„Hi Christopher. Ich bin Sophie“, stellte ich mich vor.
„Freut mich, Sophie. Nenn mich einfach Chris. Gefällt es Dir hier bei uns in Neuseeland?“
„Ja, bislang ist alles super“ sagte ich zu Chris. „Das Fahrrad macht sich übrigens sehr gut, Nate.“
„Schön. Das wollte ich dich gerade fragen“, Nate lächelte dabei so charmant, dass ich mich richtig zusammenreißen musste, um einen klaren Kopf zu behalten.
„Chris ist ein Programmiergenie. Wir können uns also voll auf das Konzept und das Design der Internetseite konzentrieren, während er den ganzen Rest macht“, erläuterte Nate.
„Ihr seid für den kreativen Kram zuständig und ich setze alles um, was Ihr wollt“, bestätigte Chris.
„Einverstanden. Programmieren ist nicht wirklich mein Ding“, gestand ich.
„Da bist Du nicht alleine“, erwiderte Nate. Das war die erste Gemeinsamkeit, die ich an uns entdeckte.
„Hast Du schon eine erste Idee für die Plattform?“, fragte ich Nate.
„Nichts Konkretes. Aber wir sollten eine Seite bauen, bei der wir für die langfristige Betreuung wenig Aufwand haben. Also, wir sollten zum Beispiel nichts verkaufen, wo wir den Versand organisieren müssen“, antwortete Nate.
„Die User sollten sich selbst versorgen können. Bei Facebook wird auch nur die Technologie zur Verfügung gestellt, alles andere machen die User selbst“, fügte Chris hinzu.
„Ein soziales Netzwerk wäre die ideale Seite. Allerdings gibt es ja bereits sehr erfolgreiche Seiten, denen wir sicherlich keine Konkurrenz machen können. Und wir werden immerhin auch an der Popularität gemessen. Facebook zu kopieren wäre nicht gut“, sagte Nate.
„Da gebe ich Dir Recht. Aber wenn wir uns auf einige wenige Features konzentrieren und diese dafür richtig gut abbilden?“, konterte ich.
„Woran denkst Du zum Beispiel?“, fragte Nate.
„Facebooks Manko ist die Chatfunktion“, gab ich zu Bedenken.
„Ja, die ist wirklich sehr schlecht“, gab mir Nate Recht.
„Es ist aber wirklich nicht ohne, die performant umzusetzen“, schaltete sich Chris in unsere Diskussion ein. „Ich müsste recherchieren, welche Probleme wir lösen müssten, um das richtig hinzubekommen.“
„Facebook funktioniert global sehr gut. Wenn wir ein soziales Netzwerk nur lokal oder regional entwickeln, könnten wir es sehr gut im Griff haben“, spann Nate unsere Idee weiter.
„In Deutschland haben wir ein solches Netzwerk. Es heißt „Lokalisten“.“ Die Leute legen Profile wie bei Facebook an und netzwerken miteinander. Die Seite ist auf Städte begrenzt. Allerdings hat sich das Ganze anders entwickelt, als die Macher es gedacht haben. Die User haben Lokalisten zu einer Dating und Flirting-Plattform gemacht“, erklärte ich.
„Das wäre aber gar keine schlechte Idee“, überraschte mich Nate mit seiner Antwort.
„Hier in Neuseeland leben nur wenige Menschen und weit voneinander entfernt, so dass es schwierig ist, einen Partner kennenzulernen. Es gibt Veranstalter, die für Bauern und heiratswillige Frauen Tanzparties veranstalten. Hunderte Menschen aus allen Ecken des Landes fahren dort hin. Völlig krank. Aber es ist nun mal schwierig hier jemanden kennenzulernen“, erklärte Chris.
„Wir haben eine Sendung im Fernsehen mit einem ähnlichen Konzept. Ich glaube Bauern haben überall das Problem, Frauen zu finden, die auf dem Land leben wollen, wo es weit und breit keinen anständigen Klamottenladen gibt“, witzelte ich.
„Das ist also das eigentliche Problem: Wir bauen einen virtuellen Klamottenshop mit Online-Anprobe auf, dann haben es die Bäuerinnen nicht mehr so schwer beim Shopping“, lachte Nate.
„Absolut. Aber das wäre dann eine Lebensaufgabe und nicht ein Schulprojekt“, gab Chris zu bedenken.
„Aber wir könnten eine Flirt-Plattform bauen, mit der Möglichkeit Profile anzulegen und zu chatten. Seid Ihr einverstanden oder taugt das Projekt nur als guter Witz?“, fragte ich, um eine Entscheidung voranzutreiben.
