Wenn aber eine solche Form des Wettstreits und der Entwicklung nicht gesund ist, einseitig dem System, der Habsucht und dem Machthunger dient, das Ego sättigt und diesem vorgaukeln, Vorankommen sei allein auf die Weise zu erlangen, wird man einst unerfüllt sterben, desillusioniert im Geist und im Herzen. Ist dieser Ansatz grundlegend falsch, bloß ein Trugbild, eine Verführung, wird man durch alle diesbezüglichen Bemühungen nie anhaltende zufrieden oder erfüllt sein. Damit schwächt und destabilisiert man den einzelnen Menschen, aber auch das soziale Gefüge. Die Gesellschaft rutsch, ohne es zu bemerken, tiefer in Belanglosigkeit und Selbstzerstörung ab, wie manch blühende Zivilisation zuvor.
Schuld daran ist nicht der Fortschritt, Modernisierung, Technologisierung oder der Drang nach Wissen. Schuld trägt das unbewusste, unersättliche und selbstgefällige Wesen des Menschen, welches ihm durch eine entsprechende Erziehung schon als Kind in das Ego eingeimpft wurde. Aus ihm entspringen die maßlosen, bedeutungslosen und egoistischen Absichten und Verlangen, die in ihrem Charakter exzessiv, aggressiv und destruktiv sind.
Je weiter eine Gesellschaft sich in solch einer Gesinnung ausbreitet und alles um sich gewissenlos ausbeutet, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen und die eingebildeten Bedürfnisse zu befriedigen, desto umfangreicher wird der Schaden und das Leiden werden. Dies gilt nicht nur außerhalb, sondern genauso innerhalb des Gefüges.
Wer darum nur nach vorgegebenen Denkansätzen lebt, nach intellektuellen Weltanschauungen, Lehrmeinungen, Ideologien, sozialen Regeln oder kulturellen Vorgaben, sich darüber hinaus nicht kümmert und nicht schert, nicht emanzipiert und nicht entwickelt, macht sich an den zerstörerischen Verhaltensweisen mitschuldig. Auch vergibt man großes Potenzial, weil man auf solche Weise die Möglichkeit für ein bewusstes, selbstbestimmtes Dasein verspielt. Man wird zu einer manipulierten, lenkbaren Figur auf dem Schachbrett der Mächtigen.
Je beeinflusster ein Mensch in seinem Denken ist, desto unbewusster und gewissenloser können die Absichten und Handlungen werden. Folglich wird versäumt, Verantwortung zu übernehmen für sich und die Mitmenschen, zum eigenen Nachteil, dem seiner Zeitgenossen und von nachkommenden Generationen.
Wird das egoistische Streben nach Macht, Wohlstand, Status und Geltung unnachgiebig verfolgt, auch wenn offensichtlich negative Konsequenzen damit einhergehen, ist der Schaden daraus größer als jeder Nutzen. Je mehr von seiner Lebenszeit und Energie man darin investiert, desto stärker gerät man in den Strudel von Verlangen und Abhängigkeit. Individualität und soziale Bindungen leiden darunter im Gegenzug.
Die Lebensumstände mögen sich durch viele Annehmlichkeiten verbessern. Wenig ist dadurch jedoch gewonnen, wenn dies zulasten von Lebensfreude und Herzlichkeit geht. Äußerlich gestaltet sich das Leben durch Luxus angenehm, schillernd, elegant. Verliert man dadurch aber seine Individualität und jede Leichtigkeit, gibt man in sich mehr preis, als man in der Außenwelt gewinnen kann. Wird schon im Kind die unbeschwerte Inspiration und Leidenschaft unterdrückt, anstatt gefördert, und entfernt man sich als Erwachsener weiter davon, dann wird das längste Leben nie lange genug sein, um Erfüllung zu finden. Von sich selbst entfremdet bleibt es substanzlos, leer und überwiegend enttäuschend.
Traue dich, den Schritt zur inneren Emanzipation zu gehen. Keinem Kind soll man sie verwehren. Wem sie einst ausgetrieben wurde, soll sich ihr besinnen, unabhängig vom Alter. Die Rückbesinnung auf diese Unbeschwertheit im Wesen ist ein wahrer Segen und die Befreiung von vielen Fesseln. Durch sie wird das Leben wieder einfacher, unkomplizierter, man selbst genügsamer. Grenzenloser Konsum wird uninteressant, langweilig.
