Achim Kranz
Wo bitte, geht's zur Berliner Straße?
Die Berliner Dörfertour
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Achim Kranz Wo bitte, geht's zur Berliner Straße? Die Berliner Dörfertour Dieses ebook wurde erstellt bei
Bevor die Tour beginnt
Auf geht's nach Alt-Reinickendorf
Jeh doch nach Dalldorf! (Alt-Wittenau)
Eine wahre Dorfschönheit: Lübars
Blankenfelde und Fontanes Irrtum
Blankenburg oder "Äpfel aus dem Havelland?
Exkurs: Heinrich Wohlers Dorfkirchen
Das Straßendorf Malchow
Beton, Beton und mittendrin ein Dorf - Wartenberg
Auf zu den Humboldts - Falkenberg
Die Bockwindmühle inmitten der "Platte" - Marzahn
Impressum neobooks
Ja, wo geht es denn nun zur Berliner Straße?
Aber welche Berliner Straße meinen Sie denn? Ist es die Berliner Straße in Berlin-Heinersdorf, in Pankow, Tegel oder Zehlendorf? Nicht so einfach, die dazu gehörende Postleitzahl zu wissen wäre sinnvoll. Es gibt tatsächlich acht Berliner Straßen in Berlin sowie eine Berliner Allee.
Zeigen Sie mir eine andere Großstadt in Deutschland, die Vergleichbares vorzuweisen hätte!
Aber wie kommt das? Warum tragen acht bzw. neun Straßen den Namen der Stadt, in der sie verlaufen?
Viele Fragen also.
Im Verlauf der "Berliner Dörfertour" werden wir sie beantworten. Versprochen.
Vor einigen Jahren fuhr ich im Auto etwas gedankenverloren den Tauentzien entlang, und zwar versehentlich (ehrlich!) auf der Busspur. Es kam wie es kommen musste, mein Auto klemmte zwischen zwei Sightseeing-Bussen und es ging gaaanz langsam weiter.
Ich hatte also Zeit zum Nachdenken. Also dachte ich darüber nach, was denn den Touristen beim Sightseeing so geboten würde. Ja, klar, Tauentzien und Ku'damm, Potsdamer Platz, Brandenburger Tor, Kanzleramt, Reichstag, Eastside-Gallery und vielleicht der Mauerpark.
Sicher, dachte ich mir, das kann man so machen, das interessiert die meisten Besucher. Aber ist das wirklich Berlin, zeigt das mehr von der Stadt, als ein wenig Oberfläche?
Natürlich nicht. Es bedient den Mainstream, die Masse der Touristen, denen das ausreicht. Einige geschichtliche Eckdaten werden dabei auch geliefert, das reicht aus, schließlich soll es ja nicht anstrengend sein.
Aber meine Stadt ist doch viel, viel mehr! "Meine Stadt", denn ich wurde in Berlin geboren, so wie meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern auch. Und, verdammt, da habe ich schon mal gelogen: Meine Mutter wurde im Jahr 1916 in Schöneberg geboren, und das war damals nicht Berlin, doch dazu gleich mehr. Ich tröste mich mit meinem Vater, denn der erblickte in Prenzlauer Berg das Licht der Welt, und, jawoll!, das war Berlin!
Wie gesagt, das Mainstream-Sightseeing hat seine Daseinsberechtigung, aber, so dachte ich mir, ganz sicher wird es auch Besucher dieser Stadt, aber auch Einheimische und Zugezogene geben, die mehr sehen und wissen wollen von der einzigartigen Geschichte Berlins, die so spannend und manchmal kaum zu fassen ist.
"Berlin ist bloß eine Ansammlung von lauter Dörfern, die durch Straßenbahnen verbunden sind."
Dieser Satz ist nicht etwa auf meinem Mist gewachsen, zumal die Aussage bezüglich der Straßenbahnen heute so nicht mehr stimmt. Nein, er stammt vom berühmten Pinsel-Heinrich, wie die Berliner ihren Heinrich Zille mit berlintypischem Respekt nannten. Übrigens, dieser "urtypische" Berliner stammte aus dem sächsischen Radeburg. So profan der Satz von Zille auch klingen mag, trifft er doch den Nagel auf den Kopf. Die heutige Hauptstadt der Bundesrepublik existiert in ihrer derzeitigen Ausdehnung (mit kleinen Abweichungen) erst seit dem 1. Oktober 1920.
Der Satz von Zille und das Datum 01. Oktober 1920 fielen mir ein, als ich zwischen den Bussen auf dem Tauentzien klemmte, und damit war meine Idee geboren:
Die "Berliner Dörfertour"!
Viele Städte und Gemeinden rings um Berlin wuchsen während der Industrialisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts rasend schnell an, die Bevölkerungszahlen vervielfachten sich. In der flächenmäßig noch kleinen Stadt Berlin (sie umfasste noch nicht einmal den heutigen S-Bahnring) wurde es immer enger. Doch dazu mehr bei der Tour.
