So kommt es, dass ich auf der Veranda meines Zuhauses sitze und Jakob mich – laut meinem Wunsch – noch ein bisschen im Arm hält, bevor er zurückkehrt.
„Ich werde dich vermissen, Jakob. Besuchst du mich mal?“
„Ich werde es versuchen, Kaja.“
Ich weine stille Tränen und küsse ihn zum Abschied auf die Wange, bevor ich ins Haus gehe, damit er mich nicht für den gefühlsdusligsten Menschen auf dem Planeten hält.
Ich mache mich gleich an die Feldarbeit. Zuvor habe ich Johns Überreste begraben, ein paar Worte gesagt und auch ein bisschen geweint. Das zählt nicht gerade zur Top 10 meiner schönsten Momente, aber das war ich ihm schuldig.
Niemand scheint unsere Abwesenheit bemerkt zu haben. Naja, wir leben hier sehr abgeschieden und mein Grandpa hat eigentlich kaum die Farm verlassen. Da er überall als verrückter Spinner gilt, hat er auch keine Freunde, die ihn vermissen würden. Ich eigentlich auch nicht, da ich die Enkeltochter des verrückten Spinners bin und gerade Schulferien sind. Die nächste Nachbarfarm ist ein ganzes Stück weit weg.
Darüber hinaus war ich nur eine Erdenwoche weg. Es kommt mir aber so vor, als wär ich jahrelang fort gewesen. Es ist nicht dasselbe ohne ihn. Ich glaube immer noch im ersten Moment, er ist wiedermal unten im Keller auf Alienjagd, wenn knarrende Geräusche durch die alte Farm tönen.
Mein kleiner Gemüsegarten ist voll hinüber, also mache ich mich gleich dran, zu retten, was noch zu retten ist, was nicht sehr viel zu sein scheint. Die abendliche Sonne tut so gut auf meiner Haut, dass ich förmlich die Sonnenstrahlen über meine Haut kitzeln spüre.
Ein „Hier bist du also“, lässt mich zusammenzucken.
Mein Dad steht hinter mir und hat die Hände vor der Brust verschränkt – zumindest denke ich, dass er es ist. Seine Stimme klang danach. Meine Mum ist an seiner Seite. Sie sind eingemummelt, als würden hier arktische Temperaturen herrschen, nicht gefühlte vierzig Grad im Schatten und haben mich ganz schön erschreckt mit dieser Verkleidung.
Ich stehe auf und klopfe mir den Dreck von der Latzhose, umarme meine Mum, der ich meinen Strohhut aufsetze, damit sie keinen Sonnenbrand auf den Augenlidern bekommt, was das Einzige ist, das bei ihr noch rauskuckt. Daraufhin drücke ich meinen Dad an mich.
„Willkommen auf der Erde. Ich hoffe, ihr kommt in Frieden“, begrüße ich sie. „Dad, du parkst doch nicht im Weizenfeld, oder?“
„Ich glaube schon“, gibt er zu. Glücklicherweise ist ihr Raumschiff unsichtbar, sonst würde das die NSA oder Akte X auf den Plan rufen.
„Du plättest mir die ganze Ernte. Geh umparken. Auf die Wiese dort drüben zum Beispiel. Ich mach uns Kakao“, erkläre ich, schnappe mir meine Mum und ziehe sie aus der Sonne.
Sie stolpert über die kleine Stufe unter der Eingangstür und nimmt begierig jedes Detail des Farmhauses in sich auf, bevor ich sie auf einen Stuhl bei Tisch drücke und Milch aufsetze.
Mein Dad kommt in dem Moment zur Tür rein, in dem ich gerade dabei bin, die Tassen zu füllen. Er dreht sich auch im Kreis, um alles genauestens zu beäugen.
Vor der Kuckucksuhr zucken sie beide zusammen. Ich lächle. Jetzt wissen sie, wie ich mich immer gefühlt habe.
„Achtung, der Kakao ist heiß“, warne ich sie vorsichtshalber und stelle die Tassen vor ihnen ab.
Sie zögern, da informiere ich sie: „Da ist kein Wasser drin. Naja, die Kuh hat Wasser getrunken, bevor sie Milch gegeben hat.“ Sie scheinen sowieso nicht durstig zu sein.
„Maxim hat nach dir gefragt, Liebling“, meint meine Mum. Ach tatsächlich. „Du hast dich gar nicht bei ihm verabschiedet“, wirft sie mir förmlich vor.
„Wieso sollte ich? Immerhin hat er mich eine hässliche Verrückte genannt“, kontere ich schulterzuckend und nehme einen großen Schluck.
Ihr steht der Mund offen. „Das wusste ich nicht“, gibt sie zu und blickt scheu zu Boden.