„Ich denke, das ist eine gute Idee“, pflichtete Nate mir bei.
„Ich auch. Das mit dem Chatten muss ich aber noch checken“, sagte Chris.
„Wäre das für Blenheim oder die Region interessant? Was meint Ihr?“, fragte ich weiter.
„Als Einzugsgebiet ist Blenheim definitiv zu klein. Es leben nicht viele junge Leute hier. Und diejenigen, die es gibt, sind hier schon auf der Schule und sehen sich jeden Tag. Marlborogh County als Ganzes wäre nicht verkehrt. Zu der County gehören mehrere Kommunen von der Größe Blenheims, die nicht zu weit weg voneinander liegen“, sagte Chris.
„Wenn man sich online kennengelernt hat, ist es nicht zu aufwändig, sich auch mal persönlich zu treffen“, ergänzte ich.
„Es wird uns auch nicht schwer fallen, die Seite zu vermarkten. Wir können in allen größeren Orten Plakate aufhängen oder Flyer auslegen. Das könnte ich übernehmen. Mit dem Schwimmteam bin ich jeden Samstag in den Schulen der Region unterwegs“, bot Nate an.
„Dann hätten wir eine sehr konkrete Vorstellung“, schloss ich.
Wir riefen Mrs. Blake zu uns, um sicher zu gehen, dass wir nicht völlig in die falsche Richtung dachten. Sie war aber sofort begeistert und gab Chris die ersten Tipps für das Programmieren des Chatprogramms. In den kommenden Wochen sollten wir unsere Idee ausarbeiten und das Design der Seite angehen. Als die Stunde vorbei war, hatte ich ein natürliches Hoch. Ich hätte Bäume ausreißen können. Ich war erleichtert, dass ich in diesem Team war und dass Nate sich immer noch nicht als das Monster entpuppt hat, als das Stephanie ihn beschrieben hatte. Mit diesem Hochgefühl verstaute ich die vielen Bücher, die Mrs. Blake uns gab, in meinem Fach, nahm meine Sportsachen heraus, schloss ab und marschierte über den hinteren Schulhof zur Sporthalle, wo die Aufwärmübungen zum Outdoor-Activities-Kurs stattfinden sollten.
In meinem Übermut muss ich so schnell gegangen sein, dass ich als eine der Ersten in der Umkleidekabine für Mädchen ankam. Zu meiner Überraschung saß neben ein paar mir noch unbekannten Mädchen Kiri in der Kabine. Nachdem ich laut in die Runde gegrüßt hatte, ging ich zu Kiri hinüber, fragte, ob der Platz neben ihr frei sei und als sie lächelnd bejahte, setzte ich mich, um mich umzuziehen.
„Alles ok bei Dir?“, fragte mich Kiri.
„Alles bestens. Zum Glück habe ich bislang mit Kyle und Luke nur Biologie zusammen.“
„Keine Sorge, in Outdoors-Activities werden sie auch nicht sein. Die sind Rugby-Fanatiker.“
„Dann steht dem Kurs nur noch mein innerer Schweinehund entgegen“, lachte ich.
„Den muss ich auch immer überwinden. Aber dann macht der Kurs richtig viel Spaß.“
Als ich mich umgezogen habe, liefen wir gemeinsam in die Sporthalle. Kiri zeigte auf ein großes, sehr schönes schwarzhaariges Mädchen, das von einigen Mädchen und etwa zwanzig Jungs umringt war.
„Die hübsche große Frau dort ist Miss Hays, die Lehrerin.“
„Sie sieht sehr jung aus“, sagte ich verblüfft.
„Sie kam vor zwei Jahren von der Uni zu uns. Sie ist höchstens 24.“
„Und sieht unheimlich gut aus. Die Jungs sind wohl hin und weg?“
„Das kannst Du laut sagen. Deswegen ist der Anteil der Jungs in diesem Kurs so hoch.“
“Worauf habe ich mich da bloß eingelassen. Wenn ich vor Erschöpfung umkippen sollte, wird es noch peinlicher sein, von dieser Frau wiederbelebt zu werden.“
„Deswegen ist auch noch kein Mädchen umgekippt. Ihr Aussehen ist die größte Motivation, durchzuhalten.“
„Hoffentlich sehe ich dann zum Jahresende auch so gut aus, wie sie.“
„Du kommst ihr doch jetzt schon sehr nahe.“
„Danke für das Kompliment, aber das ist gelogen.“
„Keineswegs. Du brauchst nur noch die Muskeln.“
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