Mein Ellbogen, den ich ihm in die Seite ramme, hat sein Ziel aber nicht verfehlt. Ein dumpfer Schmerzenslaut entweicht ihm. Mir auch, denn das hat total wehgetan.
Er umklammert mich fester, während ich mich winde und wie eine Verrückte strample. Nun beginnt er, in einer mir fremden Sprache zu sprechen. Seine Stimme ist aber ruhig – ja beinahe beruhigend, obwohl ich kein einziges Wort verstehe. Ist das mexikanisch? Wir sind in den USA, verdammt nochmal.
„Lass los, Pissnelke “, fauche ich in der Hoffnung, er würde diese Sprache verstehen. Der Kerl lässt aber nicht locker, zerrt mich mit sich zu den anderen, die gerade vor uns auftauchen. Auch ihre Gesichter sind von tiefhängenden Kapuzen verdeckt.
Er sagt etwas zu ihnen, das anscheinend komisch gewesen ist. Ihr Lachen lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
„Lass los“, verlange ich erneut und funkle die Typen wild an, was sie noch mehr zu erheitern scheint.
Ja, zugegebenermaßen unterstreicht mein Pyjama nicht gerade meine Kampfeslust, aber wenn ich gewusst hätte, dass ich heute mitten in eine mexikanische Truppenübung, alias Roboterjagd, platze, wär ich nicht vor die Tür gegangen.
Der Grund meines Verlassens der Farm wird mir wieder bewusst und ich beginne erneut, mich stärker zu wehren. Was, wenn die mich gleich umbringen? Was, wenn die vorher noch mit mir spielen?
Ich seh mich schon im Feld neben John liegen – im Hello Kitty Pyjama. Mir knicken die Beine weg, aber der Moment der Schwäche war nur von kurzer Dauer.
Dreh jetzt nicht durch, Texas. Ich werde nicht kampflos aufgeben.
Mit einem Lachen kommentieren sie meinen jämmerlichen Versuch, meinen Umklammerer zu treten, was anscheinend irre komisch war. Okay, jetzt ist die Zeit gekommen, um durchzudrehen.
Bevor ich den ohrenbetäubenden Schrei ganz loslassen kann, wird er von der Hand des Typen erstickt, der mich kurz an einer Seite losgelassen hat.
Mit aller Kraft bäume ich meinen Körper auf, aber er lässt nicht locker, flüstert etwas und dann verschwimmt mein Blick irgendwie, weil ich nicht genügend Luft bekomme. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten, kämpfe gegen eine bevorstehende Ohnmacht an.
Im nächsten Moment schwirrt mir der Kopf und ich fühle mich, als hätte ich soeben mal meinen Körper verlassen und wär wieder reingestopft worden.
Im nächsten Augenblick heben meine Beine vom Boden ab und ich schwebe dahin. Bin ich tot? Womöglich ist das so ein außerkörperliches Erlebnis. Oder die haben mir Drogen gespritzt.
Nur unter größter Anstrengung schaffe ich es, die Augen aufzubekommen und erhasche einen Blick auf meine Entführer, von denen sich einer gerade die Jacke auszieht und – zu meinem Horror – seinen nackten Oberkörper offenbart.
Er hat definitiv etwas von Arnold Schwarzenegger. An ihm sprießen bereits blaue Flecken, für die ihn seine Begleiter gerade lauthals auslachen. Er sieht sie sich genauer an, schüttelt belustigt den Kopf und sieht zu deren Verursacher rüber – nämlich zu mir.
Damit, dass ich wach bin, hatte er wohl nicht gerechnet, denn er sieht kurz ertappt aus. Erst jetzt sehe ich mir sein Gesicht genauer an.
Mir steht der Mund sperrangelweit offen. Das sind definitiv keine Mexikaner. Es sei denn, die tragen jetzt auch diese halsverlängernden Ringe, wie die in den Urwäldern und haben sich die Nasen wegoperieren lasen.
Aliens, ich werd verrückt. Tausend Gedanken schießen mir gerade gleichzeitig durch den pochenden Schädel. Hier ein Auszug: Die … die haben mich entführt. John hatte recht. Die sind gekommen, um mich zu holen. Er wusste es die ganze Zeit über und ich hab ihn ausgelacht. Jetzt ist er tot und ich …
Als ich mir dieser kranken Situation wieder bewusst werde, springe ich panisch von meinem Platz am Boden hoch. Mir ist so schwindlig, dass ich gefährlich wanke, mich aber an die Wand presse und tief durchatme, um nicht zusammenzuklappen.
