Ich pruste ein ungläubiges: „Er hat mich jetzt nicht grad angemacht ... Ich muss hier raus.“ Wie eine Besessene stürme ich zur Haustür raus.
Dort knalle ich frontal in einen Körper. Erneut schnappe ich nach Luft, denn da stehen drei Jungs vor mir, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen.
Panisch drehe ich mich um. Sohn Nummer 1, der mich gerade angemacht hat, taucht hinter mir auf und – jetzt kommts – er sieht auch genauso aus. Es sind Vierlinge. Ich werd verrückt.
„Hey, warte.“ Sohn Nummer 1 hat mich gerade am Arm gepackt und fixiert mich interessiert. Die anderen Zwillingssöhne glotzen mich nur überrascht an.
„Liliana.“ Toll, jetzt ist mir mein Dad wohl auch noch gefolgt.
„Darf ich dir meine Söhne vorstellen. William, Henry, George und Thomas. Söhne, das ist Liliana, meine Tochter.“ Den Jungs ist ebenfalls die Kinnlade runtergeklappt und sie blicken sich verwirrt an.
„ WAS ?“ Eine schrille Frauenstimme reißt uns aus unserem peinlich berührten Anschweigen. Die Frau, die gerade aus einem schwarzen Oldtimer, der aussieht, als stamme er direkt aus einem Schwarzweißfilm, gestiegen ist, lässt die Tüten fallen und stemmt fuchsteufelswild die Hände in die Hüften.
Anstatt mir beizustehen, läuft mein Dad schnurstracks zu ihr rüber und beschwichtigt mit den Worten: „Ich kann dir das erklären, Claire.“ Ja wunderbar, erklärs ihr ruhig zuerst.
„Da bin ich ja mal gespannt“, faucht sie wild.
Mein Dad rauft sich nervös die Haare. „Claire, sie ist aus einer früheren Beziehung, aber das ist vorbei.“ Wow, wie verletzend ist das denn?
Geballte Wut steigt in mir auf, also mache ich mich vom Acker, bevor ich explodiere. Nach ein paar Schritten habe ich es mir anders überlegt und mache auf dem Absatz kehrt.
Warte, ich hab die Papiere ja noch gar nicht.
Ich wende mich meinem Dad zu. „Unterschreib die Papiere und ich bin wieder weg.“
„Nein. Ich werde deine Mutter anrufen, damit sie das erklärt“, raunt er.
„Die ist nicht zu Hause.“
„Ich rufe sie trotzdem an.“ Tu, was du nicht lassen kannst. Mein Dad hat bereits sein Handy aus der Tasche gezogen und wählt die Nummer.
„Du hast ihre Telefonnummer?“, prustet Claire bösartig. Schulterzuckend wartet mein Dad weiter auf eine Reaktion am anderen Ende der Leitung. Nichts. Unverrichteter Dinge legt er auf.
„Sie geht nicht ans Telefon“, stellt er fest.
„Sag ich doch. Sie ist nicht da“, motze ich. Okay, es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass ich mit der Gesamtsituation überfordert bin und es an meinem Dad auslasse.
„Wie lange geht das schon so?“, will Claire wissen.
„Wovon sprichst du?“, stößt mein Dad aus.
„Das mit deiner Exfrau und deinem Kind, von denen ich bis heute nichts wusste. Was verschweigst du noch? Noch mehr Kinder? Doppelehen? Bist du ein Heiratsschwindler?“ Oh, oh. Gar nicht gut. Sie läuft stampfend ins Haus und mein Dad nimmt die Verfolgung auf.
„Claire, wir waren nicht verheiratet. Das war vorbei, bevor wir uns kennengelernt haben. Du bist meine erste und einzige Ehefrau ...“
Was für ein Chaos. Ich blicke in vier ratlose Augenpaare. Der Bruder, den ich im Salon kennengelernt habe, William, bricht das Schweigen.
„Hey, ich hab mir schon immer ein Schwesterchen gewünscht.“ Breit grinsend legt er den Arm auf meine Schulter und drückt mich an sich.
Damit komm ich grad nicht wirklich klar und ich überlege noch, ob ich ihm eine reinhauen oder in Tränen ausbrechen soll.
Sein Bruder, Thomas, ist wohl weniger erfreut, gerade ein Geschwisterchen erhalten zu haben, denn er stößt ein „Sieh nur, was du angerichtet hast. William, nimm die Finger von ihr, das ist ja abartig“ aus und stürmt seinen Eltern hinterher.
