Du kennst Nadia nicht und du kennst auch mich nicht mehr. Du wolltest Nadia und Lennard nie richtig kennenlernen und hast dich all die Jahre nicht um Kontakt bemüht und es war deine Aufgabe. Eltern gehen auf Kinder zu, die Großen laden die Kleinen ein, die Großen machen den ersten Schritt. Du hast dich all die Jahre nicht interessiert, vielleicht weil ich Lennard nicht adoptiert und Nadia nicht geheiratet habe. Woher, glaubst du, soll ich Lust auf Heiraten entwickelt haben. Du hast mir dreimal vorgemacht, wie das in die Hose gehen kann. Und Vattern ist genau so weit weg und auch kein Vorbild für mich. Er hat genauso wenig Interesse. Zudem hat er uns auch noch enterbt, sich freigekauft, jedem von uns fünfzehntausend Mark überwiesen.
Uns drei hat er in seinem zweihundertseitigen Familienbuch als „Ausrutscher“ definiert. Schön, nicht?
War ich der „Ausrutscher“ innerhalb der Ehe? Hat es nicht geklappt, mich abzutreiben, habt ihr mich adoptiert oder was ist hier los? Faszinierend finde ich, dass du tatsächlich glaubst, ich bemerke all deine Ausflüchte nicht und glaube deinen fadenscheinigen Erklärungsversuchen und Halbwahrheiten?
Mutti, wie konntest du Lennard zu seiner Volljährigkeit so einen schmutzigen Brief schreiben, wie konntest du nur? Und der Brief war dem Wortlaut eher an meine Adresse zu verstehen. Du verhöhnst ihn mit diesem Brief und legst noch einen Fünfziger bei, damit die Pille besser rutscht. Meine Güte!
Wie konntest du nur bei deinen zahllosen Besuchen bei Sven und Petra so derart schlecht über Nadia und Lennard reden, dass die es sogar uns erzählten. Das ist schon Jahre her, aber ich kann es nicht vergessen.
Wie konntest du nur Harry am Telefon auf der anderen Seite der Welt solche Lügengeschichten auftischen, dass der aufgeregt hier anruft und mir erzählen soll, dass ich mich doch bei dir zu melden habe. Es war schließlich so, dass du mich um Hilfe gebeten hast. Ich habe daraufhin hier alle Termine umgeschmissen und bin so schnell gekommen, wie möglich, um dir zu helfen. Nur weil ich nicht sofort, sondern erst einen Tag später komme, machst du einen Alarm um die Welt? Für was habe ich dich eigentlich bei deinem Umzug so gestärkt, dich und deine Sorgen verstanden, dir Mut gemacht und dich unterstützt wo ich konnte? Für was? Dass du jetzt so über uns redest?
Harry hat in Brasilien sein Lager aufgeschlagen. Was glaubst du wohl warum? Weil er so besorgt ist um dich und sich so um dich kümmern will?
Wie kannst du erwarten, dass ich dich liebe, achte, dir zur Seite stehe, obwohl du mich sichtlich so abgrundtief hassen musst, wenn ich mir ansehe, wie schlecht du über mich, über uns redest und dich so verhältst, wie du es tust?
Wie soll ich denken, dass du mich magst, wenn ich nur gerufen werde, wenn es etwas zu helfen gibt. Komme ich nicht sofort deinen Forderungen nach, ist das Frevel und wird in die Welt herausgeschrien und allen gegenüber um dich herum aufs Übelste breitgetreten und ich von dir schlecht gemacht.
Ich kann dir irgendwie auch nichts mehr glauben. Du machst irgendwelche undurchsichtigen finanziellen Aktionen mit Harry, siehe Kontoauszug in deinen Akten, und als ich dich danach fragte, kamst du ganz schön ins Stottern. Du spielst kein klares Spiel, bist nicht transparent und wirkst unehrlich.
Auch damals in Brasilien hattest du eine Geldrolle von Hundertern und Zweihundertern dabei, die du vor mir verstecken wolltest, ich es aber doch gesehen habe. Was willst du mit zwanzigtausend Euro auf einem zehn tägigen Urlaub? Das wirkt so undurchsichtig auf mich. Harry ist eingeweiht, ich gehöre nicht dazu, weiß nichts.