So lebt man emanzipiert von unnützen Einflüssen, kann wahrlich genießen, was man liebt. Die eigene einzigartige Ausstrahlung blüht neu auf und schreitet auf dem Pfad inneren Wachstums und Bewusstwerdung.
2.4 Der Wert der Freiheit
Nachbarn und Bekannte, Freunde und Verwandte, sogar Eheleute und Verliebte werden und bleiben sich fremd, wenn man sich selbst fremd geworden ist, sich verloren hat in Denkmustern, Verlangen und alltäglichen Zwängen. Man nimmt nicht mehr wahr, dass eine solche Lebensweise die innere Entwicklung und Freiheit unterdrückt. Die Psyche wird belastet und die seelischen Wurzeln verdrängt. Daraus entstehen, ohne ersichtlichen Grund, Unzufriedenheit, Angst, Nervosität, Stress, Überempfindlichkeit oder Verletzlichkeit, nicht in der einen oder anderen Situation, sondern in der Persönlichkeit und im Wesen. Wohlbefinden, Beziehungen und das soziale Klima erleiden dadurch Schaden.
In jedem durch Macht gesteuerten System wird Druck ausgeübt auf das Individuum, durch Abhängigkeiten, die nicht natürlichen Ursprungs sind, durch Ängste, die keine reale Grundlage haben oder durch Ziele und Werte, die keine anhaltend Erfüllung bringen. Selbst in einem demokratischen Rechtsstaat mit einem freien Wirtschaftssystem trifft dies zu. So will man den Machtanspruch erhalten, die Wirtschaft antreiben, das System am Laufen halten. Dies alles zeugt nicht von grundsätzlich schlechten Absichten, sondern von einer unbewussten Haltung.
Ein System, welches die erwähnten Fehler nicht enthält, müsste überwiegend auf Bewusstsein und Menschlichkeit basieren. So käme es nicht zur Entfremdung, sondern zu Annäherung, nicht zur Abhängigkeit, sondern zu mehr Freiheit. Der Einfluss von politischen und wirtschaftlichen Machthabern würde sich verringern. Natürlich wollen diese das um jeden Preis verhindern. Schließlich haben sie sich mit dem Ehrgeiz des Egos zu diesem Zweck hochgearbeitet - um sich über ihre Macht zu beweisen. Der bewusste Mensch hat keine diesbezüglichen Ambitionen.
Unter all denen, die Macht und Einfluss ausüben, eine Führungsposition oder Vorbildfunktion innehaben, finden sich am Ende wenige, die nicht ihrem Ego, dessen Hunger nach Bestätigung oder einer unersättlichen materiellen Gier verfallen sind. Wenige haben darüber hinaus wahre Werte erkannt und bekennen sich zu diesen. Selbst ahnungslos führen sie damit andere mit falschen Anreizen und Vorgaben weiter weg von Glück, Zufriedenheit und wahrer Erkenntnis.
Derart beeinflusst wird das Leben unnötig beschwert. Dabei schlummert in uns allen mehr Potenzial, als einzig auf die suggerierten Wünsche und Sehnsüchte hereinzufallen. Jeder einzelne Tag ist zu kostbar, um blindlings gesellschaftlichen Normen und moralischen Zwängen aufzusitzen. Der Mensch, in seinem bewussten inneren Wesen, ist kein blinder Mitläufer, sondern ein Freigeist mit freiem Willen. Lässt man diesen verkümmern, leidet man darunter. Von irrtümlichen Idealen, Zielen und Werten geblendet und verführt werden viele zu Starrköpfen und Ignoranten. Sie verlieren sich in Belanglosigkeiten, verirren sich in Bedeutungslosigkeit, verstricken sich in belastende Beziehungen. Darüber vergisst man ganz und gar, wie grundlegend freudvoll, einfach, tolerant und atemberaubend das Leben doch sein kann.
Nur wenn es gelingt, sich von aufgesetzten Zwängen zu emanzipieren, wird eine gesunde Entwicklung durchlaufen und innere Freiheit und Unabhängigkeit erlangt. Mit ihr wirst du wachsen über die Macht der Mächtigen, den Reichtum der Reichsten, die Bekanntheit der Populärsten hinaus, während sich deren egozentrische Spielereien letztlich als sinnlose Eitelkeit ihres befangenen Geistes offenbaren.
- III - Was der Mensch zu erlangen vermag
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