Nun habe ich die gesamte Aufmerksamkeit im Raum – wo bin ich eigentlich? Ein kurzer Blick reicht, um mich zu orientieren.
Das ist ein Raumschiff – zumindest stellt man es sich so vor. Das volle Programm: Konsolen mit blinkenden Lichtern, viel Technik, von der ich absolut keine Ahnung habe, Schlingpflanzen. Warte mal, Pflanzen? Vielleicht fürs Raumklima.
Der halbnackte Typ hebt die Hand in meine Richtung und sagt wieder etwas, das ich nicht verstehen kann.
Mein Blick bleibt an dem Fenster (ich weiß nicht, wie ich es anders bezeichnen soll) hängen. Draußen ziehen Sterne an uns vorbei.
Okay. Betrachten wir das mal von einer vollkommen unemotional, wissenschaftlichen Seite her. Dich trennt nur eine dünne Scheibe vom Weltraum, in dem dein Körper nicht überleben kann. Wahrscheinlich ist das hier Lichtgeschwindigkeit, mit der wir uns von meinem Zuhause wegbewegen – womöglich, um mich auf einem Intergalaktischen Sklavenmarkt zu verticken oder direkt zu den Experimenten überzugehen.
Horrorszenarien formieren sich bereits vor meinem geistigen Auge und zeigen mich an einen Operationstisch geschnallt.
Okay, jetzt wird es Zeit für die emotionale Betrachtungsweise. Wie eine Irre brülle ich meine Angst hinaus, während ich mich fester an die Wand presse.
„Bringt mich zurück zur Erde“, verlange ich aufgebracht. Als ob die mich verstehen könnten, aber bei mir bricht grad die Beherrschung weg. Das ist so ziemlich das horrormäßigste Horrorszenario, das man sich vorstellen kann. Dementsprechend nahe stehe ich vor der Hyperventilation.
Alle drei Typen ziehen synchron die Augenbrauen hoch und lachen drauflos, als ich wahllos auf die Konsole drücke, um diesen Kahn anzuhalten. Jämmerlich, ich weiß.
Es tut sich nichts, vielleicht ist da so eine Art Tastensperre drin. Ich knalle meine Faust fest auf die Platte und brülle erneut.
Aus dem Augenwinkel heraus erkenne ich eine Wand, an der Waffen hängen – zumindest sieht es danach aus. Ich hechte darauf zu, werde aber vom Körper eines der Typen gestoppt, der sich vor mich stellt und mich grob packt.
Mein Schlag trifft ihn in den Magen, daraufhin boxe ich ihm ins Gesicht. Ich bin so froh, dass nur Jungs in meiner Nachbarschaft wohnen, mit denen ich mich regelmäßig gekloppt habe.
Der Typ taumelt zurück und greift sich ungläubig an die aufgeplatzte Lippe. Lila Blut – er hat echt lila Blut! Mein Kopf schießt zu den zwei anderen Männern, die mit offenem Mund auf mich starren.
Jetzt lacht keiner mehr. Im Gegenteil, der Typ ohne Hemd sieht ziemlich angepisst aus, zieht ein Seil aus seiner Tasche und kommt auf mich zu. Alarm, er will mich damit fesseln, dieser abartige Alien.
Ich balle die zitternden Fäuste angriffslustig und stelle mich ihm entgegen. Dass ich noch die Kraft habe, mich zu wehren, liegt wahrscheinlich daran, dass mein Körper auf rein instinktiven Angriffsmodus geschaltet hat, da die Flucht nach hinten losgegangen ist. Okay, das ist hier Aliens vs. Mensch.
Der andere Typ, der noch nichts von meinen Schlägen abbekommen hat, hilft ihm dabei, wird mich wahrscheinlich gleich festhalten – zumindest pirscht er sich grad von der Seite an.
Erneut richtet der Typ ohne Hemd Worte an mich. Auch ohne der Aliensprache mächtig zu sein, kapiere ich die unmissverständliche Warnung stillzuhalten. Ich sitze in der Falle.
Mein jämmerlicher Versuch, auf den Typen, der schon nahe bei mir ist, loszugehen, scheitert kläglich. Blitzschnell konnte er sich hinter mich schieben, beide meiner Handgelenke packen und hält sie nun dem, der schon mit dem Seil wartet hin, der nähertritt und sie festbindet. Dabei lässt er mich keine Sekunde aus den Augen.
Ich brülle ihm alle Schimpfwörter, die ich kenne, in Erdensprache entgegen, die er wortlos über sich ergehen lässt, bevor er ein zweites Seil hervorzieht und damit meine Fußgelenke fesseln will. Ich strample aber so stark, dass sie mich kaum zu zweit bändigen können.
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