George zieht nur ratlos die Schultern hoch und Henry erklärt: „Genaugenommen sind wir nicht blutsverwandt. Anthony ist unser Stiefvater. Trotzdem willkommen in der Familie, Liliana.“
„Lilly“, korrigiere ich ihn. Gerade merke ich, dass ich mich gar nicht bedankt habe und drücke ein kaum hörbares „Danke“ heraus.
William grinst wieder breit. Ich glaube, die Information über unser nicht vorhandenes Verwandtschaftsverhältnis stimmt ihn fröhlich.
„Soll ich dir das Haus zeigen?“, bietet er an.
„Hör zu, ich brauch nur eine Unterschrift von meinem Dad, dann muss ich weiter“, erkläre ich.
„Das kommt gar nicht infrage. Es sind doch Ferien. Natürlich bleibst du noch“, wendet William, mit vor der Brust verschränkten Armen, ein.
Mein Dad tritt kurze Zeit später aus dem Haus. Sein Kopf ist noch dran – gutes Zeichen. „Liliana, kommst du bitte.“ Ich folge ihm ins Haus und treffe im Salon auf Claire. Sie sieht alles andere als begeistert aus. Toll.
„Claire, das ist Liliana – meine Tochter. Liliana, das ist Claire – meine Ehefrau“, stellt uns mein Dad einander vor.
Sie macht keine Anstalten, mir die Hand zu reichen, also winke ich ihr nur scheu zu. „Hi. Ich bin Lilly.“
Sie schnaubt abfällig und verlässt den Raum. Ja, ist auch schön, dich kennengelernt zu haben. Jetzt bin ich mit meinem Dad allein, der sich erneut die Haare rauft.
„Da hast du mich ja in eine schöne Situation gebracht“, wirft er mir vor.
„Da hast du dich selbst reingeritten. War ja klar, dass du mir alles in die Schuhe schiebst. Woher soll ich wissen, dass du eine Familie hast, die nichts von mir weiß. Ach ja, stimmt. Du hast wahrscheinlich vergessen, dass es mich noch gibt. Deshalb hast du dich in den letzten zehn Jahren auch so ‚ oft ‘ gemeldet.“
„Was willst du eigentlich von mir, Liliana? Willst du Geld?“ Ich schnaube abfällig. Geld ? Weiß nicht, was könnte eine Tochter wohl von ihrem Vater wollen? Liebe, Aufmerksamkeit, ein Gespräch. Aber das krieg ich sowieso nicht, so wie er auf unser Wiedersehen reagiert hat. „Alles was ich will, ist eine Unterschrift.“
„Ich unterschreibe das nicht.“ Da muss ich wohl schwerere Geschütze auffahren.
„Dann wirst du mich solange nicht mehr los, bis ich sie habe. Ich könnte Claire ja ein paar alte Geschichten erzählen – von deiner ‚anderen‘ Familie. Ich hab Fotos dabei. Das wird bestimmt lustig.“ Panisch reißt er die Augen auf.
„Du solltest Claire aus dem Weg gehen“, rät er mir.
„Unterschreib die Papiere und du bist mich los.“
„Mir gefällt das nicht. Ich will vorher mit deiner Mutter darüber sprechen.“ Mann, unterschreib schon. „Du rufst sie jetzt augenblicklich an“, befiehlt er.
„Krieg ich dein Telefon?“, frage ich monoton.
„Hier, nimm.“ Er wählt sogar für mich. Mein Dad traut mir anscheinend nicht über den Weg.
Ich rolle mit den Augen und lasse es gefühlte hundertmal klingeln. Mailbox.
Genervt reißt er es mir aus den Händen und wählt erneut. „Du hinterlässt deiner Mutter jetzt eine Nachricht. Sie soll diese Nummer zurückrufen.“
Schulterzuckend ergreife ich das Telefon. „Hi Mum, ich bin bei Dad, aber das weißt du sicher bereits. Dad will übrigens mit dir sprechen. Ich weiß, dass du nicht mit ihm sprechen kannst, aber ruf zurück, falls du wieder da bist. Tschüss.“ Ich lege auf und händige es ihm aus.
„War das die Idee deiner Mutter? Will sie mich damit bestrafen?“ Hä?
„Lass Mum aus dem Spiel. Sie hat damit gar nichts zu tun. Übrigens danke, dass du meinen Besuch mit einer Bestrafung gleichsetzt.“
„Naja, du trittst in mein Leben und bringst alles durcheinander. Nicht gerade ein überlegter Zug von dir.“
Wow, wie nett.
„Oh, das tut mir aber leid, dass ich in dein ‚ perfektes ‘ Leben reinplatze“, spotte ich überschwänglich.
„Mir gefällt nicht, wie du mit mir sprichst, Liliana. Immerhin bin ich dein Vater.“
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