Während Doro seufzend die Küche saubermachte, hörte Franz dem erschütterten Theo zu. „Ich möchte wissen, wie sie neben dem Bengel ihre Arbeit machen soll?“, schloss er seinen Bericht. „Du musst ihr helfen und ihm Grenzen setzen“, riet er. „Wieso ich?“, begehrte Theo auf, dem diese Aufgabe keineswegs erstrebenswert schien. „Weil sonst keiner da ist“, stellte Franz pragmatisch fest. Theo schnaubte und schüttelte den Kopf. Dann fing er verbissen an zu arbeiten. Bis Mittag wollten sie fertig sein. Während Franz sich auf den Heimweg machte, ging Theo noch in die Schule, um nach dem Rechten zu sehen. In seinem Büro goss er den Benjamin und den großen Kaktus, die beide nicht sehr gesund aussahen. Dann nahm er den großen Schlüsselbund vom Haken. Er hatte sich angewöhnt, regelmäßig den Windfang vor dem Turnsaal zu kontrollieren, da sich dort die Jugendlichen gerne trafen. Auch heute fand er dort leere Bierflaschen, Glasscherben und Zigarettenstummel. Zwei leere Zigarettenschachteln lagen halbverkohlt in einer Ecke und die Wand war schwarz vom Rauch. Hoppla, da hatte jemand Freude am Zündeln! „Tja Freunde, so geht’s nicht“, murmelte Theo, holte Handschuhe und einen Eimer und begann alles einzusammeln. Auf dem Heimweg fuhr er beim Gendarmerieposten vorbei. Sein Jugendfreund Bertram war im Dienst. „Tag Theo, gibt’s wieder Schwierigkeiten?“, rief er zur Begrüßung. „Tag Bertl, ja das Übliche. Bierflaschen, Glasscherben und zwei verkohlte Zigarettenschachteln.“ „Hoppla, wenn sie mit dem Feuer spielen, müssen wir aufpassen“, meinte Bertram. „Ich bin bis am Abend im Dienst. Ruf mich an, wenn du sie erwischst.“ Theo nickte: „Gut, so gegen neun Uhr schau ich nach.“ Nachdem das Offizielle erledigt war, unterhielten sie sich noch ein wenig und Theo trank eine Tasse von dem schrecklichen Gebräu, das sein Freund Kaffee nannte. Zu Hause nahm er seine Wäsche aus der Maschine und hängte sie hinter dem Haus auf. Im Lechtal hatte er angefangen, die Wäsche selbst zu waschen und zu putzen. Sonst hätte er neben seiner neugierigen Vermieterin keinerlei Privatsphäre gehabt. Auch jetzt erledigte er seine Hausarbeit selbst, nur die Bügelwäsche brachte er seiner Mutter. Er würde am Abend noch bei seinen Eltern vorbeischauen, dann bekam er gleichzeitig ein gutes Abendessen. Außerdem konnte er die Mitbringsel aus dem Urlaub, italienischen Wein und Schweizer Schokolade, abgeben. Wahrscheinlich war die Mutter eh schon ein wenig gekränkt, weil er sich noch nicht gemeldet hatte. Das war der Nachteil, wenn man im gleichen Dorf wohnte, wobei es mit zwei Kilometern Abstand meistens gut auszuhalten war.
