Ich bin so fertig, dass mir ein gequälter Laut entweicht. Dabei läuft mir ein Strom Tränen über die Wangen. Ich realisiere langsam, dass er da draußen liegt und nicht mehr aufwacht.
Okay, reiß dich zusammen, Texas. John hätte nicht gewollt, dass ich mich von so einem Roboter unterkriegen lasse.
Das Klacken der Flinte gibt mir Kraft, um in den strömenden Regen hinauszutreten. Zu meinem absoluten Horror ist der Roboter weg. Die Blitze zucken immer noch über den Nachthimmel, sodass ich es erkennen kann.
An seiner Stelle stehen nun drei Typen mit schwarzen Kapuzen und Kampfanzügen, die die Umgebung mit ihren Blicken absuchen. Und die sehen ganz und gar nicht so aus, als wären sie von der hiesigen Armee. Einer davon kniet über meinem Grandpa.
Das ist wahrscheinlich Verstärkung, die nachsehen kommt, wo ihr Freund geblieben ist. Sie haben mich natürlich sofort entdeckt.
Ohne zu überlegen, lege ich die Waffe an und ziele den Kerl, der sich von der Gruppe gelöst hat und auf mich zukommt.
Ich erkenne gerade, dass es absolut was anderes ist, auf ein Lebewesen zu schießen, anstatt auf Dosen oder Tontauben. Dementsprechend zögerlich ruht mein Finger auch am Abzug. Ich kann das nicht.
Die Bilder des Roboters und meines Grandpas tauchen wieder vor meinem geistigen Auge auf und lassen mich einen Warnschuss abgeben. Vielleicht treibt sie das ja in die Flucht.
Über das Donnergrollen hinweg ertönt der Schuss gefolgt vom Rückstoß, der mich etwas zurücktaumeln lässt.
Das Projektil schlägt direkt am Boden vor den Füßen des Kerls ein, der kurz stehenbleibt, an seinem Körper herabsieht, aber scheinbar total unbeeindruckt weiterläuft.
Moment, trägt er etwa eine kugelsichere Weste und ist sich sicher, dass ihm die Waffe nichts anhaben kann? Sind die etwa doch vom Militär? Vielleicht von einem Spezialkommando.
Ja, denen ist womöglich der Roboter aus Area 51 entwischt und da ich alles mitangesehen habe, machen die mich jetzt kalt. Den Roboter haben sie sicher vorhin weggepackt, als ich in der Scheune war.
Die sind hier, um alles zu vertuschen – die Zeugen zu beseitigen – lässt mich erneut scharf die Luft einziehen. Der Aufräumtrupp. Höchste Geheimhaltungsstufe. Men in Black mit Blitzdingsgeräten, die alle Spuren unserer Existenz beseitigen – okay, jetzt geht meine Phantasie mit mir durch.
„ Oder es sind die Aliens, die den Roboter geschickt haben und jetzt gekommen sind, um den Scheiß selbst zu machen, weil Grandpa John sie mit seinen Instrumenten auf sich aufmerksam gemacht hat “, wendet die böse Stimme wieder ein, die mich die Waffe erneut laden lässt.
Ich lege sie an, da erkenne ich, dass der Typ ebenfalls eine Waffe gezückt hat, die er auf mich richtet. Scheiße.
Im letzten Moment kann ich mich durch einen Hechtsprung hinter den Traktor retten, bevor mich der gebündelte Lichtstrahl, der ins Scheunentor einschlägt, getroffen hätte.
Okay, was ist das für eine abartige Waffe? Ich hab gehört, dass das Militär mit Laserstrahlen herumexperimentiert, aber dass die schon so weit sind, hätt ich nie gedacht.
Wieder ein Punkt, der für die Alientheorie spricht. Nein, ich halte an der Militärgeschichte fest, zumindest wär meinem gesunden Menschenverstand das bedeutend lieber.
Da die sicher auch Nahkampftechniken draufhaben, mit denen ich nicht im Geringsten mithalten kann, brauch ich schnell irgendeinen Plan. Mehr, wie mit vollen Hosen wegrennen, will mir aber beim besten Willen nicht einfallen, was ganz schön dämlich wäre, da die sicher bei Weitem schneller sind als ich.
Kurzerhand nehme ich all meinen Mut zusammen, steige von hinten auf den Traktor, den ich sogleich starte und das Flutlicht anwerfe, das ihn so richtig schön blendet, da er die Hand schützend über seine Augen hält.