Das was du mir damals in Jugendzeiten auf Schärfste vorgeworfen hast, war meine Unehrlichkeit. Wusstest du, dass Kinder zu 90 % aus Vorbildern lernen und nur zu 10 % im kommunikativen Kontext? Sicher nicht. Aber ich weiß es. Ich habe beruflich seit fast dreißig Jahren mit Eltern zu tun, die bei der Erziehung ihrer Kinder Probleme hatten. Auch du gehörst zu dieser Sorte Eltern, die mit ihren Kindern nicht fertig werden. Internat ist nur ein akademisches Wort für Heim.
Du hast mich ins Heim gesteckt, weil ich dir offenbar zu viel wurde, weil du mit den Schwierigkeiten, die ich gemacht habe, nicht klargekommen bist. Und mittlerweile weiß ich genau, warum Kinder Schwierigkeiten machen. Ich habe Erziehung und Pädagogik zu meiner beruflichen Profession gemacht und weiß inzwischen sehr viel darüber.
Soviel ist eigentlich nicht gut gelaufen, damals. Sie sieht nach außen vielleicht ganz gut aus, unsere Familie, weil du dir selbst, mir und anderen gegenüber alles beschönigst und bagatellisierst.
Ich habe im Laufe meines Lebens jedenfalls an einigen Zinken und Schwierigkeiten hart arbeiten müssen und einige vielleicht unangenehme Fragen an dich, die ich aus Rücksicht auf dich, aus Familiensinn und dem Wunsch nach Nähe bisher nicht gestellt habe, aber bereite dich darauf vor, dass ich sie dir stelle, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Mutz, tut mir leid – irgendwie auch nicht – dass ich gerade nicht freundlich zu dir sein kann. Ich bin aufs Heftigste enttäuscht, fühle mich verraten und es entbrennt wieder mein Gefühl, zu unserer Familie nicht dazuzugehören. Du hast mit Harry ein Agreement, kommst offenbar saugut mit ihm und seiner Familie klar. Er hat Joan übrigens auch nicht geheiratet.
Nur mich hast du schon vor meinem ersten Geburtstag zum Problemkind gemacht und mich aus der Rolle nicht mehr entlassen, bis ich ins Heim kam, bis du mich dann tatsächlich entlassen hast und ich ein Jugendhilfefall wurde, wie hunderte von Heimkindern auch, mit denen ich bisher zu tun hatte. Denk nicht, dass ein Internat etwas Besseres ist. Es ist ein stinknormaler Jugendhilfeträger nach SGB VIII 27/34, zu dem ich selbst völlig normal Kinder und Jugendliche verfügt habe. Kein Unterschied! Bilde dir nicht ein, dass du etwas Besseres für mich getan hast.
Und warum hatte ich kein eigenes Zimmer mehr, als ihr umgezogen seid, während ich im Internat war? Schau da mal hin! Ich musste mit fünfzehn Jahren zuhause ausziehen! Du hast mich aus der Familie geschmissen, weil ich auf einer Klassenfahrt angezogen im Zimmer eines Mädchens gewesen und mit ihr eingeschlafen bin. Hier in Bremen würde kein Jugendamt in so einem Fall Hilfen bewilligen, sondern dir ganz gehörig einheizen. Deshalb hast du es dann ja auch privat zahlen müssen, weil du den Gang zum Jugendamt gescheut hast. Aber das ändert nichts.
Und du willst hier auf glückliche Familie machen. Und dann willst du auch noch lästern und kritisieren und dich über andere stellen, wenn dir was nicht passt.
Allein durch die Lästerei ist nichts an der Familie mehr glücklich, sondern alle Beziehungen unecht und falsch.
Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll nach den letzten Erlebnissen mit dir und deinen Handlungen oder Aktionen. Ich kann dir kein nettes Wort mehr glauben, was du an mich richtest, weil ich mittlerweile erfahren habe, wie du hinter meinem Rücken über mich und meine Familie redest, und wie du uns nach Strich und Faden vor anderen denunzierst, kein Haar an uns lässt.
Dabei bin ich deins, aus dir heraus, eine Kopie von Dir und Vati.
Aber ich war ja das Versöhnungskind, welches jedoch keine Versöhnung mehr bewirkt hatte und daher auch immer schon wie aussätzig und nicht zur Familie gehörend behandelt und bei erster Gelegenheit zur „Reparatur“abgegeben wurde.
Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe damals, was es für ein Weg war für mich, im Internat, und wie scheiße es war, der zu sein, der zuletzt kommt, seinen Job nicht angemessen erfüllt und daher auch zuerst wieder gehen kann? Ich kann nicht erkennen, dass du das kannst.
Читать дальше