Den Nachmittag verbrachte Theo in der Werkstatt mit dem Heiligen Hubertus. In groben Zügen hatte er den Mann mit dem Hirsch zu seinen Füßen schon herausgearbeitet. Nun ging es um die Feinheiten, die Arbeit, die er am meisten liebte. Nach der Tischlerlehre hatte er die Schule für Holzschnitzkunst in Tirol besucht und war dann noch einige Jahre dort geblieben. Mit Schnitzen ließ sich in dem bei Urlaubern sehr beliebten Lechtal gutes Geld verdienen. In den Sommermonaten half er als Lehrer bei den Kursen aus. Das hatte ihm immer Spaß gemacht. Als er dann das Gefühl gehabt hatte, keine Madonna und keine Krippenfigur mehr sehen zu können, hatte er beschlossen, sich selbstständig zu machen und als Holzbildhauer und Schnitzer sein Glück zu versuchen. Zur selben Zeit hatten seine Eltern das Haus von Großonkel Konrad geerbt und ihm angeboten, es ihm zu schenken, wenn er dort leben wollte. Die alte Wagnerei mit der großen Werkstatt und der geräumigen Wohnung darüber war ideal für Theo und so war er vor drei Jahren ins Dorf zurückgekommen. Als dann Guidos Krankheit schlimmer wurde, hatte er die Stelle als Schulwart angenommen. Diese gab ihm finanzielle Sicherheit und ließ ihm doch Freiraum für seine Kunst. Einzelstücke nach seinen eigenen Vorstellungen anzufertigen, gefiel ihm wesentlich besser, als maschinell gefertigte Rohlinge auszuarbeiten. Wie er erwartet hatte, freuten sich seine Eltern über seinen Besuch und seine Mutter lud ihn am Sonntag zum Mittagessen ein. Ein Sonntagsessen bei Frieda konnte man nicht ablehnen, sie war eine ausgezeichnete Köchin.
Um acht Uhr verabschiedete er sich und radelte zur Schule. In Doros Wohnung brannte Licht und er sah sie durchs hell erleuchtete Fenster. Sie war allein mit dem Kind, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn sich betrunkene Halbstarke auf dem Gelände herumtrieben, sollte sie die Tür abschließen. Also läutete Theo bei Doro und als sie ihm öffnete, erklärte er ihr, dass sie die Tür abschließen solle. „Ich habe keine Angst vor ein paar jungen Buben“, erklärte sie, schob trotzig das Kinn vor und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn sie betrunken sind, können sie für dich unangenehm werden“, argumentierte Theo. „Ich sperre ganz bestimmt nicht die Tür zu wie ein altes Fräulein“, zeigte sie keinerlei Einsicht. „Herrgott, Doro“, schimpfte Theo, „kannst du denn nicht vernünftig sein?“ Als sein Apell auf taube Ohren stieß, zog er seinen Schlüsselbund aus der Tasche. „Gut, dann schließ ich dich eben mit meinem Schlüssel ein und wag es ja nicht, wieder aufzusperren vor morgen früh. Ich kontrolliere nachher nochmal.“ Ohne auf ihren Protest zu achten, schloss er die Tür und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss. „Störrisches Ding!“, schimpfte er vor sich hin. Immer noch verärgert, ging er in sein Büro, um die Taschenlampe zu holen. So konnte er unbemerkt durch die Schule zur Saaltür gehen und nachschauen, ob sich jemand dort herumtrieb. Wenn nötig, rief er Bertram an. So hatten sie schon mehrfach Erfolg gehabt. Die jungen Leute wurden verwarnt, wenn sie unter 16 waren, redete Bertram mit den Eltern und dann war wieder längere Zeit Ruhe. Heute war es ruhig, also machte sich Theo auf den Heimweg, nicht ohne Doros Tür kontrolliert zu haben. Sie war verschlossen.
Nachdem Theo fort war, ging Doro in Vikis Zimmer und ließ die Rollläden herunter. Das Fenster ließ sie offen, denn der Geruch nach frischer Farbe war nach wie vor intensiv. Insgeheim war sie nun doch ganz froh, dass die Tür verschlossen war. Es ärgerte sie jedoch, dass Theo sie schon wieder gescholten hatte wie ein kleines Kind. Durch ihren Ärger beflügelt, wischte sie die Böden fertig, schob das Bett und die Kommode an ihren Platz und fing an, ihre Sachen einzuräumen. Die beiden Kleiderschränke würden Alwin und Luis in den nächsten Tagen vorbeibringen und Hedwig hatte versprochen, ihr Vorhänge zu nähen. Langsam kehrte die Freude über die eigene Wohnung wieder und Doro schlief zufriedenein.
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