1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 So, wie lange habe ich noch, bis Lissy kommt? Ich gehe hinein und fange an, ein bisschen Ordnung zu machen. Zur Motivation drehe ich das Radio voll auf. „Like ice in the sunshine“ lässt mich lauthals singend die Spülmaschine ausräumen und durch die Küche tanzen. Ich muss aufpassen, dass mir vor lauter Schwung nicht die Teller fliegen gehen.
Mensch, das wäre es jetzt. Bei dem Gedanken an ein Spaghetti-Eis läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Kurz nachgedacht – das ist es, ich rufe Lissy an und frage sie, ob sie nicht ein Eis mitbringen kann. Es klingelt einmal, dann springt die Mailbox an: „Dies ist der persönliche Assistent von Lissy. Sagen Sie ihm, was Sie wollen, vielleicht ruft sie zurück. PIEP!“ So ein Mist, dann ist sie wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher durch den Wald und mitten im Funkloch.
Im gleichen Augenblick klingelt es an der Türe. Tja, da war ich wohl ein paar Minuten zu spät. Ich öffne die Türe und was sehe ich? Tatatataa: Spaghetti-Eis. „Ich war schon auf dem Weg hierher, da kam mir ein Gedanke“, erzählt Lissy zur Begrüßung. „Ich könnte uns doch eigentlich ein Spaghetti-Eis mitbringen.“ „Den Gedanken habe ich Dir geschickt“, jubel ich und nehme sie fest in die Arme. „Du glaubst es nicht, aber genau das habe ich mir gewünscht.“ „Na klar glaube ich Dir. Bei Dir klappt das doch oft mit dem Universum, also raus mit den Löffeln und ab auf die Couch. Es fängt schon an zu schmilzen.“ „So mag ich es am liebsten. Leicht geschmolzen und mit viel Sahne.“ Es ist wirklich ein Genuss und so sitzen wir erst einmal wortlos und genießen die Stille und das köstliche Eis auf der Zunge. „Fast so gut wie ein Orgasmus“, wirft Lissy unverhofft ein. Schnell ist sie wieder bei ihrem Lieblingsthema. Zumindest einem ihrer absoluten Lieblingsthemen. „Naja, das kommt drauf an“, antworte ich. „Ja, da hast Du auch wieder Recht. Nach meiner letzten Erfahrung ist dieses Eis allerdings eindeutig besser.“ Ihr Grinsen spricht schon Bände. „Erzähl!“, brauche ich nur zu sagen und schon schießt sie los. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, denn das ist immer wie ein Krimi, mal mit und mal ohne mörderische Höhepunkte. Andere denken sich solche Geschichte immer nur aus und Lissy erlebt sie einfach.
„Also, ich wollte einfach ganz unverbindlich für eine Nacht meinen Spaß haben, aber auf jeden Fall mit jemandem, den ich nicht kenne und den ich auch niemals wiedersehen würde. Du musst das mal bei Google eingeben Unverbindlicher Spaß – Du hast keine Ahnung, was da alles so kommt, Holla die Waldfee - oder kommen möchte!“ Ich bin froh, dass die Kinder nicht im Haus sind, sonst müsste ich erst mal schnell nachsehen, ob alle Türen schalldicht verschlossen sind.
„Ich bin dann auf so eine Plattform geraten, auf der man sich kostenlos anmelden und für ein erotisches Abenteuer verabreden kann. Es dauerte gar nicht lange und mir hat jemand geschrieben, der mich mit seinen Worten so gefesselt hat, dass ich nicht anders konnte. Ich habe mich sofort in mein Auto gesetzt und bin losgefahren. Als ich dort ankam, musste ich feststellen, dass er mich nicht nur mit Worten fesseln wollte. Normalerweise bin ich ja nicht prüde, aber bei einem ersten Treffen war mir das doch etwas zu schnell und außerdem war er mir eigentlich zu klein, so dass ich ihm vorschlug, ich könne IHN ja fesseln und wenn es mir gefällt, würde ich mich in der zweiten Runde von ihm fesseln lassen. Das hat ihn erst mal sprachlos gemacht.“
Ich stelle mir die Situation gerade vor und mir fällt vor Lachen fast das Eis aus dem Mund. „Wir brauchen wirklich diese kleine Kamera“, schlage ich vor. „Das hättest Du nicht sehen wollen“, erwidert sie. „Also um es kurz zu machen, er hat sich zwar sehr bemüht, aber zu einer zweiten Runde ist es dann nicht mehr gekommen. Als ich wieder im Auto saß, kam mir dann so ein böser Gedanke. Stell Dir mal vor, er wäre nicht so harmlos gewesen und hätte mich tatsächlich mit Gewalt irgendwie gefesselt und ich wäre dort nicht mehr weggekommen. Eine schreckliche Vorstellung!“ Ich kann ihre Angst gut verstehen.