Ich gebe Vollgas – was bei dem alten Ding nicht wirklich schnell ist – und rolle auf ihn zu. Relativ unbeeindruckt bleibt er einfach stehen, so als würde er jederzeit damit rechnen, dass ich kneife, bevor ich ihn plattmache. Das wird nur nicht passieren. Hoffentlich.
Ich fixiere das Gaspedal mit der Schrotflinte und springe aus dem fahrenden Gefährt, nur um hinter dem Ungetüm davon zu sprinten.
Dass ich noch zu solch überlegten, kriegerischen Manövern fähig bin, wundert mich selbst am meisten. Eigentlich sollte ich heulend in der Scheunenecke kauern und um mein Leben betteln. Das ist sicher das Adrenalin, das durch meinen Körper schießt. Naja, es gibt Beispiele, wo Leute im Angesicht des Todes Superkräfte entwickeln. Schneller laufen zu können, wär jetzt nicht schlecht oder fliegen.
Da ich keine Schuhe anhabe, graben sich die spitzen Steine, die aus dem matschigen Untergrund ragen, in meine Fußsohlen, was mir grad sowas von scheißegal ist.
Die Bilder vom verbrannten Körper meines Grandpas schießen mir wieder durch den Kopf, was mir grad unsagbare Angst macht. Bin ich die Nächste?
Mein Atem geht stoßweise und viel zu schnell, aber ich laufe sprichwörtlich um mein Leben. Ich muss so viel Vorsprung wie möglich raushauen, bevor sie mein Ablenkungsmanöver durchschauen, was wohl schon passiert ist, denn ich kann Laute von Männerstiefeln hinter mir hören – und sie kommen schnell näher. Verdammt, verdammt, verdammt .
Ich laufe an dem alten Geräteschuppen vorbei, schlage einen Haken und verstecke mich hinter dem Verschlag. Dort lehnt eine Mistgabel, die ich mir kralle. Ich war immer zu bequem, sie reinzuräumen – bin ich froh. Faulheit zahlt sich doch irgendwann mal aus. Zumindest habe ich wieder eine Waffe.
Der Typ läuft an mir vorbei, durchschaut es natürlich – wie kann es auch anders sein – sofort und stoppt, um sich umzusehen, was ich im Licht der Blitze erkennen kann. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich mich fester an den Schuppen drücke.
Da er immer noch die Kapuze trägt, kann ich sein Gesicht nicht erkennen. Ich weiß nur, dass er ziemlich groß und trainiert aussieht. Hoffentlich ist er kein Roboter.
Als er in die andere Richtung kuckt, ist das meine Chance und ich schleiche mich an ihn heran, nur um ihm das Teil im nächsten Moment über die Rübe zu ziehen.
Er hatte es kommen sehen und duckt sich weg. Der hat sicher Kung-Fu drauf oder was auch immer die im Militär so lernen, deshalb lasse ich die Waffe sofort los, die ich der Länge nach vor ihm fallenlasse.
Ich hatte schon damit gerechnet, dass er die Mistgabel nicht gegen mich verwenden würde und einfach nur auf mich zukommt.
Womit er aber nicht gerechnet hat – ich habe sie „strategisch günstig“ fallenlassen. Als er direkt über dem Holzstiel steht, hüpfe ich auf die leicht nach oben gebogene Seite der Mistgabel und knalle ihm den Stiel dadurch direkt in die Zwölf.
Er keucht laut auf und geht in die Knie. Dass er auf den ältesten Trick der Welt reingefallen ist, ist eigentlich zu schön, um wahr zu sein und zeigt mir obendrein, dass er nicht sehr intelligent sein kann, was wieder für einen Menschen sprechen würde.
Er ist auch kein Roboter – der würde sich nicht gerade mit schmerzverzerrten Lauten seine Kronjuwelen halten – glaub ich zumindest.
Geistesgegenwärtig schnappe ich mir die Mistgabel und setze zu einem weiteren Schlag an, den er erneut abfängt und mir mit seinem Bein meine Beine wegtritt. Ich knalle so hart auf den nassen Boden, dass mir die Luft wegbleibt.
In meiner Panik taste ich nach einem Stein, den ich meinem Angreifer, der über mir auftaucht, entgegenfeuere. Er prallt an seiner Brust ab, ohne Schaden anzurichten.
Und wieder greift ein Typ aus dieser Position nach mir. Erneut rolle ich mich weg, doch diesmal ist der Kerl schneller und zieht mich grob hoch. Ich schreie vor unbändiger Angst.
Meine Boxhand, die zu einem Schlag ausgeholt hat, fängt er in der Luft ab und dreht mich um, nur um mich von hinten umklammert zu halten.
Читать дальше