Mit dieser Formulierung konnte sich sowohl Ahmad als auch Omar einverstanden erklären und übersetzten das soeben Akzeptierte für die Jungen.
„Wenn Ihr irgendwelche Kommilitonen, Freunde oder Bekannte habt, die gegen uns und unsere Verbündeten etwas unternehmen wollen, lasst es uns wissen. Wir werden die nötigen Schritte einleiten, damit keinem ein Unrecht geschieht.“
Sayed und Hossein blickten sich wieder an und die beiden anderen Jungen sahen scheu zur Seite. Während Wolf Lenning dieses Verhalten nicht entgangen war, ging Tom zur Tagesordnung über.
„In Hamburg soll eine Gruppe eingesickert sein, die den Al Qaeda-Führern, wo immer sie sich zur Zeit aufhalten sollten, treu ergeben ist. Diese Leute stellen grundsätzlich für uns alle eine Gefahr dar. Es sind nicht die Schlechtesten, die sich einem solchen subversiven Kampf ohne Rücksicht auf eigene Nachteile verschreiben. Unsere Aufgabe ist es, diese Leute für uns zu gewinnen, damit großer Schaden von uns und unseren Verbündeten abgewendet werden kann und im übrigen die Kämpfer auf richtigen Kurs gebracht werden. Wenn Ihr jemanden kennt, sprecht zuerst mit ihm, macht ihm klar, dass wir es waren, die überhaupt erst Afghanistan aus dem Würgegriff der Sowjets befreit haben. Dann klärt sie auf, dass wir auch in Zukunft alles tun werden, um den Völkern im Nahen und Mittleren Osten Freiheit und Wohlstand zu bringen. Und schließlich denkt an uns und bringt sie zu unserem nächsten Treffen mit. So ist am bestem sichergestellt, dass am Ende keinem etwas Schlechtes widerfahren wird.“
Im Anschluss diskutierten alle etwas friedlicher und auch entspannter sehr umfangreich die Möglichkeiten der Organisation. Erhebliche Mittel würden zur Verfügung gestellt, um eine Zelle aufzubauen, die in ersten Linie den Schutz von „Überläufern“ sicherstellen sollte. Erst in zweiter Linie sei an aktive Maßnahmen gedacht, die solche Menschen der Strafverfolgung zuführen würden, die unverbesserlich an verbrecherischen Zielen festhalten würden. Schließlich schien man sich in diesem Sinne einig zu werden, dass keiner zu einem Verrat oder zu einer Handlung gedrängt werden sollte, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könnte.
Tom schien glücklich, doch noch ein Einvernehmen mit allen erreicht zu haben und teilte mit, dass man am Ende des Abends angelangt sei.
„Gut,“ bemerkte Lenning, „ich möchte nämlich nach 21 Uhr in Sankt Peter Ording sein, dort werde ich erwartet.“
Enttäuscht blickte ihn Omar an.
„Ich habe gedacht, Du bleibst die Nacht über bei uns?“
Ebenfalls enttäuscht, aber mehr verwundert erklärte Tom. „Wenn er dageblieben wäre, wäre er doch sicher zu uns gekommen. Wir haben ein Haus in den Harburger Bergen gemietet und haben genug Platz, um alle hier Anwesenden zu beherbergen.“
Lenning schien es sehr zu bedauern, nicht mit in die Harburger Berge gehen zu können.
„Wir werden uns doch bald wieder sehen, dann wird auch sicher John dabei sein. Wo ist er eigentlich?“
Die Frage war an Tom gerichtet.
„Warum fragst Du?“ entgegnete er und zögerte etwas mit der Antwort.
„Er kann leider heute nicht hier sein, wird aber in den nächsten Tagen von einer Reise in die Staaten zurückkehren. Vielleicht ist er schon übermorgen in Hamburg.“
Wolf wirkte tatsächlich erfreut. „Ich möchte unbedingt auch John wiedersehen. Vielleicht komme ich nächste Woche wieder nach Hamburg.“
Ahmad und Omar freuten sich ebenso, dass Wolf wiederkommen würde und schüttelten ihm zum Abschied die Hände.
