Marion Selbmann
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Inhaltsverzeichnis
Titel Marion Selbmann Bestseller Dieses ebook wurde erstellt bei
KAPITEL EINS: Der Anfang
KAPITEL ZWEI: Die Entscheidung
KAPITEL DREI: Die Ankunft
KAPITEL VIER: Das Haus im Wald
KAPITEL FÜNF: Der Anfang vom Ende
KAPITEL SECHS: Seltsame Ereignisse
KAPITEL SIEBEN: Sorgen
KAPITEL ACHT: Die besorgte Familie
KAPITEL ZEHN: Die Schwester
KAPITEL ELF: Wahnsinn
KAPITEL ZWÖLF: Es schneit
KAPITEL DREIZEHN: Träume
KAPITEL VIERZEHN: Verzweiflung
FÜNFZEHNTES KAPITEL: Die Suche
SECHZEHNTES KAPITEL: Hoffnung
SIEBZEHNTES KAPITEL: Gefahr
ACHTZEHNTES KAPITEL: Das Grauen
NEUNZEHNTES KAPITEL: Aussichtslos
ZWANZIGSTES KAPITEL: Das Ende
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL: Endgültig
Impressum neobooks
„Unsere Welt ist so laut geworden. So schnell. Alle rennen, als würden sie vor dem Leben weglaufen. Alle reden andauernd, nur nicht miteinander, sondern mit Maschinen, Handys und sonst was.“
Marina schüttelte den Kopf. Das kleine Kaffee am Rosenhof auf dem Marktplatz in Chemnitz, war an diesem Dienstagnachmittag gut besucht. Die Frauen, welche am Tisch gleich neben dem Tresen saßen, waren im gleichen Alter. Beide jung Großmutter geworden und befreundet seit ihre Kinder klein gewesen waren. Marina hatte ihre Freundin Britta gebeten, den Nachmittag gemeinsam zu verbringen. Britta wusste, dass Marina eine schwere Zeit durchmachte. Sie hatte vor einem halben Jahr unverschuldet ihre Praxis aufgeben müssen. Finanzielle Sorgen lasteten auf der Familie. Den Seelenstriptease, den ihre Freundin in der letzten halben Stunde ablieferte, hatte sie allerdings nicht erwartet. Nicht nur äußerlich waren die Frauen grundverschieden. Marina war ein Meter sechzig groß, mit weiblichen Formen, halblangem, blondem Haar und blauen Augen. Britta war fast eins achtzig groß und sehr schlank. Sie hatte schwarzes, kurzes Haar und grüne Augen. Während Marina schon immer kreativ und eher phantasieorientiert war, war Britta eingefleischte Realistin.
„Ich habe dir meine Hilfe angeboten“, sagte Britta leise. „Auch in finanzieller Hinsicht. Etwas Geld habe ich selbst. Mein Mann würde davon nichts mitkriegen.“
Marina legte ihre Hand auf die der Freundin.
„Weiß ich doch. Aber ich will das nicht. Ich will es allein schaffen.“
Sie wurde wieder nachdenklich.
„Mein Buch verkauft sich schleppend. Der Verlag gibt sich Mühe, ist aber zu klein, um wirklich etwas zu bewirken. Und die großen Verlage….?“
Sie atmete tief ein und aus.
„Unbekannte Schriftsteller stellen immer ein Risiko dar. Da muss man sich gar nicht erst Mühe machen. Dazu kommen zu viele missgünstige Menschen.“
„Wie meinst du das“? fragte Britta.
Marina lachte.
„Bei uns auf dem Berg ist das wie in einem kleinen Dorf. Die meisten Leute, die dich kennen, wollen gar nicht, dass du Erfolg hast. Sie gönnen es einem schlichtweg nicht. Sie kaufen die Bücher extra nicht.“
„Das kann ich nicht glauben.“
Britta schüttelte energisch den Kopf.
„Ist aber so“, erwiderte Marina. „Es bleibt nur eine Handvoll neidfreier Leute übrig. Nur von denen kann man nicht leben. Ich habe das Gedächtnis eines Elefanten. Ich merke mir die Menschen, die mir weitergeholfen haben, und ich merke mir die, welche versucht haben, mir Steine in den Weg zu legen. Diejenigen, die mich in schwerer Zeit unterstützt haben, denen werde ich ebenfalls beistehen, falls sie irgendwann meine Hilfe brauchen.“
Marina nickte und zog dabei die Augenbrauen hoch.