Hier nur soviel: Vor allem infrastrukturelle Probleme der zusammengeballten, aber verwaltungstechnisch getrennten Städte und Gemeinden führten im Jahr 1912 zur Bildung des "Zweckverbandes Groß-Berlin". Dieser Zweckverband sollte die Probleme lösen, konnte es aber nicht, da er einerseits viel zu lose war und andererseits der Beginn des I. Weltkrieges im Jahr 1914 alle positiven Ansätze zunichtemachte. Erst nach Kriegsende, zum 01. Oktober 1920, entstand die Stadt Groß-Berlin. Über Nacht wurden sieben Städte, siebenundzwanzig Gutsbezirke und neunundfünfzig Gemeinden mit Berlin vereinigt; die Fläche der Stadt verdreizehnfachte sich und aus 1,9 Millionen Einwohnern wurden 3,8 Millionen! Wohlgemerkt, auf der zwölffach so großen Fläche des kleinen Berlins lebten genauso viele Menschen wie in dem kleinen Berlin! Zu den eingemeindeten Städten zählte neben Charlottenburg, Neukölln, Schöneberg, Lichtenberg, Köpenick und Wilmersdorf auch die Stadt Spandau, die mit dem Gründungsjahr 1232 nach offizieller Geschichtsschreibung fünf Jahre älter als Berlin ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Spandauer heute noch "nach Berlin fahren", wenn sie in die City wollen. Meine Schwiegertochter ist in Spandau aufgewachsen. Bei einem Spaziergang durch die Altstadt erzählte sie mir, dass die meisten ihrer Freundinnen aus dem Gymnasium heute in Berlin arbeiten würden. Sie hat es nicht bemerkt.
Vielleicht hier noch eine kleine Anekdote, eine alte, aber schlagkräftige Berlinerin betreffend: Ich sagte zu meiner Mutter: "Mama, weißt du, du hast mich angeschwindelt. Du hast immer gesagt, dass du eine echte Berlinerin sein würdest, dabei stammst du doch aus Schöneberg. Als Schöneberg zu Berlin kam, warst du bereits vier Jahre alt." "Na jut, aba jemerkt ham wa davon nischt!"
Doch zur Tour: Meine Idee bestand darin, diesem einzigartigen Werdensprozess Berlins nachzuforschen. Was kann man von den 59 Dörfern noch finden. Was ist erhalten, interessant und betrachtenswert? Ich recherchierte in den Heimatmuseen, in der zugänglichen Literatur, sprach mit alten Berlinerinnen und Berlinern und machte mich auf den Weg. Auf den Weg in die Dörfer, die es, mehr oder weniger gut erhalten, heute noch in Berlin gibt. Vieles konnte ich finden, Interessantes, Spannendes, aber auch so mache Kuriosa. Mir wurden Zusammenhänge deutlich, die ich so auch noch nie gesehen hatte. Sie gilt es darzustellen, sie sind interessant zu machen sowohl für Besucher der Stadt, als auch für geschichtsinteressierte Einwohner. Und es soll vor allem auch Spaß machen, oh ja, es darf auch gelacht werden!
Eine Tour über alle noch erkennbaren Dorfkerne in Berlin zu machen ist schier unmöglich. dazu ist die Stadt einfach zu groß. Ich musste mich also darauf konzentrieren, eine Tour zu entwickeln, die einen gut nachvollziehbaren Streckenverlauf hat und möglichst gut erhaltene Dörfer oder Dorfkerne einschließt. So entstand die Tour "Nord/Nordost", die interessante Einblicke in das Werden der Stadt und vor allem auch optisch Reizvolles bietet. Eine Tour, die nicht zuletzt die ehemals geteilte Stadt verbindet und Gemeinsames im Entstehen von "Ost-" und "West-"Berlin aufzeigt. Sie umfasst vom Startpunkt bis zum Ziel eine Strecke von ca. 40 Kilometern und führt über neun Dörfer.
Diese Tour ist mit dem Auto unter Berücksichtigung aller notwendigen Stopps und Begehungen in einer Zeit von ca. 3 Stunden zu bewältigen. Geübte Radfahrer können sie auch an einem Vor- oder Nachmittag fahren, aber empfehlen würde ich das nicht. Besser ist die Aufteilung in zwei oder sogar drei Tourabschnitte. Die Tour "Nord/Nordost" kann natürlich auch mit dem ÖPNV, wiederum besser in Abschnitten, bewältigt werden. Ich verzichte auf die Angabe von Fahrstrecken, da sich in einem so komplizierten großstädtischem Verkehrsnetz, wie es Berlin hat, immer wieder mal Veränderungen ergeben, was verwirrend sein könnte. Klar muss Ihnen aber sein, dass Sie die Tour mit dem ÖPNV nicht genau so erleben können, wie ich sie für Auto oder Fahrrad angebe. Schwierig dabei ist vor allem das Erleben der Strecken zwischen den einzelnen Dörfern, das z.B. beim Benutzen der U-Bahn gänzlich unmöglich sind. Die Dörfer selbst aber sind alle mit dem ÖPNV erreichbar.
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