Frank Habbe
Taschengeld
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Titel Frank Habbe Taschengeld Dieses ebook wurde erstellt bei
noch 04 Tage, 11 Stunden, 44 Minuten noch 04 Tage, 11 Stunden, 44 Minuten Konzentrier dich! Mit starrem Blick fixierte Krauser die Hand, die das randvoll mit Wasser gefüllte Glas am ausgestreckten Arm fest umklammert hielt. Dabei zählte er leise vor sich hin - 26, 27, 28, 29, 30, 31. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er das Glas behutsam auf den Rand des Waschbeckens zurückstellte. Eine halbe Minute und keinen Tropfen verschüttet! Das war jetzt der dritte Tag in Folge, an dem ihm das Kunststück gelang. Morgen würde er versuchen, sich auf vierzig Sekunden zu steigern. Vor vier Monaten, zu Beginn der Therapie, war es ihm nicht einmal gelungen, das Glas vom Tisch anzuheben, ohne gleich etwas zu verschütten. Sicher, da war er auf Entzug gewesen und all das Zucken und Zittern seines Körpers war ihm über Wochen ein abstoßend treuer Begleiter gewesen. Viele Male hatte er aufgegeben und es nur dank des quälend guten Zuredens der Betreuer immer wieder erneut versucht. Krauser konnte sich noch genau daran erinnern, als er das Glas das erste Mal unfallfrei am ausgestreckten Arm gehalten und sein Mantra aufsagen konnte, bevor ihn ein unkontrollierbares Zittern im Handgelenk zur Aufgabe gezwungen hatte. Das Mantra? Fuck! Streng dich an, du Penner! Der Spruch dauerte gerade mal drei Sekunden - während der Tests stets wie eine Ewigkeit. Aber jetzt? Wieder ein kleiner Schritt. Krauser streckte sich, um Kälte und Müdigkeit aus seinem Körper zu vertreiben. Mit dem Handrücken fuhr er über den neben dem Waschbecken angebrachten Heizkörper. Lauwarm. Er regelte die Temperatur hoch und hoffte, noch etwas von der Wärme abzubekommen. Dann nahm er die Zahnbürste und putzte sich die Zähne. Er sah auf die Uhr. Kurz nach sechs. Wie viele Jahre war er um diese Zeit von seinen nächtlichen Einsätzen zurück und auf dem Weg ins Bett statt daraus heraus gewesen? Er zuckte mit den Schultern. Das war vorbei. Nachdem er die Zähne geputzt hatte, zog er sich aus, stieg fröstelnd unter die Dusche und dann: Heißwasser marsch!
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noch 04 Tage, 11 Stunden, 44 Minuten
Konzentrier dich!
Mit starrem Blick fixierte Krauser die Hand, die das randvoll mit Wasser gefüllte Glas am ausgestreckten Arm fest umklammert hielt. Dabei zählte er leise vor sich hin - 26, 27, 28, 29, 30, 31. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er das Glas behutsam auf den Rand des Waschbeckens zurückstellte. Eine halbe Minute und keinen Tropfen verschüttet!
Das war jetzt der dritte Tag in Folge, an dem ihm das Kunststück gelang. Morgen würde er versuchen, sich auf vierzig Sekunden zu steigern. Vor vier Monaten, zu Beginn der Therapie, war es ihm nicht einmal gelungen, das Glas vom Tisch anzuheben, ohne gleich etwas zu verschütten. Sicher, da war er auf Entzug gewesen und all das Zucken und Zittern seines Körpers war ihm über Wochen ein abstoßend treuer Begleiter gewesen. Viele Male hatte er aufgegeben und es nur dank des quälend guten Zuredens der Betreuer immer wieder erneut versucht.
Krauser konnte sich noch genau daran erinnern, als er das Glas das erste Mal unfallfrei am ausgestreckten Arm gehalten und sein Mantra aufsagen konnte, bevor ihn ein unkontrollierbares Zittern im Handgelenk zur Aufgabe gezwungen hatte. Das Mantra? Fuck! Streng dich an, du Penner! Der Spruch dauerte gerade mal drei Sekunden - während der Tests stets wie eine Ewigkeit. Aber jetzt? Wieder ein kleiner Schritt.