„Allerdings kann ich nicht alles auf den Verlag und diese Leute schieben. Ich muss mich selbst mehr kümmern. Vor allem muss ich mehr schreiben, jetzt wo ich Zeit habe.“
Marina lächelte gequält.
„Dazu bräuchte ich allerdings Ruhe. Ich kann zu Hause einfach nicht schreiben. Seit ich nicht mehr arbeite, setzt meine liebe Familie voraus, dass ich mich um alles Mögliche kümmere. Andauernd will jemand was von mir. Dann jeden Tag kochen. Einkochen, backen, aufräumen.“
Marina machte ein Gesicht, als hätte sie in eine saure Gurke gebissen.
„Grässlich, diese Hausarbeit. Aber was erzähle ich dir, du weißt das alles selbst.“
Sie machte eine Pause und rührte geistesabwesend in dem soeben gebrachten Kaffee.
„Ich muss raus. Mal drei Wochen weg. Am besten an den Arsch der Welt, wo mich niemand finden kann.“
Marina blickte auf.
„Einsamkeit und Ruhe. Nur so kann man einen Bestseller schreiben.“
Britta hob die Schultern.
„Wo willst du solch einen Ort finden?“
Marina strich eine vorwitzige Strähne aus ihrem Gesicht. Sie lächelte.
„Ich hatte einen Patienten. Ein seltsamer alter Kautz. Der hatte mir erzählt, er hätte an der tschechischen Grenze direkt im Wald ein Haus geerbt. Er wollte es verkaufen, aber niemand mochte es haben.“
Marina beugte sich etwas über den Tisch und flüsterte.
„Eine Frau wurde unmittelbar am Grundstück ermordet. Es wurde nur ihre Hand gefunden. Bis heute keine Spur vom Mörder.“
Britta erschauderte.
„Kein Wunder, dass dort keiner leben will. Und du willst freiwillig für drei Wochen dort wohnen? Alleine? Du bist verrückt, weißt du das?“
Marina kniff die Augen zu.
„Aber gerade das ist doch, was mich so reizt. Die Atmosphäre. Gänsehaut pur. Nachts werde ich schreiben und bei Tag schlafen. Diese gruselige Einsamkeit werde ich einfangen. Wenn ich das nicht schaffe, bin ich es nicht wert, mich überhaupt Autorin zu nennen.“
„Dein Mann wird nicht einverstanden sein“, wagte die Freundin einzuwenden.
„Ach“. Marina winkte ab. „Ich glaube, Michael ist ganz froh, mich mal ein paar Wochen los zu sein. Ich habe es meiner Familie nach dem Desaster mit unserem Energieversorger und meiner daraus resultierenden Praxisschließung wirklich nicht leicht gemacht. Alles, wofür ich vierzehn Jahre lang hart gearbeitet habe, ist verloren.“
Marina wurde auf einmal ganz nachdenklich. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Dann kommt noch dieser Morbus Wegener ins Spiel, der es mir unmöglich macht, weiter eine körperlich schwere Arbeit auszuüben. Mein Mann arbeitet sich zu Tode. Aber er kann es allein nicht schaffen. Das Leben ist viel zu teuer geworden.“
Eine dicke Träne tropfte auf die Tischdecke.
„Ich möchte meinen Kindern etwas hinterlassen, Britta.“
Die Stimme versagte Marina den Dienst. Britta nickte.
„Komm, wir trinken noch einen Eiskaffee. Ich zahle.“
KAPITEL ZWEI: Die Entscheidung
In der Küche der sechzig Quadratmeter großen Wohnung saßen sich Marina und ihr Mann Michael gegenüber. Die Stimmung war aufgeladen.
„Ich kann nicht glauben, dass du das durchziehen willst. Es ist gefährlich. Weit ab vom nächsten Dorf. In diesen Wäldern hat man wahrscheinlich nicht mal einen Empfang.“
Marina atmete hörbar ein und aus.
„Na Gott sei Dank. Das würde mir gerade noch fehlen, wenn ihr mich ständig nerven würdet.“
Der Dialog des Ehepaares wurde unterbrochen.
„Hallo ihr Zwei. Streitet ihr etwa schon wieder?“
Eine hübsche, junge Frau betrat den Raum. Marina lächelte.
„Bienchen, willst du einen Kaffee?“
Die junge Frau setzte sich zu ihren Eltern an den Küchentisch. Sie blickte ernst von einem zum andern.
„Was ist jetzt wieder los“? fragte sie direkt. Ihr Vater schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
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