Die Familie konnte ihr Schloss nicht mehr finanzieren. Dornbach gewährte ein unbefristetes Darlehen, und sie entsprach seinem Wunsch, seine dritte Frau zu werden.
Für Dornbach verkörperte sie eine ideale deutsche Frau. Er wünschte sich noch einen Sohn. Mit seiner zweiten Frau hatte er keine Kinder bekommen. Und bis jetzt auch nicht mit seiner Dritten. Dornbach hielt seine Söhne für Versager. Ihre Erziehung hatte er einfach seiner ersten Frau überlassen. Ein Fehler, der ihm später unverzeihlich erschien. Er wollte einen Nachfolger, der so hart und unerschrocken war, wie er selbst.
Falls ihm Gisela noch einen gebären sollte, würde er ihn selbst erziehen. Einen Titanen wollte er erschaffen. Zu seinem Leidwesen blieb sein Traum unerfüllt.
Dass Gisela seine Meinung womöglich nicht teilte, hatte er nie bemerkt. Er konnte sich sowas auch gar nicht vorstellen.
Die deutsche Frau diente nur einem Zweck: Kinder zu bekommen. Das entsprach Dornbachs tiefster Überzeugung. Nach Empfindungen oder sogar einer eigenen Meinung einer Frau in dieser Beziehung zu fragen, wäre ihm niemals eingefallen.
Sie hatte sich jedoch bereits kurz nach der Hochzeit bei einem kleinen Eingriff heimlich sterilisieren lassen.
Verlassen konnte sie ihn aus Rücksicht auf ihre Familie nicht. Er hätte sofort sein Geld zurückverlangt.
Sie kannte seine Methoden. Seine Lust sich zu rächen und die Schlägertrupps. Das konnte sie nicht zulassen. So blieb sie praktisch Dornbachs Gefangene. Die nicht alleine darauf wartete, dass ihm endlich etwas zustoßen möge.
Trotzdem würde sie vorsichtig bleiben. Wenn er nur für eine gewisse Zeit im Gefängnis landete, dann musste sie bleiben. Die Vorzimmerdame ihres Mannes hatte sie angerufen, dass er verhaftet worden sei. Den Grund kannte sie noch nicht.
Gisela betrat kerzengerade aufgerichtet den Salon, in dem Kommissar Hinrichs mit seinem Assistenten wartete. „Guten Morgen, meine Herren. Ich habe gehört, mein Mann wurde verhaftet. Können sie mir sagen, aus welchem Grund?“
Hinrichs stellten sich und seinen Assistenten vor. Dann begann er: „Wir haben in einer Lieferung aus Südamerika ein Kilogramm reines Kokain gefunden.
Im Weiteren auch kleinere Mengen in den Büros Ihrer Söhne, die wir übrigens auch im Gewahrsam haben. Möchten Sie dazu etwas sagen?“
Frau Dornbach war ehrlich erstaunt. „Die Jungs horten Kokain in ihren Büros? Davon weiß ich absolut nichts!“
„Es macht ganz den Anschein, dass sie auch damit handeln“, fuhr der Kommissar fort. „Die Lieferung beweist das. Wieweit Ihr Mann involviert ist, wissen wir noch nicht. Jedoch kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sie ohne sein Wissen gehandelt haben könnten.“
„Ach wissen Sie Herr Kommissar. Ich sehe nicht viel von den Geschäften, die meine Männer machen. Aber der Handel mit Südamerika dient nur dazu, unseren dortigen Verwandten ein anständiges Auskommen zu ermöglichen. Es wirft für uns nicht viel oder sogar überhaupt keinen Ertrag ab. Gerade vor drei Wochen hat mein Mann hunderttausend Mark geschickt, damit sich ein frischverheiratetes Paar ein Haus bauen kann. Es geht ihm da wirklich nicht um den Gewinn.“
Der Kommissar runzelte die Stirn. „Das wäre in etwa der Betrag, den ein Kilo Kokain kostet. Sind Sie sicher, dass dieses Geld für ein Haus gedacht war?“
„Ganz sicher. Der Dankesbrief ist vor wenigen Tagen eingetroffen. Das Paar hat bereits mit dem Bau angefangen.“
„Wir werden das sicher klären können“, antwortete der Kommissar schulterzuckend. „Jedoch solange bleibt Ihr Mann in Untersuchungshaft. Und dazu sind natürlich auch noch die Ergebnisse der Durchsuchungen abzuwarten.“
„Wollen Sie unser Haus auch durchsuchen?“, fragte sie.
„Das kann ich Ihnen leider nicht ersparen. Bei dieser Menge Drogen, müssen wir sämtliche Möglichkeiten in Betracht ziehen.“
„Tun Sie, was Sie tun müssen“, antwortete sie resigniert.