Krauser streckte sich, um Kälte und Müdigkeit aus seinem Körper zu vertreiben. Mit dem Handrücken fuhr er über den neben dem Waschbecken angebrachten Heizkörper. Lauwarm. Er regelte die Temperatur hoch und hoffte, noch etwas von der Wärme abzubekommen. Dann nahm er die Zahnbürste und putzte sich die Zähne. Er sah auf die Uhr. Kurz nach sechs. Wie viele Jahre war er um diese Zeit von seinen nächtlichen Einsätzen zurück und auf dem Weg ins Bett statt daraus heraus gewesen? Er zuckte mit den Schultern. Das war vorbei. Nachdem er die Zähne geputzt hatte, zog er sich aus, stieg fröstelnd unter die Dusche und dann: Heißwasser marsch!
Angestrengt visierte der Mann über den Lauf der Pistole hinweg die Zielscheibe. Er kniff die Augen zusammen und verharrte einen Moment regungslos. Dann schüttelte er den Kopf und ließ resigniert die Waffe sinken. Er schaute auf sie herab. Wie ein Fremdkörper lastete sie schwer in seiner Hand. Warum bloß lieh er sich immer eine Waffe von Schlosser und nahm nie seine eigene Glock? Er biss sich auf die Lippen und setzte erneut an. Reiß dich zusammen! Keine Dreißig Meter lagen zwischen ihm und dem Bogen Papier. Trotzdem konnte er die darauf gezeichnete Figur samt der sich zum Brustkorb verjüngenden konzentrischen Kreise nur schemenhaft erkennen. Er zielte einfach auf die Mitte. In schneller Folge verschoss er das Magazin, ließ die Pistole wieder sinken. Trotz der Ohropax dröhnte der Lärm der Schüsse in seinen Ohren nach. Der schmale, unverputzt gemauerte Stall hatte mit seiner niedrigen Decke den Schall vervielfacht. Beißender Pulvergeruch stieg dem Mann in die Nase, als er die Ceska sicherte und über den staubigen Boden zur Stirnseite schritt. Dort betrachtete er stirnrunzelnd das Ergebnis seiner Bemühungen. Ein wüstes durcheinander von Einschusslöchern hatte die dünne Pappe perforiert. Immerhin befanden sich ein paar von ihnen innerhalb des gezeichneten Körpers. Der Mann schüttelte betrübt den Kopf. Er brauchte dringend mehr Training.
Wenn nur die ewige Fahrerei nicht wäre! Warum hatte Schlosser die Anlage nicht in der Nähe Berlins angelegt? Bloß damit ab und an ein paar Polen herumballern konnten, musste er bis fast an die Grenze, um zu dem abgelegenen Gehöft zu gelangen.
Der Mann riss die Pappe von dem strohgefüllten Sack und griff nach einer weiteren Zielscheiben, um sie an den Stoff zu pinnen. Dabei fuhr sein Blick über ein auf den Mauersteinen verteiltes, wirres Muster dunkel gesprenkelter Punkte. Blut, das nicht abgewaschen worden war. Schlosser hatte ihm erzählt, dass die Polen manchmal Tiere mitbrachten, um mit beweglichen Objekten zu trainieren. Zuerst hatten sie Kaninchen genommen. Die aber hatten bloß zu Tode erschreckt in der Ecke gehockt und ein zu leichtes Ziel abgegeben. Danach waren sie zu Katzen übergegangen. Die rannten wohl, wie gewünscht. Und wenn nicht, bekamen sie eine mit Schrauben gefüllte Dose an den Schwanz gebunden. Die Dinger schepperten bei jeder Bewegung, was den Viechern jedes Mal Beine machte. Die durchlöcherten Kadaver schmissen die Polen danach auf ein hinter dem Hof angrenzendes Feld. Auf den Gedanken, im Stall sauber zu machen, kamen sie nie. Daher der stechende Geruch.
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