Seine Gesichtsfarbe hatte sich inzwischen von einem wütenden Rot in ein Weiß gewandelt. „Gut“, meinte er leise, „ich gebe Ihnen drei Monate, um sich zu beweisen. Aber der Name Hannah Lehmann bleibt. Gehen in den nächsten drei Monaten nicht genügend Fragen ein, sind Sie gefeuert.“
„Gefeuert? Ganz raus?“
„Ja.“ Sanders grinste sie an.
Scheiße, dachte Lena, sagte stattdessen aber „Okay“.
Zum Glück für Lena wurde die Kolumne sehr gut angenommen. DAS BLÄTTCHEN, wie die kleine Zeitung heißt, erscheint jeden Sonnabend, und Lena hatte damals genau zwei Tage Zeit, ihre erste Kolumne druckreif zu schreiben. Was kein Problem war, denn sie hatte zu Hause auf ihrem Laptop schon jede Menge Entwürfe für Themen gespeichert. So auch die erste.
Grinsend ging sie zu Dörte, setzte sich neben sie und erzählte ihr von dem Gespräch mit Sanders. „Der wird dich rauswerfen“, meinte sie.
„Das Risiko gehe ich ein. Ich hab die Nase voll davon, immer nur die Fehler der anderen auszubügeln.“
„Fehler. Ja?“, ertönte die tiefe Stimme ihres Kollegen Jörg Balter, der aus einem der Büros gekommen war.
„Ja. Fehler“, beharrte Lena, „schaut doch mal nach dem Schreiben über Eure Artikel. Manche Dinge schreien förmlich nach Verbesserung. Kriegt Ihr das nicht hin?“
„Zeitdruck, Schätzchen“, antwortete er, „außerdem wollen wir nicht, dass du brotlos dastehst.“
„Ich mag dich auch, Blödmann.“
Der Umgangston unter den Kollegen – Sanders ausgeschlossen – ist ziemlich locker. Kleine Beleidigungen nimmt niemand übel.
Nun ja, Lena war unendlich stolz und froh gewesen. Zum einen, weil sie selbst schreiben durfte. Zum anderen, weil es ihr gelungen war, Sanders auf den Arm zu nehmen. Die Ernüchterung kam jedoch bald. Die Leserinnen fragten Lena nach Haushaltstipps und Mittel gegen Liebeskummer. Wie sie mit Arbeitslosigkeit fertig werden sollten und ihre rebellischen Kids zähmen konnten. Das war nicht wirklich das gewesen, woran Lena dachte, als sie ihre Kolumne bekam. Aber Sanders war damals der Meinung, dass man auf die Leserwünsche eingehen müsse. Wenn die Leser das wissen wollten, sollte Lena/Hannah gefälligst antworten. Lena allerdings versuchte, ihrem Chef klarzumachen, dass es vielleicht besser wäre, die Leser etwas von den Alltagssorgen wegzubringen und ihre Augen für die schönen Dinge des Lebens öffnete. „Schöne Dinge!“, schnaubte Sanders damals, „wach auf, Kleine. Komm in die Realität. Schöne Dinge sind Scheiße von gestern. Heute regiert das Geld. Wer keins hat, ist nichts wert. Wer Sorgen hat, ist ein Schwächling. Und wenn die verflixten Leser wissen wollen, wie sie mit ihrer Unfähigkeit, einen Job zu finden, klarkommen, dann teilst du ihnen mit netten Worten mit, dass sie ihren Arsch vom Sofa heben sollen.“
Sanders ist ein Flegel. Benimmt sich in der Redaktion wie ein Trampeltier. Unsensibel und gnadenlos. Doch sowie die Öffentlichkeit da ist, wird aus dem Idioten ein sanftes Lamm, das seinem Gegenüber die Schuhe ableckt.
Als die Besprechung nach zwei Stunden vorbei ist, geht Lena mit ihren neuen Themen nach Hause.
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