließen. Daniel Siegel ist Kinderpsychologe und Mary Hartzell Erzieherin. Beide sind selbst Eltern: Daniel Siegel hat schulpflichtige Kinder, Mary Hartzells Kinder sind erwachsen und haben bereits eigene Kinder.
Mary Hartzell leitet einen Kindergarten und arbeitet seit über dreißig Jahren als Erzieherin mit Kindern und Familien. Sie arbeitet mit Kindern, Eltern und Lehrern und berät Eltern individuell. Sie konnte am Leben vieler Familien teilhaben und dabei viel über die Freuden und Frustrationen lernen, welche mit dieser manchmal entmutigenden Aufgabe des Elternseins einhergehen. Bei der Ausarbeitung ihrer Kurse für Eltern fand Mary Hartzell heraus, dass Eltern, die ihre Kindheitserfahrungen aufarbeiten konnten, beim Umgang mit ihren eigenen Kindern eine bessere Auswahl der Mittel hatten.
Mary Hartzell und Daniel Siegel begegneten sich, als seine Tochter den Kindergarten besuchte, den Mary Hartzell leitete. In dieser Einrichtung wird ein Ansatz verfolgt, der die emotionalen Erfahrungen von Kindern in jeder Hinsicht respektiert und die Würde und Kreativität von Kindern, Eltern und Erziehern unterstützt. Zu jener Zeit hielt Daniel Siegel im Rahmen der Elternbildung an ebendiesem Kindergarten einige Vorträge über Gehirnentwicklung. Als Mary und Dan klar wurde, dass ihre Erziehungsansätze in der gleichen Richtung verliefen, beschlossen sie, gemeinsam ein Seminar auszuarbeiten, das beide Gesichtspunkte integrierte.
Dans Interesse an der Entwicklungsforschung und seine Arbeit als Kinderpsychologe eröffneten eine andere, ergänzende Perspektive. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er daran, durch eine Synthese zahlreicher wissenschaftlicher Disziplinen eine umfassende Basis für die Entwicklungsforschung zu schaffen, auf der man zu einem besseren Verständnis von Geist, Gehirn und menschlichen Beziehungen gelangen kann. Diese interdisziplinäre Annäherung wurde in den USA unter dem Namen „interpersonelle Neurobiologie“ bekannt und nach und nach zum Bestandteil einer Reihe berufsbezogener Fortbildungsprogramme für geistige und emotionale Gesundheit. Als sein Buch über die Entwicklung des Geistes mit dem Titel The Developing Mind. Toward a Neurobiology of Interpersonal Experience 1999 in den USA erschien, gaben Mary und Dan bereits ihre ersten Kurse. Das begeisterte Echo der Eltern inspirierte sie dazu, gemeinsam dieses Buch zu erarbeiten. Viele der Eltern bemerkten während der Seminare, wie sehr ihnen diese Ideen dabei halfen, sich selbst besser zu verstehen und eine sinnerfüllte Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. „Warum schreiben Sie nicht gemeinsam ein Buch, so dass auch andere an dieser spannenden Kombination von Wissenschaft und Weisheit – und der Energie – teilhaben können, die Sie in dieses Seminar eingebracht haben?“, drängten zahlreiche Eltern.
Die Vorstellung, diesen Ansatz mit anderen zu teilen, ist sehr aufregend. Möge dieses Buch auf unterhaltsame und verständliche Weise einige dieser praktischen Gedanken über die Kunst und die Wissenschaft davon vermitteln, wie man Beziehungen und Selbsterkenntnis kultivieren kann. Die Autoren hoffen, dass dieses Buch Eltern und Kindern dazu verhelfen wird, jeden Tag mehr Freude aneinander zu haben.
Beziehungen knüpfen und sich selbst verstehen
Die Art und Weise, wie wir mit unseren Kindern kommunizieren, beeinflusst in großem Maße ihre Entwicklung. Unsere Fähigkeit zu einer einfühlsamen und wechselseitigen Kommunikation trägt dazu bei, dass ein Kind sich sicher fühlt, und dieses Vertrauen in sichere Bindungen hilft Kindern in vielen Bereichen ihres Lebens. Wie sehr wir unseren Kindern durch wirksame Kommunikation ein Gefühl der Sicherheit vermitteln können, hängt in hohem Maße davon ab, wie gut wir unsere eigenen frühen Erlebnisse verarbeitet haben. Indem wir unser Leben verstehen, verstehen und integrieren wir unsere eigenen Kindheitserfahrungen, positive wie negative, und akzeptieren sie als Teil unserer fortlaufenden Lebensgeschichte. Wir können nicht ändern, was uns als Kind widerfahren ist, wohl aber unsere Sichtweise dieser Erlebnisse.
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