„Ja, Du hast echt Recht, beim nächsten Mal bist Du wirklich vorsichtiger und sagst mir, wo Du bist. Oder noch besser, Du verabredest Dich an einem öffentlichen Platz und ich setze mich an den Nachbartisch. Dann habe ich alles im Blick und kann Dir im Notfall helfen.“ „Ja, das machen wir. Hast Du denn am Montagnachmittag Zeit?“ „Was so schnell?“, frage ich erschrocken nach. „Nein, war Spaß, aber Dein Gesicht war gut!“ Das ist das Schöne mit meiner Freundin Lissy. Das schlimmste Problem kann man mit ihr besprechen, aber auch den größten Quatsch zusammen machen.
Kurz darauf rutschen wir elegant in ihren Porsche und verbringen einen unterhaltsamen Abend mit einem netten, leicht verdaulichen Film. Und als wir zwei Stunden später in einem gemütlichen Biergarten in der Innenstadt ankommen, sind die Temperaturen tatsächlich noch so mild, dass wir uns mit einem kühlen Bier nach draußen setzen können. Ich weiß gar nicht, wann wir das letzte Mal zusammen ausgegangen sind, um etwas zu trinken. Ist viel zu lange her. „Was machst Du denn morgen?“, fragt Lissy in meine Gedanken hinein. „Erst mal ausschlafen. Wenn die Kinder bei Paul sind, ist das Haus immer so leer, das ist schon ein komisches Gefühl.“ „Das glaube ich, aber denk doch mal darüber nach, was Du schon immer mal machen wolltest und wofür Du nie Zeit hast. Genau diese Dinge musst Du an so einem Tag machen!“ „Ich soll morgen mit Delfinen schwimmen gehen?“, frage ich erstaunt. Lissy gibt mir einen Stupser. „Mensch, Du weißt doch, was ich meine! Mal ein Entspannungsbad machen.“ „Ja, ich weiß schon was Du meinst. Badewanne ist eine gute Idee. Mit einem Buch und Kerzen. Und Lavendelduft. Und dann koche ich mir Bandnudeln mit Lachs in Gorgonzolasauce, was meine Kinder nicht mal riechen können und mache es mir damit auf der Couch bequem und lege einen Rosamunde Pilcher -Film ein.“ „Oh mein Gott, nicht so eine Schnulze. Die enden doch immer gleich.“ Natürlich weiß ich auch, dass Lady Bloomingdale am Ende mit Dr. Feelgood glücklich wird, aber das ist es ja gerade: Happy End garantiert. Manchmal brauche ich das.“ „Ja, ich weiß, Annie die unverbesserliche Romantikerin.“ „Genau.“ Damit will ich das Thema jetzt am liebsten auch beenden.
Plötzlich bleibt Lissys Blick irgendwo hängen: „Pst, Annie, sieh Dich jetzt nicht um, aber an dem Tisch da drüben sitzt glaube ich die Schnepfe von nebenan.“ Denken Sie nicht an den rosa Elefanten . So sehr ich auch versuche, mich zu beherrschen, ich kann nicht widerstehen. Die Versuchung, mich umzudrehen, ist einfach zu groß. Völlig unauffällig lasse ich meinen Blick umherwandern und – tatsächlich, dort unter der Eiche sitzt Lena und fängt auch gleich meinen Blick auf. Sofort hellt sich ihr Gesicht auf und sie winkt mir freundlich zu. „Ich weiß gar nicht, was Du gegen sie hast, Du kennst sie doch gar nicht richtig.“ „Du denn?“ „Nein, aber deshalb muss man sie ja nicht von vorneherein verurteilen. Ich will sie erst mal näher kennenlernen und mir dann selbst ein Urteil bilden.“ Ich winke zurück und frage mich, wer wohl der Mann ist, der mit ihr am Tisch sitzt. Leider kann ich ihn nur von hinten sehen, aber schon die Aussicht auf den durchtrainierten Rücken und das wuschelige Haar macht mich neugierig. Gefällt mir gut! Irgendwie schleicht sich ein vertrautes Gefühl ein. Aber ich kann es nicht zuordnen.
In diesem Augenblick dreht er sich um. Mich trifft fast der Schlag. „Lissy das ist der Mann, der mir am Montag die Rose in dem Café geschenkt hat.“ „Oho, ob Lena etwas davon weiß?“ „Ach ist doch egal, dann war wahrscheinlich der riesige Strauß Blumen auch für Lena bestimmt“, denke ich laut weiter. Zu gerne würde ich jetzt Mäuschen an deren Tisch spielen. Eigentlich sitzen sie gar nicht so weit weg, schade, dass meine Ohren nicht die besten sind.
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