„Komm´ wieder, alter Freund, es gibt so viel zu berichten und heute sind gerade solche Gespräche zu kurz gekommen. Ich hoffe, wir haben es geschafft, den jungen Kameraden klar zu machen, dass wir damals freundschaftliche Bande knüpfen konnten, die auch den Frieden, soweit man überhaupt davon reden kann, überdauert haben. Wir haben uns immer gesagt, wenn wir uns einmal treffen wollen, dass wir dann auch junge Menschen dabeihaben, damit diese sehen, dass „Einsatz“ mehr ist als nur „ein Satz“.“
Wolf blickte versonnen in die Rauchwolke vor seinem Gericht, die noch von seiner Zigarre rührte und nickte. „Einsatz ist in der Tat mehr als nur ein Satz und das wollen wir uns immer vor Augen halten.“
Zu Tom gewandt fragte er etwas leiser, als sie den Raum verließen: „Ist diese Gruppe hier tatsächlich offiziell eine Zelle gegen islamische Terroristen in Hamburg?“
Tom musste schmunzeln. „Nein, offiziell hat die Gruppe den Auftrag, Globalisierungsgegner zu infiltrieren, um Szenarien wie in Seattle oder in Genua zu vermeiden.“
„Alles ganz harmlos,“ meinte Wolf und drückte seine Zigarre in einem am Ausgang stehenden Aschenbecher aus.
Tom nickte. „Scheinbar ganz harmlos. Die Bedrohung, von der ich aber gesprochen habe, ist sehr real. Wir rechnen mit einem schweren Anschlag an der amerikanischen Ostküste noch in diesem Jahr, wahrscheinlich wird es New York treffen.“
„Welche Rolle soll ich eigentlich bei dieser Gruppe spielen?“ fragte Wolf und Tom lächelte.
„Du sollst Überzeugungsarbeit leisten, denn Du warst damals dabei und hast gute Menschenkenntnis. Wie haben Dir die Jungen gefallen, die Dich heute so bewundert haben?“
Wolf schüttelte den Kopf. „So bewundert haben die uns als Afghanistankämpfer, aber ich glaube, sie haben Probleme, wenn es um derartig heikle Aufträge geht. Wie sollen die Jungen etwas ausspähen, wo sie doch noch gar nicht gefirmt sind?“
Ahmad, der das Letzte zugehört hatte, nickte zustimmend. „Im Grunde versteht Tom unter „gefirmt“ „amerikanisiert“ und das lassen diese jungen Leute nicht mehr so einfach mit sich machen. Sie werden gewiss beim Burger King oder McDonalds amerikanisches Fast-Food essen, aber damit gehören sie noch nicht der Gruppe von Menschen an, die im „American Way of Life“ das Höchste an menschlicher Kultur und Zivilisation erblicken.“
Tom wollte ärgerlich werden, doch Lenning beruhigte ihn. „Lass´ Ahmad, Du weißt, dass nicht alle überall einer Meinung sein können, aber in diesem Zusammenhang... Tom, Du weißt, dass dieses „Pfundsbaby“ noch unterwegs ist.“
Tom fiel fast sein Bündel Papier aus der Hand.
„Wie kommst Du denn jetzt darauf?“
„So höre! Ich habe von einem Freund gehört, dass das Baby unterwegs nach New York sei.“
„Das wissen wir doch schon lange,“ lächelte Tom gelangweilt.
„Nein, was Du zuletzt wusstest, war, dass das Baby in einem iranischen Hafen verladen wurde und danach vor der Küste von Südafrika geortet wurde.“
„Ja und?“ entgegnete Tom „Auch das ist mir nicht neu.“
„Dann höre! Der Freund, von dem ich spreche, hat mich wissen lassen, dass das Baby gerade vor sechs Wochen bezahlt worden sein soll!“
Tom sprang auf „Weiß das John?“
„Ich weiß nicht, ob John das weiß,“ entgegnete Lenning nun seinerseits gelangweilt.
„Kombiniere, die Restzahlung erfolgte nur nach Eingang der Lieferung.“
„Das denke ich auch!“ stellte Lenning fest. „Das bedeutet... das ist ja nicht vorzustellen! Und ich dachte, wir treffen uns heute aus diesem Grund und nicht etwa, um wegen irgendeiner Undercover-Aktion zu beraten. Aber ich bin auf jeden Fall froh, dass wir uns getroffen haben.“
„Gut, trotzdem sollten wir das andere nicht außer Acht lassen, denn das Feld dieser Leute ist sehr weit gefächert“. meinte Tom jetzt sichtlich gespannt auf das, was Lenning noch erzählen würde.
„Gut, schließen wir Deine Sache ab.“
Lenning war nicht drängend, aber er wusste welch großer Fehler oft darin lag, Wichtiges nicht von Unwichtigem zu trennen.
„Unsere jungen Kameraden, die ich hier noch nicht kenne, werden bei der nächsten Aktion sich unter die Globalisierungsgegner mischen und irgend etwas skandieren, dabei vielleicht nette Mädchen kennenlernen, vielleicht eine nette Reise unternehmen und dann darüber berichten. Das war doch alles, was Du noch sagen wolltest!“
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