„Bis das Team eintrifft, werden zwei Beamte bei Ihnen bleiben. Sie müssen sich von den beiden nicht stören lassen. Aber ich bitte Sie, solange das Haus nicht zu verlassen!“
„Ganz wie Sie wünschen. Ich wollte ohnehin nirgends hin“, antwortete Gisela Dornbach.
Kommissar Hinrichs verabschiedete sich und wies seine Beamten, die vor der Türe gewartet hatten, an, im Haus zu bleiben.
Auf dem Rückweg fragte er seinen Assistenten: „Was halten Sie von der Dame?“
„Ich glaube nicht, dass sie viel weiß. Auffällig scheint mir nur, dass sie uns sofort von der Zahlung erzählt hat. Vielleicht wollte sie uns auf eine falsche Fährte locken, weil sie sich denken kann, dass wir so oder so darauf gestoßen wären. Denken Sie, dass die Durchsuchung etwas ergibt?“
Der Kommissar zuckte mit den Schultern. „Den Jungs traue ich zu, etwas zu Hause zu lagern. Dem Vater nicht.“
***
Willhelm Dornbach war ins Polizeipräsidium gebracht worden. Er musste sich die Fingerabdrücke abnehmen lassen, wurde mit einer Platte in den Händen von zwei Seiten fotografiert, was ihm sehr demütigend erschien. Besonders missfiel ihm, dass der Beamte, der ihn in seine Zelle brachte, einen südländischen Teint hatte.
Muss sich ein Deutscher jetzt schon von einem Kanaken abführen lassen, dachte er verbittert.
Er hatte sich inzwischen jedoch so weit gefasst, dass er schweigen konnte. Zudem sah er ein, dass sich seine Ausbrüche ohnehin nicht lohnten.
In der Zelle hatte er erstmals Zeit, um über seine Lage nachzudenken. Woher konnten die Jungs das Geld haben, um so viele Drogen zu kaufen? Wenn sie wussten, dass eine Lieferung kommen sollte, weshalb waren sie nicht ins Lager gefahren, um die Ware in Empfang zu nehmen? Die Kartons wurden meistens sofort weitergeleitet. Damit konnten die Drogen überall landen. Dornbach gelangte zum Schluss: Die Jungs wussten von nichts.
Außerdem hatten sie viel zu viel Respekt vor ihm, um heimlich Geschäfte zu machen. Diese Weichlinge, dachte er. Wenn sie es getan hätten, würde er immerhin einen Funken Achtung aufbringen können, für die beiden. Dass sie jetzt für ihren eigenen Drogenkonsum verhaftet wurden, das geschah ihnen Recht.
Dornbach war weit davon entfernt, Mitleid mit ihnen zu empfinden.
Der Jude ist schuld, davon war er überzeugt. Sie sind verdorben durch die Schande ihrer Mutter. Seine erste Frau hatte ihm nach fünfzehn Jahren Ehe im Streit an den Kopf geworfen, dass ihr erster Freund ein Jude gewesen sei.
Sie hatte seinen Hass auf diese Menschen nie verstanden. Darauf hatte er sie verstoßen. Wenn sie sich noch einmal in seine Nähe begeben würde, hatte er ihr geschworen, sie eigenhändig zu erwürgen.
Sie kannte ihn gut genug, um ihm das zu glauben. Ohne Gegenwehr hatte sie sich von ihm scheiden lassen. Im Gegenzug wurde er dazu verpflichtet, weiterhin für sie zu sorgen.
Solange du schweigst, bekommst du dein Geld, hatte er ihr geschrieben.
Aber woher kommt dieses Kokain? Das war die große Frage. Dornbach überlegte hin und her. Eine Verwechslung? Oder Jemand hatte es ihm untergeschoben. Aber wer? In Frage kamen einige. Aber wer würde es tatsächlich wagen?
Jemand der Dornbachs Vergangenheit kannte, konnte viel billiger zum Ziel kommen.
Meine Feinde von früher kann ich ausschließen, überlegte er. Es muss jemand sein, der Geld hat. Wenn ich dich finde! Dann würde er ihm zeigen, was sie früher mit den Juden alles gemacht hatten, dachte er grimmig.
Auch seine Söhne wurden erkennungsdienstlich behandelt. Sie nahmen es hin. Ihr Vater hatte sie immer schlecht behandelt, eine weitere Demütigung war nichts Neues für sie.
Deshalb hatten sie doch überhaupt angefangen, Kokain zu nehmen. Dieser Vater ließ sich ohne Drogen kaum ertragen. Vor allem Udo hatte, seit er kokste, immerhin ab und an den Mut gefunden, ihm zu widersprechen.
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