Ich hatte danach wochenlang Albträume und wollte nachts das Licht nicht ausmachen, aber ich habe bis heute niemandem etwas davon erzählt. Mein ganzes Leben lang rätsele ich schon, was für ein Wesen das war und ob es böse ist oder gut.«
»Und was denkst du?«
»Früher dachte ich, es müsse böse sein – einfach, weil es so schwarz war und kein Gesicht hatte. Was für ein dummes Argument. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Vielleicht ist es weder gut noch böse. Vielleicht ist es einfach nur ganz anders als wir. Vielleicht werden wir ihn nie verstehen, so wie die Ameisen den Jungen nie verstehen werden.« Die Großmutter schwieg nach dieser langen Erzählung.
»Und der Schrein?«
»Den Schrein haben unsere Ahnen vor langer Zeit errichtet. Ich vermute, so lange der Schrein da ist, bleibt auch der Kami dort. Ob der Schrein ihn irgendwie gefangen hält oder ob er einfach dort bleiben möchte – wer weiß das schon. Doch sicher ist: Dieses Wesen gehört nicht in die Welt der Menschen. Es ist wichtig, dass es dort bleibt, wo es ist.«
Sie sah Teru in die Augen. »Wirst du zum Schrein gehen, wenn ich nicht mehr bin?«
»Aber Obaachan, sag doch nicht so etwas. Du lebst doch noch ganz lange.«
»Ich meine es ernst, Teru. Versprich es mir. Bitte.«
»Na gut. Ich verspreche es.«
An dieses Versprechen hatte sich Teru ihr ganzes Leben lang gehalten. Bis ins hohe Alter war sie regelmäßig zum Schrein gegangen und auch jetzt war sie nur ein paar Wochen zu Hause geblieben, weil sie eine schwere Erkältung gehabt hatte.
Doch nun war der ganze Schrein verlassen. Es gab keinen Priester mehr und gewiss war seit Tagen niemand mehr hier gewesen, um zu beten. Teru stand vor dem Haiden und fühlte sich mit einem Mal ganz klein und hilflos. Sie war plötzlich vier Jahre alt, wie ihre Großmutter, als sie den Kami das erste Mal traf. Sie spürte, wie sich etwas hinter ihr aufbaute, etwas Gewaltiges, etwas von ungeheurer Kraft.
Teru drehte sich um.
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