„Die Leute reden auch schon. Ich weiß nicht mehr, was ich ihnen sagen soll“, flüstert sie. Wie können die schon darüber reden? Bin doch noch gar nicht lange weg.
„Die Wahrheit? Dass ich ausgezogen bin, aber ihr mich oft besuchen kommt“, schlage ich vor und drücke ihre Schulter, weil sie etwas niedergeschlagen wirkt. Naja, ich kann sie verstehen, sie hat grad beide Töchter verloren. Irgendwie.
„Dieses Leben ist einer Byzantinischen Kronprinzessin nicht würdig“, meint sie und sieht auf meine Fingernägel, die schwarz von der Arbeit im Beet sind.
„Aber das ist das Leben, das ich für mich gewählt habe, Mum“, argumentiere ich. Sie sieht meinen Dad mit so einem Sagst-du-dazu-auch-mal-was-Blick an.
„Du siehst glücklich aus, Kind“, stellt mein Vater fest.
„Bin ich, naja ihr fehlt mir – sehr sogar“, gebe ich zu.
„Du fehlst uns auch. Deine Nachricht hat uns ganz schön zugesetzt. Immerhin bist du noch viel zu jung, um alleine so weit weg von deinem Zuhause zu leben.
Wir sind gekommen, um dich zurückzuholen, aber jetzt, wo ich dich so freudestrahlend sehe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dich zum Schiff zerren soll“, spricht mein Vater seine Gedanken laut aus.
„Kommt, wir gehen spazieren“, biete ich an und knalle meinem Dad Grandpa Johns Strohhut auf die Birne, bevor ich sie aus der Tür schiebe.
Ich zeige ihnen die gesamte Farm, erkläre, wie die Pflanzen heißen und was man davon essen kann.
Sie sehen sich andauernd an und schmunzeln. Ich glaube, die primitiven Landwirtschaftsgeräte belustigen sie.
Das ist mit Abstand der schönste Moment, den ich bisher mit ihnen hatte. Wir kommen uns langsam näher.
Ich biete ihnen sogar an, ein paar Tage bei mir zu bleiben, aber sie lehnen ab, weil sie arbeiten müssen, steigen in ihr Raumschiff, ohne dass mein Dad seine Drohung wahrmacht, mich zu entführen.
Ich heul trotzdem wie ein Schlosshund, als sie weg sind. Was von ihnen bleibt sind die Kornkreise.
Ein paar Tage später
Ich mache gerade eine kleine Spritztour mit dem Traktor, um mir den Zustand des Weizenfeldes anzusehen, da erkenne ich jemanden am Feldrand stehen. Es ist Maxim. Was will der denn hier?
Ich stoppe mein Gefährt und steige ab. Er mustert meine Latzhose interessiert und zieht die Augenbrauen hoch.
„Hier lebst du also jetzt“, bricht er unser Schweigen.
„Was verschafft mir die Ehre Eures persönliches Besuches, Kronprinz, oder willst du nur sehen, wie primitiv ich lebe, damit du da oben was zu erzählen hast“, fordere ich ihn heraus.
Er lächelt verschmitzt. „Ich wollte dich wiedersehen.“
„Ja klar“, motze ich. „Steig auf“, biete ich an und besteige mein Gefährt. Er tut, wonach ich verlange, sieht aber nicht begeistert aus, als ich das abartig laute Teil starte.
„Mit welchem Treibstoff wird diese Maschine angetrieben?“, will er wissen.
„Erdöl, hochexplosiv“, verarsche ich ihn.
Er sieht total alarmiert aus, was mich laut lachen lässt.
„Was gibt’s da oben Neues?“, frage ich ihn, nachdem ich ihm Limonade auf der Veranda eingeschenkt habe, auf der er in der Hollywoodschaukel Platz genommen hat.
„Es gibt Gerüchte, dass die Ceflapoiden eine Invasion planen“, knallt er mir ohne Rücksicht auf Verluste hin und trinkt. Vor Schreck ist mir fast der Krug aus der Hand gerutscht.
„Du hast sie nicht mehr alle“, mache ich meiner Überraschung Luft.
„Die meisten Sklaven sind verschwunden. Wir vermuten, dass der Ceflapoiden-König sie zu sich beordert hat.“
„ Was? “, zische ich.
„Kaja, du bist hier nicht sicher. Ich weiß nicht, ob sie nicht auch Halt vor diesem Planeten machen.“ Ich schlucke laut.
„Meine Eltern waren vor ein paar Tagen hier, aber davon haben sie nichts erzählt“, wende ich ein. „Keine Silbe.“
„Ich weiß. Das Parlament versucht, es geheim zu halten, solange es geht, damit keine Panik ausbricht, aber sie werden dich bald holen kommen.“
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